Schleichendes Gift
meinte sie. »Ehrlich gesagt, können wir Ihr Bett sinnvoller einsetzen, und Sie sind so verdammt entschlossen, dass Sie sich auch ohne uns sehr gut erholen werden. Sie werden noch oft zur Physiotherapie herkommen müssen. Wenn Sie meinen, dass es bis jetzt hart war, dann warten Sie nur, bis Sie das Gelenk wieder bewegen müssen.« Sie lächelte vergnügt. »Sie werden weinend nach Ihrer Mutter rufen.«
»Das glaube ich kaum«, erwiderte er sarkastisch.
Dr. Chakrabarti lachte. »Ich verstehe. Vielleicht nicht. Aber Sie werden sicher weinen. Also, morgen früh können Sie nach Hause gehen, vorausgesetzt, dass mein Assistenzarzt es für sicher hält, Sie zu entlassen. Haben Sie jemanden, der Ihnen beim Einkaufen, Kochen und so weiter helfen kann?«
»Ich glaube schon.«
»Sie glauben? Was heißt das, Dr. Hill?«
»Es gibt jemanden, aber ich fürchte, sie ist im Moment etwas verärgert über mich. Ich werde einfach auf Mitleid hoffen müssen. Wenn das nicht klappt, bleibt der Pizzalieferservice.«
»Versuchen Sie sich für den Rest des Tages gut zu benehmen, Dr. Hill. Es war interessant, Sie als Patienten zu haben.«
Tony lächelte. »Ich werde das als Kompliment auffassen.«
Wieder klopfte es, und erneut war es eine energische Frau. Carol fegte ins Zimmer und hatte schon den Mund für ihre Tirade geöffnet, stoppte aber beim Anblick von Dr. Chakrabarti. »Oh, tut mir leid«, sagte sie hastig.
»Ich wollte sowieso gerade gehen«, meinte die Chirurgin und wandte sich an Tony. »Ist das die bewusste Person?«
»Ja«, antwortete er und lächelte starr geradeaus.
»Da sollten Sie noch einige Energie reinstecken, damit Sie sie auf Ihrer Seite haben.« Sie nickte Carol zu und ging.
»Ich habe den Verdacht, dafür wird mehr Energie nötig sein, als ich im Moment habe«, seufzte Tony, der Carols Stimmung richtig einschätzte.
Sie packte das Bettgestell am Fußende. Er sah, dass ihre Knöchel weiß wurden. »Was treibst du eigentlich, Tony? Du lässt eine meiner besten Ermittlerinnen in der Pampa rumfahren und Befragungen machen, die zu nichts führen und genau genommen nicht einmal zu unserem Fall gehören. Du jagst einem weiteren Mitarbeiter Todesangst ein, eine Cremeschnitte zu essen, für den vagen Fall, dass der Giftmischer von Bradfield seinen Geschmack in Bezug auf Kuchen kennt und eine Stelle bei der Bäckerei in der Fußgängerzone angenommen hat. Und du kannst mich nicht mal auf dem Laufenden halten. Ich erfahre von der Sache mit dem Gift von Kevin. Ich höre von Paula, dass du mit Rachel Diamond nicht weitergekommen bist. Du weißt, ich bin wer weiß wie oft für dich in die Bresche gesprungen …«
»Und das erwies sich für dich als gar nicht so ungünstig«, unterbrach er sie, denn er war zu müde, und seine Schmerzen waren zu stark, als dass er die volle Wucht von Carols Ärger über das System aushalten konnte, das sie im Moment frustrierte. »Die Liste von Fällen, in denen ich recht hatte, kann sich sehen lassen. Und das weißt du. Wenn du auf meinen Zug aufgesprungen bist, hat es dir nicht gerade den Ruf einer Versagerin eingebracht.«
Sie starrte ihn an und war offensichtlich nicht nur zornig, sondern auch schockiert. »Du meinst also, ich hätte meinen Erfolg dir zu verdanken?«
»Das habe ich nicht gesagt, Carol. Schau, ich weiß, du würdest gern gegen das CTC angehen, aber dir sind die Hände gebunden. Also kommst du hierher und lässt es an mir aus. Aber es tut mir leid. Im Moment habe ich nicht genug Kraft, als Sandsack für deine Schläge zu dienen. Ich versuche dir zu helfen, aber wenn es dir lieber wäre, dass ich dich in Ruhe lasse, in Ordnung. Dann arbeite ich stattdessen mit John Brandon.«
Sie wich zurück, als hätte er sie geohrfeigt. »Ich kann’s nicht fassen, was du da gesagt hast.« Sie sah aus, als würden gleich Gegenstände fliegen.
Tony verzog das Gesicht und schüttelte den Kopf. »Ich auch nicht. Vielleicht sollten wir im Moment nicht miteinander reden. Du bist aufgeregt, und ich bin fix und fertig.«
Seine Worte schienen keine besonders versöhnliche Wirkung zu haben. »Das ist so typisch für dich«, rief sie. »Mit dir kann man nicht mal ’n richtigen Krach haben.«
»Ich mag Streit nicht«, sagte er. »Es tut mir weh. Als wäre ich wieder ein Kind. Im Schrank, im Dunkeln. Wenn die Erwachsenen streiten, muss es meine Schuld sein. Deshalb streite ich nicht.« Er blinzelte heftig, um die Tränen zurückzuhalten. Sie war der einzige Mensch auf der Welt, der
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