Schleichendes Gift
Werkzeugkasten sehr vorsichtig zu Imrans Lieferwagen hinunter. Er wusste, wie hochexplosiv TATP war, wie leicht die durch jede Bewegung entstehende Reibung die Kettenreaktion auslösen konnte, die ihn und den Rest des Hauses in die Luft sprengen würde. Er setzte den Kasten sachte auf dem Boden ab, während er die Hecktür des Lieferwagens öffnete, und stellte ihn auf die Schaumgummiunterlage, die er schon vorbereitet hatte. Vorsichtig schloss er die Türen und trat dann einen Schritt vom Lieferwagen zurück. Er wünschte, er wäre Raucher.
Dann sah er auf seine Uhr. Fast Zeit loszufahren. Er wollte ungefähr fünf Minuten vor Spielbeginn am Tor für das Personal und die Spieler ankommen, wenn der Sicherheitsdienst zu viel zu tun hatte, um besonders auf ihn zu achten. Mit etwas Pufferzeit für den Verkehr sollte er in etwa fünf Minuten starten.
Yousef setzte sich in den Lieferwagen und steckte den Schlüssel zittrig ins Zündschloss. Seine Hände waren schweißnass. »Ruhig bleiben«, sagte er sich. Kein Grund zur Panik. Kein Grund, Angst zu haben. Nichts konnte schiefgehen.
Er wusste nichts von dem dritten Bauteil, das zwischen dem Zünder und dem Timer angebracht war. Ein Bauteil, das Yousefs sorgfältige Pläne über den Haufen werfen sollte.
Tony war sehr mit sich zufrieden. Heute war er der Mann, der eine halbe Treppe geschafft hatte. Zugegeben, er hatte durchaus Schwierigkeiten gehabt, wieder hinunterzusteigen, hatte es aber bis zum Treppenabsatz geschafft. Neun Stufen hoch und neun Stufen hinunter. Und das ohne Sturz. Er war danach so erschöpft, dass er sich am liebsten hingelegt und geweint hätte, aber das würde er auslassen, wenn er die Geschichte erzählte.
Tony fuhr den Laptop hoch und rief die Homepage von Bradfield Victoria auf. Weil seine Arbeitszeiten so unregelmäßig waren, hatte er zu Beginn der Spielsaison ihren privaten Fernsehkanal abonniert. Solange er Zugang zu einem Breitbandanschluss hatte, konnte er also die Spiele der Vics live sehen. Er loggte sich ein und minimierte die Lautstärke. Bis zum Spielbeginn brauchte er sich nicht das Geschwätz zweier alter Fußballer und eines Berichterstatters anzuhören, der bei den Sendern in Ungnade gefallen war. Sie würden doch nur über Robbie reden, und Tony konnte sich nicht vorstellen, dass sie irgendwelche nützlichen Einsichten zu bieten hatten.
Als er an Robbie dachte, fiel ihm ein, dass er etwas auftreiben sollte, was Carol über ihre Verlegenheit hinweghelfen könnte. Denn sie hatte sich ja geweigert, seinen Vorschlag anzunehmen, der sich jetzt doch als richtig erwiesen hatte. Bestimmt wäre sie über sich selbst verärgert und würde diesem Ärger damit begegnen, dass sie jetzt auf ihn wütend war. Es wäre am besten, etwas zu haben, mit dem er ihre Angriffe abfangen konnte. Das Problem war nur – was?
»Was macht deine Opfer für dich zum Ziel, Stalky? Ist die Harriestown High School die entscheidende Verbindung? Was ist dort geschehen, das dir so wichtig ist?« Er ging die Möglichkeiten durch, konnte aber nichts finden, das Robbie Bishop und Danny Wade in ihrer Schulzeit verbunden haben könnte. »Aber das hat sich geändert«, grübelte er. »Als sie starben, hatten sie tatsächlich etwas gemeinsam. Sie waren beide reich. Und die Reichen sind anders. Sie waren also anders geworden. Sie hatten die restliche Harriestown High School in den Niederungen zurückgelassen. Sie hatten Glück gehabt, könnte man sagen. Danny auf jeden Fall. Für einen Lotteriegewinn braucht man keine Fähigkeiten. Es war einfach unverdientes Glück. Aber auch Robbie hatte Glück. Der richtige Club, der richtige Manager. Wir haben alle gesehen, dass es auch anders laufen kann und großes Talent einfach verschwendet wird.« Er versuchte krampfhaft, Gemeinsamkeiten herzustellen, und war sich dessen bewusst. Die beiden Fälle gaben einfach nicht genug Daten her. Das war das Schwierigste an seiner Arbeit. Je mehr Leute umkamen, desto leichter wurde es für ihn.
Es gab also nicht viel, was die Opfer verband. Und die Vorgehensweise beim Mord? Pflanzengifte. Es war wie bei Dorothy L. Sayers oder Agatha Christie. Irgendein geheimnisvoller Mordfall in einem Dorf. »Historisch gesehen waren Giftmörder meist Attentäter oder Familienmitglieder. Aber für Attentäter gibt es heutzutage Schusswaffen, und die forensische Toxikologie hat Vergiftungen in Familien schon vor langer Zeit ein Ende gesetzt … Warum sollte man also Gift benutzen? Es ist schwer zu
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