Schleichendes Gift
Dorothy direkt in die Augen. »Sie haben uns das weggenommen. Dafür ist jetzt das Antiterrorkommando zuständig. Wir konzentrieren uns auf Toms Tod, und ich kann Ihnen versichern, wenn es um Ermittlungen in Mordfällen geht, gibt es kein besseres Team als meines.«
Dorothy beruhigte sich etwas. Aber dass sie rund vierzig Jahre die Frau von Tom Cross gewesen war, hatte sie geprägt. »Meinem Tom den Bombenanschlag in Bradfield wegzunehmen, das hätten sie nie gewagt. Er hätte es John Brandon gezeigt«, versetzte sie und machte damit klar, was sie von Carol und Brandon hielt.
Carol sagte sich, sie habe es hier mit einer untröstlichen Witwe zu tun. Dies war nicht die rechte Zeit, Tom Cross’ Ansichten über Polizeiarbeit zu diskutieren. »Ich hoffte, dass Sie mir helfen könnten nachzuvollziehen, wo Tom gestern war«, begann sie.
Dorothy stand auf. »Ich wusste, Sie würden das fragen, deshalb hab ich es für Sie herausgesucht. Ich bin gleich zurück.« Sie verließ geschäftig den Raum. Carol kam der Gedanke, dass, wenn es eine Filmbiographie über Tom Cross’ Leben gäbe, man Patricia Routledge die Rolle seiner Frau geben müsste.
Dorothy kam mit einem Blatt Papier zurück und reichte es Carol. Während sie Kaffee nachgoss, las Carol einen Brief vom Rektor der Harriestown High School, in dem Tom gebeten wurde, als Sicherheitsberater bei einer Benefizveranstaltung tätig zu sein. Am unteren Rand hatte Cross neben einer Telefonnummer und dem Namen eines Restaurants den Namen Jake Andrews notiert. Darunter hatte er mit einem anderen Stift, aber in der gleichen Handschrift das Datum vom Samstag, den Namen eines Lokals in Temple Fields und »dreizehn Uhr« vermerkt.
»Wissen Sie, wer Jake Andrews ist?«, fragte Carol.
»Er organisierte die Benefizveranstaltung. Tom sagte, sie sollte auf Pannal Castle stattfinden. Er und Jake waren vor zwei Wochen zusammen in einem feinen französischen Restaurant hinter The Maltings zum Lunch gewesen. Sie haben sich gestern im Campion Locks Pub getroffen und sind dann zum Lunch in Jakes Wohnung gegangen. Meinen Sie, dass es da passiert ist?«, wollte Dorothy wissen. »Ist Jake auch tot? Ermitteln Sie seinetwegen?«
»Ich höre seinen Namen zum ersten Mal. Kennen Sie seine Adresse?«
Dorothy schüttelte den Kopf. »Tom meinte, sie hätten den Treffpunkt im Campion Locks ausgemacht, weil Jakes Wohnung so schwer zu finden sei. Er sagte zu Tom, es wäre einfacher, wenn sie sich im Pub träfen und dann zu Fuß zu seiner Wohnung gingen.«
Carol versuchte, sich ihre Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. Dieser Fall brachte eine Frustration nach der nächsten. Jedes Mal, wenn sie etwas hatte, das ein Anhaltspunkt zu sein schien, löste sich alles wieder in nichts auf. »Hat Tom noch etwas über Jake Andrews gesagt?«
Dorothy dachte einen Moment nach und fuhr sich übers Kinn, eine seltsame Geste, die Carol daran erinnerte, wie ein Mann sich über seinen Bart streicht. Schließlich schüttelte sie den Kopf. »Er sagte, dass er sich auszukennen schien. Das ist alles. Ist es da passiert?«
»Das wissen wir noch nicht. Bevor er zu Jake ging, wollte Tom da noch jemanden treffen?«
Dorothy schüttelte den Kopf. »Er hatte keine Zeit dazu. Sein Taxi kam um halb eins. Gerade richtig, um es bis zur anderen Seite von Temple Fields zu schaffen.«
Dagegen konnte Carol nichts einwenden. »Hatte er Drohungen erhalten? Hat er je davon gesprochen, dass er Feinde hätte?«
»Nicht ausdrücklich.« Sie strich sich wieder über ihren nicht vorhandenen Bart. »Wie gesagt, die Leute, die ihn auf dem Kieker hatten, würden so etwas Ausgefallenes nicht machen. Er wusste, dass es Gegenden in Bradfield gab, in die er nicht gehen sollte. Orte, wo er zu viele der einschlägigen Kunden verknackt hat. Aber er hatte keine Angst um sein Leben, DCI Jordan.« Ihre Stimme klang belegt. »Er hat sein Leben genossen. Sein Boot, sein Golfspiel, seinen Garten …« Sie musste einen Moment innehalten, legte die Hand auf die Brust und schloss die Augen. Als sie sich wieder beruhigt hatte, beugte sie sich so nah heran, dass Carol jede Falte in ihrem Gesicht sehen konnte. »Fassen Sie ihn, wer immer es getan hat. Fassen Sie ihn und bringen Sie ihn hinter Gitter.«
Es war ein merkwürdiges Gefühl, wieder in seinem eigenen Haus zu sein. Kein Wunder, dass manche Leute sich unselbständig und bevormundet vorkamen. Nach nur einer Woche im Krankenhaus fühlte sich Tony, als seien ihm all seine Fähigkeiten
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