Schleier des Herzens (German Edition)
für Beatriz und die anderen Mädchen bot sich durch den Schleier ein Blick auf den Wesir und seine Besucher. Der Emir erschien mit kleinem Gefolge. Nur sein Freund Hammad und zwei Leibwächter begleiteten ihn.
»Sieht er nicht unfassbar gut aus?«, raunte eines der Mädchen.
Der Emir war jung, viel jünger, als Beatriz es sich vorgestellt hatte. Irgendetwas an seinen Bewegungen kam ihr vage bekannt vor, aber da täuschte vermutlich der Vorhang. Ein wenig belustigt dachte sie, dass dies schließlich der erste intakte Mann außer Mammar war, dem sie seit Monaten begegnete« Kein Wunder, dass er die Erinnerung an andere junge Ritter weckte.
Die Mädchen waren angewiesen, zunächst nur etwasunaufdringliche Hintergrundmusik zu spielen, während der Wesir und seine Besucher speisten. Mammar ließ reich gekleidete Diener die erlesensten Speisen aufgetragen. Ein Leckerhissen folgte dem anderen, aber die neugierig durch den Vorhang spähenden Mädchen stellten fest, dass ihnen keiner der Männer mit besonderem Appetit zusprach. Auch die Unterhaltung verlief nicht gerade flüssig, die Atmosphäre schien eher angespannt von banger Erwartung.
Schließlich reinigte der Emir seine Hände und beendete damit das Mahl. Mammar klatschte in die Hände, woraufhin Diener die kaum angerührten Speisen abtrugen.
Der Emir wandte sich dem Vorhang zu, hinter dem Beatriz und die anderen leise, melodische Weisen erklingen ließen. Der junge Mann wirkte erregt, fast lauernd. Beatriz wunderte sich. Nach maurischer Sitte galt es als äußerst unhöflich, Frauen anzustarren, erst recht, wenn sie dem Harem eines anderen angehörten. Dieser junge Mann konnte jedoch den Blick nicht von den schemenhaften Bildern der Mädchen hinter dem Vorhang abwenden, ja er schien sich kaum beherrschen zu können, die Gaze niederzureißen.
Schließlich richtete er sich auf.
»So lasst mich die Sklavin denn hören, die Ihr angeblich allein als Sängerin erworben habt, Mammar al Khalid«, gebot der Emir mit schneidender Stimme. »Sie muss ja etwas Wahrhaft Erlesenes darstellen. Oder unterhaltet Ihr inzwischen ein eigenes Orchester?«
»Sie wurde mir geschenkt, Herr«, gab der Wesir ausweichend Auskunft.
Feya, eine der besten Sängerinnen in Mammars Harem und ebenfalls das Geschenk eines Geschäftsfreundes, bezog die Frage auf sich. Lächelnd nickte sie den anderenMädchen zu und verbeugte sich auch vage in Richtung ihres Herrn. Dann begann sie zu singen, ein altes, trauriges arabisches Lied. Die Geschichte eines Mädchens, das sich im Harem eines Fürsten nach der Liebe eines Bettlers verzehrt.
Der Emir lauschte mit kaum verhohlener Ungeduld, seine Finger klopften erregt auf die Tischplatte.
»Mammar, ich warne Euch!«, stieß er schließlich hervor. »Wagt es nicht, mich hinters Licht zu führen. Das ist nicht das Mädchen, von dem der Eunuch gesprochen hat. Lasst die Kleine jetzt singen, oder ich reiße diesen Vorhang herunter und sehe selbst nach, ob sie sich unter Euren Frauen verbirgt oder nicht!«
»Entschuldigt, aber ...«, Mammar wandte sich eilfertig den Musikerinnen zu. »Der Emir wünscht ein Lied auf Castiliano zu hören!«
Beatriz griff nach ihrer Laute. Ihr Herz schlug schneller. Was, um Himmels willen, ging da vor? Was wollte der Emir von ihr?
»Und lasst mich das Mädchen sehen! Es wird ja wohl eine Cobija tragen, sodass die Schicklichkeit gewahrt bleibt!« Die Stimme des Herrschers klang aufgewühlt – und wieder meinte Beatriz, diese klare, befehlsgewohnte Stimme zu kennen. Aber das war unmöglich.
»Herr ...« Mammars Stimme klang flehend. Aber dann gab er dem Wunsch des Fürsten nach. »Tritt vor, Beatriz ...« Es war kaum mehr als ein heiseres Flüstern.
Beatriz zog den Vorhang zurück und sah die Männer nun in aller Klarheit vor sich. Der Emir ... diese Augen ... Und wie er sie anstarrte, wie sein Blick ihr Haar streichelte, ihren Körper unter den Schleiern ausspähte, wie Flammen des Begehrens sein Gesicht zum Leuchten brachten ...
Aber nein, das bildete sie sich ein! Dies hier war derEmir, und sie war nur eine Sängerin. Außerdem erinnerte sie sich jetzt daran, dass ein Mädchen den Blick schüchtern zu senken hatte, wenn fremde Männer anwesend waren. Das galt in Kastilien ebenso wie in Granada. Also senkte sie die Lider und konzentrierte sich ganz auf ihre Laute und ihre Musik.
Mit klarer Stimme sang sie die Geschichte des Pagen Reynaldo, der die Tochter des Königs liebte und sie eines Nachts aus ihren Gemächern
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