Schleier und Schwert
Svens muskulösen Arm und ließ sich von ihm weg vom Zelt geleiten. Zuerst sprachen sie nicht, doch als sie sich etwas von den schlafenden Männern entfernt hatten, konnte Margriet ihre Neugier nicht mehr zügeln.
Euer Anführer scheint nicht besonders glücklich darüber zu sein, dass er mich nach Kirkvaw bringen muss, begann sie.
Sven ließ ein Schnauben hören und meinte dann: Rurik ist nicht glücklich darüber, dass er überhaupt nach Kirkvaw zurückkehrt.
Was meint Ihr damit, Sir? Wird er denn nicht dafür belohnt werden, dass er den Auftrag meines Vaters ausführt
Oh ja, er wird belohnt werden, aber nicht von Eurem Vater. Sven beugte sich zu ihr, als wollte er ihr etwas Vertrauliches mitteilen, doch eine Stimme aus dem Dunkel hinderte ihn daran.
Sven, du solltest nicht mit Gunnars Tochter über solch persönliche Dinge sprechen.
Die leise Drohung, die in der Stimme lag, ließ Margriet zusammenzucken. Sven lächelte nur. Er nickte Rurik zu und ging, als habe ein stummer Befehl ihn dazu aufgefordert.
Und damit ließ er Margriet in Begleitung des Menschen zurück, dem sie lieber aus dem Weg gegangen wäre.
Rurik bot ihr den Arm, und sie legte die Hand darauf. Wortlos führte er sie im Kreis um ihr Zelt herum. Jeder Schritt fiel ihr leichter als der vorherige. Schließlich ließen die krampfartigen Schmerzen in ihrem Rücken und ihrer Hüfte nach. Rurik ging immer weiter, bis Margriet stehen blieb, als sie zum dritten Mal an ihrem Zelt angelangt waren.
Ich danke Euch, Sir, sagte sie, während sie beide neben dem schlafenden Wächter standen. Margriet wunderte sich, warum er den Mann nicht wach rüttelte und ihn dafür tadelte, dass er ihre Flucht verschlafen hatte. Rurik schien Gedanken lesen zu können, denn er beantwortete ihre nicht ausgesprochene Frage.
Er ist für Euer Wohlbefinden zuständig, nicht für Eure Sicherheit. Wenn ich glaubte, dass uns in dieser Gegend Gefahr droht, würde keiner der Männer schlafen.
Mein Wohlbefinden?
Ja. Solltet Ihr irgendetwas benötigen, so sagt es ihm nur. In diesem Augenblick erkannte sie, dass der Mann nicht schlief, sondern sie und Rurik von seinem Platz aus beobachtete. Doch der Ton von Ruriks Stimme ließ sie wieder den Blick auf sein Gesicht richten.
Der Mond schien hell in dieser Nacht und machte es ihr leicht, Ruriks Gesichtsausdruck zu erkennen. Trotzdem fiel es ihr nicht leicht, ihn zu deuten. Gern hätte sie geglaubt, dass er scherzte. Doch nichts, was sie bisher an ihm kennengelernt hatte, ließ auf etwas anderes als absolute Ernsthaftigkeit schließen.
Also sollte ich das nächste Mal besser nicht über ihn hinwegsteigen, wenn mir nach einem nächtlichen Spaziergang ist? Der Wächter ließ sich keins ihrer Worte entgehen. Sagte aber nichts.
Nein, Schwester. Rurik schüttelte den Kopf. Beim nächsten Mal solltet Ihr ihn wecken, um Euch von ihm zu verabschieden. Der Wächter ließ ein Grunzen hören, das sehr einem unterdrückten Lachen ähnelte.
Verblüfft durch Ruriks veränderte Haltung ihr gegenüber und neugieriger, als sie es sich eingestehen wollte, beschloss sie, das Risiko einzugehen und ihm die gleiche Frage zu stellen, die sie Sven gestellt hatte, bevor sie unterbrochen worden waren.
Dann ist es also wahr? Ihr wünscht nicht, nach Kirkvaw zurückzukehren?
Eigentlich war das nur die erste Frage. Sie hatte noch viele, viele Fragen über ihn und Kirkvaw und ihren Vater.
Ich möchte Euch das Gleiche fragen, Schwester. Warum wünscht Ihr nicht, nach Kirkvaw zurückzukehren?
Sie öffnete den Mund zu einer Erwiderung. Aber die Antwort, die sie ihm geben wollte und die, welche sie geben sollte, waren nicht die gleiche. Sie hatte keine Lust, mit ihm über dieses Thema zu sprechen. Außerdem befürchtete sie, dass ihre Worte mehr verraten würden, als irgendjemand wissen durfte. Und wieder, als könne er ihre Gedanken lesen, meinte er, bevor sie noch etwas sagen konnte: Es ist nur eine Frage, Schwester. Nur eine Frage.
Margriet blieb nichts anderes übrig, als zähneknirschend zu schweigen. Sie wusste, dass alles falsch wäre, was sie sagen würde. Sie gestand sich ihre momentane Niederlage ein, raffte die Röcke, ging um den Wächter herum, der sich die ganze Zeit nicht gerührt hatte, und kroch ins Zelt zurück. Während sie die Eingangklappe schloss, erhaschte sie einen letzten Blick auf Rurik. In dem langen Mantel, der seine breite Brust verhüllte und fast bis zum Boden
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