Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schleichendes Gift

Schleichendes Gift

Titel: Schleichendes Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
Vom Netzwerk:
Schwester.
    »Ich habe starke Männer gesehen, denen die Tränen kamen, wenn die Drainage rausmuss«, erwiderte die Schwester. »Er hat es besser gemacht als manch anderer.«
    Vanessa Hill klopfte der Schwester auf die Schulter. »Ich find’s toll, wie ihr Mädels sie verteidigt. Ich hoffe, er macht Ihnen keine Probleme.«
    Die Schwester lächelte. »Oh nein, er benimmt sich sehr gut. Er macht Ihnen wirklich Ehre, Mrs. Hill.« Und schon war sie weg.
    Mit ihrem Verschwinden war auch Schluss mit der Jovialität seiner Mutter. »Ich hatte hier wegen einer Besprechung mit dem Bradfield Cross Trust zu tun und dachte, ich sollte mich besser mal zeigen. Was sagen sie?«
    »Sie werden es mit einer Stützschiene versuchen, um zu sehen, ob ich heute oder morgen aufstehen kann. Ich dränge darauf, bis nächste Wochen draußen zu sein.« Er sah ihre Bestürzung und überlegte, ob er sie ärgern sollte. Aber der kleine Junge in ihm meldete sich und warnte ihn, das kurze Vergnügen würde wahrscheinlich die Folgen nicht wert sein. »Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, ich werde nicht zulassen, dass sie mich in deine Obhut entlassen. Selbst wenn ich ihnen sagen würde, dass ich bei dir unterkäme, bräuchtest du nichts zu tun, als herzukommen, wenn sie mich entlassen. Dann kannst du mich bei mir zu Hause absetzen.«
    Vanessa grinste süffisant. »Deine Freundin wird sich um dich kümmern, was?«
    »Zum letzten Mal: Sie ist nicht meine Freundin.«
    »Nein, ich nehme an, das wäre eine übertriebene Hoffnung. So ein hübsches Mädchen. Und zweifellos auch klug. Sie könnte doch wohl etwas Besseres für sich herausschlagen, denke ich.« Sie presste missbilligend die Lippen so fest aufeinander, dass sie nur noch ein dünner Strich waren. »Du hast nie mein Talent gehabt, interessante Leute anzuziehen. Abgesehen von deinem Vater, natürlich. Aber einen Fehler dürfen wir alle machen.«
    »Dazu kann ich unmöglich etwas sagen, oder? Da du mir nie etwas über ihn erzählt hast.« Tony hörte die Verbitterung in seiner Stimme und verwünschte sie.
    »Er meinte, er sei besser ohne uns dran. Meiner Meinung nach heißt das, wir sind besser ohne ihn dran.« Sie wandte sich ab und sah aus dem Fenster auf den weiten grauen Himmel. »Hör mal, du musst mir etwas unterschreiben.« Sie trat zu ihm hinüber, ließ ihre Schultertasche auf das Bett gleiten und nahm einen Schnellhefter mit Unterlagen heraus. »Drecksregierung, versucht uns den letzten Penny abzupressen. Das Haus deiner Großmutter ist auf unser beider Namen eingetragen. Sie hat es gemacht, damit ich Erbschaftssteuer sparen konnte. Es ist die ganzen Jahre vermietet gewesen. Aber so wie der Immobilienmarkt zur Zeit …«
    »Warte mal. Was soll das heißen, dass Omas Haus auf unser beider Namen eingetragen ist? Das hör ich ja zum ersten Mal.« Tony stemmte sich auf einem Ellbogen hoch und zuckte zusammen, blieb aber entschlossen.
    »Natürlich hörst du das zum ersten Mal. Wenn ich es dir überlassen hätte, würdest du es als Wohnheim für Leute auf Bewährung oder als Übergangshaus für deine heißgeliebten Spinner nutzen«, erklärte Vanessa ohne eine Spur nachsichtigen Wohlwollens. »Pass auf, du musst nur die Anweisung für den Notar und die Übertragungsurkunde unterschreiben.« Sie holte zwei Blatt Papier heraus, legte sie auf das Betttischchen, schnappte sich die Fernbedienung für das Bett und drückte wahllos auf die Knöpfe.
    Tony wurde auf und ab gerüttelt, während Vanessa herauszufinden versuchte, wie sie ihn zum Aufsitzen bringen konnte. »Wieso höre ich erst jetzt von dieser Sache? Und was ist mit der Miete?«
    Vanessa war endlich mit der Position des Bettes zufrieden und machte eine abweisende Handbewegung. »Wäre doch nur verschwendet gewesen, wenn du sie gekriegt hättest. Was hättest du damit angefangen? Noch mehr bescheuerte Bücher gekauft? Wenn du dem Verkauf mit deiner Unterschrift zustimmst, bekommst du ja auf jeden Fall deinen Anteil.« Sie wühlte in ihrer Tasche und zog einen Kugelschreiber heraus. »Unterschreib die beiden hier.«
    »Ich muss sie erst durchlesen«, wehrte sich Tony, während sie ihm den Stift zwischen die Finger schob.
    »Wozu? Danach weißt du auch nicht mehr. Unterschreib einfach, Tony.«
    Es war ja doch unmöglich herauszufinden, ob sie ihn über den Tisch ziehen wollte, dachte er. Ihr Benehmen wäre so oder so das gleiche gewesen. Ungeduld, Gereiztheit, die unverkennbare Überzeugung, dass er genau wie der Rest der Welt ihr

Weitere Kostenlose Bücher