Schleichendes Gift
es schaffte, dass er sich so ausgeliefert vorkam. Und das war nicht immer ein gutes Gefühl. »Carol, ich werde morgen entlassen. Ohne dich komme ich zu Hause nicht zurecht. In jeder Hinsicht. Können wir jetzt damit aufhören? Ich kann nicht mehr.«
Seine Worte ließen sie unvermittelt innehalten. »Entlassen? Morgen?«
Er nickte. »Du musst nicht viel machen. Ich kann mir vom Supermarkt einen Stoß Fertiggerichte liefern lassen …«
Carol schob den Kopf in den Nacken, schloss die Augen und seufzte. »Du bist unmöglich«, meinte sie, und aller Ärger war verflogen.
»Tut mir leid, ich habe dich nicht brüskieren wollen. Ich wollte nur helfen, ohne dir im Weg zu sein.« Die schroffen Töne ihrer Auseinandersetzung hingen noch in der Luft, aber die Stimmung zwischen ihnen hatte sich wieder normalisiert.
Sie setzte sich. »Also, lass mich wissen, was du denkst, jetzt da ich hier bin. Was können wir in Sachen Aziz machen, nachdem uns Rachel Diamond diesen Weg abgeschnitten hat?«
»Ich weiß nicht, ob er wirklich abgeschnitten ist«, wandte er ein. »Ich muss mir nur eine andere Vorgehensweise überlegen.«
»Gib mir Bescheid, wenn du so weit bist. Diesmal will ich dabei sein«, verkündete sie bestimmt. »Oh, ich wollte dir etwas sagen, hatte aber noch keine Gelegenheit dazu.« Sie erklärte, dass das Technikerteam die beiden Timer entdeckt hatte. »Beim CTC meint man, dass dies eine neue Richtung, einen Terrorismus eher im Stil der IRA andeutet, bei dem die Bombenleger am Leben bleiben, um später weiterzukämpfen. Ich persönlich glaube, dass es uns deiner Idee eines Auftragskillers näher bringt. Er wollte auf Nummer sicher gehen. ›Wenn mein Zünder nicht losgeht, kann ich die Explosion mit meinem Handy als Fernbedienung auslösen.‹ In der Art etwa.«
Tony hatte etwas im Hinterkopf, das langsam Form annehmen wollte. »In der Art«, meinte er leise. »Ja.« Er warf ihr ein kurzes, klares Lächeln zu. »Wir entfernen uns immer weiter davon, glaubwürdig behaupten zu können, dass es sich um einen terroristischen Akt gehandelt hat«, stellte er fest.
»Aber wir brauchen einfach unanfechtbare Beweise. Ich sitze zwischen zwei Fällen fest, deren Beweismaterial nicht fassbar ist.«
Tony machte eine ungeduldige Handbewegung. »Wenn du Jack Anderson findest, hast du auch deine Beweise. Ich glaube, er hat Verbindung zu einem Giftgarten.«
»Was ist ein Giftgarten?«
»Es gibt zum Beispiel einen auf Alnwick Castle«, berichtete er. »Der ist öffentlich zugänglich, jeder kann hingehen und viele todbringende Pflanzen betrachten. Aber es gibt auch Geschichten und Gerüchte über private. Leute spezialisieren sich darauf, giftige Pflanzenarten zu ziehen und Menschen ins Jenseits zu befördern – schon solange es Menschen gibt. Schierling, der Sokrates tötete. Strychnin, mit dem Frauen im Mittelalter ihre Männer umbrachten. Rizin, an dem Georgi Markow in den siebziger Jahren starb. Man kann diese Pflanzen im Garten hinterm Haus hochpäppeln, wenn man sich auskennt. Wo immer der risikoscheue Jack Anderson sich versteckt hält und seine sorgfältigen Pläne ausheckt, wirst du, glaube ich, auch einen Garten mit Giftpflanzen finden.«
Carol verdrehte die Augen. »Jedes Mal, wenn wir zusammenarbeiten, kommt ein Punkt, an dem du eine verdammt geniale Einsicht auftischst, zu der ich sagen muss: ›Und wie, um Himmels willen, soll ich das verwenden?‹«
»Und wirklich auf die Palme bringt dich, dass sie sich als irritierend nützlich erweist, wenn du herausgefunden hast, wie du sie einsetzen kannst«, sagte er. »Dafür werde ich bezahlt.«
»Was? Um zu irritieren?«
»Um nützlich auf eine Weise zu sein, die man von niemandem sonst erwarten würde. Geh nach Hause und schlaf mal drüber. Es ist gut möglich, dass du es bis morgen früh herausgefunden hast.«
»Meinst du?«
»Ich weiß es. Das Unterbewusstsein arbeitet die ganze Zeit. Wenn wir schlafen, kreiert es die beste Leistung. Auf jeden Fall wirst du alle Ruhe brauchen, die du bekommen kannst, damit du mir nach einem harten Tag der Verbrecherjagd noch Kaffee servieren kannst.«
Carol prustete. »Kauf dir doch ’ne Thermoskanne.« Sie stand auf. »Wir sehen uns morgen.« Sie küsste ihn auf den Scheitel. »Und misch dich nicht in die Angelegenheiten meiner Mitarbeiter ein, ohne vorher mit mir gesprochen zu haben. Okay?«
Er lächelte, denn er war froh, dass sie den Ärger hinter sich hatten. »Ich verspreche es.«
Und als er das sagte, meinte er
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