Schleier des Herzens (German Edition)
danach äußert.
Aber der Kleine bleibt bei dir, Umm Ali. Zumindest in den nächsten Jahren.«
Beatriz seufzte, wenn sie an Jahre im Harem dachte. Aber wer weiß, was noch geschehen mochte. Zunächst war sie nicht unglücklich darüber, Mammar al Khadiz verlassen zu dürfen. Sicher, der Emir würde ebenso fordernd an seine Stelle treten, aber ein Emir hatte viel zu tun. Vielleicht nahm Amir sich nicht die Zeit, eine widerspenstige Sklavin so zu bedrängen und zu umwerben wie der alte Mann. In seinem Harem gab es sicher hunderte williger Mädchen. Dazu sprach man immer wieder von Unruhen, in Granada wie an der Grenze zu Kastilien. Amir musste sie niederschlagen, musste ins Feld ziehen. Er konnte monatelang wegbleiben ... ja, er konnte sogar fallen.
Beatriz versuchte, diesen Gedanken in Hoffnung zu betten, aber es gelang ihr nicht. Sie mochte sich Amirs lebensprühende, dunkle Augen nicht gebrochen vorstellen,erinnerte sie sich doch noch zu gut an seinen forschenden, wachen Blick, der sie erregte, wütend machte, aber auch wärmte.
Während die anderen Mädchen plauderten und klatschten, schloss sie die Augen, überließ sich der hypnotischen Kraft der endlosen Bürstenstriche, mit denen Susanna jetzt ihr Haar verwöhnte, und träumte sich zurück in die Nacht, als sie so kopflos vor Amir geflohen war. Wieder spürte sie seinen festen Griff um ihre Taille, als er sie aufs Pferd hob, seinen herben Geruch nach Zimt und Pferden, den kräftigen Körper, an den gelehnt sie geschlafen hatte. Damals hatte er ihr Sicherheit gegeben – und am Tag danach hatte sie seinen trügerischen Versprechungen geglaubt. Beatriz kämpfte sich in die Wirklichkeit zurück. Nein, sie würde sich nie wieder Hoffnungen machen! Alles hier war Lug und Trug, auch die scheinbare Freundlichkeit des jungen Emirs. Wie reizend von ihm, ihr das Kind zu lassen! Alle Frauen waren begeistert von seiner Güte, aber Beatriz wusste es besser. Letztlich ging es nur darum, sie gefügig zu machen, und Dankbarkeit war hier der Königsweg.
Aber sie würde nicht dankbar sein, und sie musste es auch nicht! Der Mann hatte sie verschleppt, hatte zugelassen, dass sie versteigert worden war wie ein Stück Vieh! Nein, sie würde sich ihm ebenso wenig hingeben wie Mammar! Beatriz warf entschlossen den Kopf zurück, bis Susanna sie wieder ermahnte, still zu halten.
Und wenn er sich dann auch so verhielt wie Mammar? Wenn die Gier mit ihm durchging? Wenn er sie zwang?
Einen Herzschlag lang fühlte Beatriz wieder die kräftigen Hände des jungen Kriegers, spürte seinen harten, muskulösen Körper, seine Schenkel an den ihren, die Erektion, die er damals auf dem Pferd schamhaft vor ihr verborgen hatte.
Wenn er versuchen würde, sie mit Gewalt zu nehmen ... Sie stellte sich vor, wie sie gegen den Ansturm seiner Lanze kämpfte, biss und kratzte, wie sie seinen Schweiß auf ihrer Haut spürte, aufbegehrte gegen die Kraft seiner stählernen Muskeln – und sich dann doch ergab ... süßes Blut der Hingabe, geöffnet die Tore der Festung ...
Beatriz verscheuchte energisch die Vorstellung. Törichte Träume einer Jungfrau! Als hätte man ihr die Unschuld und die Sehnsucht nicht längst geraubt.
Sie würde Amir ebenso wenig lieben, wie sie Al Khadiz geliebt hatte. Sie würde versuchen, ihn sich vom Leibe zu halten, und wenn sie sich ihm ergab, so nur unter Protest.
Aber was auch immer geschah: Alles war besser als Mammars lüsterner Blick, seine feuchten Lippen und seine zu geschickten Finger, die Genüsse versprachen, wo in Wahrheit nur noch welkes Fleisch und kraftlose Küsse auf sie wartete.
Beatriz wiegte ihr Kind in den Armen.
»Morgen, mein Kleiner, werden wir diesen Mauern entfliehen. Morgen erobern wir die Alhambra.«
Mustafa, der junge Eunuch, betrat mit klopfendem Herzen das Paradies. Zögernd und noch unsicher in der neuen, wertvollen Kleidung aus Seide und Brokat, die jedem Haremsdiener in der Alhambra angepasst wurde, folgte er dem Obereunuchen in die Frauengemächer des Palastes. Die kleine Geldschatulle, die der Emir ihm mit überschwänglichen Dankesworten hatte überreichen lassen, hielt er fest an sich gedrückt. Das war jedoch nicht alles, was er mit seiner seltsamen Mission bei Amir ibn Mustafa erreicht hatte. Hinzu kam eine Stellung im Palast des Emirs! Der junge Eunuch konnte sein Glück kaum fassen: Nichts anderes mehr zu tun und zu fürchten habenals die Verwöhnung und Unterhaltung der Odalisken. Ein leichter und begehrter Posten, bequeme
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