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Schleier und Schwert

Schleier und Schwert

Titel: Schleier und Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: brisbin
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reichte, die Arme vor der Brust verschränkt, stand er immer noch da.
    Mit leiser Stimme – zu leise, als dass sie etwas von dem, was gesprochen wurde, hätte hören können – unterhielt er sich mit dem Wächter, der jetzt nicht nur unverständliche Laute von sich gab. Er sprach den Dialekt des einfachen Volks der Orkneys. Margriet gab sich alle Mühe, etwas zu verstehen. Obwohl die Ländereien rund um das Kloster vor einigen Jahren unter die Herrschaft des schottischen Lord Alexander de L’Ard gekommen waren, war Earl Erengisl der wichtigste Geldgeber dieses und einiger anderer Klöster in Caithness. Auf seiner Burg sprach man das formelle Nordisch des königlichen Hofs. Mutter Ingrid, die aus einem anderen Teil Schottlands stammte, hatte Margriet in der gälischen Sprache unterrichtet, die man in dieser Gegend sprach. Doch Margriet besaß zwar Begabung für Zahlen und das Organisieren, nicht jedoch für das Erlernen fremder Sprachen.
    Rurik sprach ruhig und ohne jeden Ärger. Ein kurzes, gemeinsames Lachen beendete das Gespräch. Margriet hegte den Verdacht, dass das Gelächter auf ihre Kosten ging. Als sie sich so weit nach draußen beugte, dass Rurik sie bemerkte, schickte er sie mit einer Kopfbewegung ins Zelt zurück. Sie schämte sich, weil sie nicht die Kraft fand, ihm zu widersprechen oder wenigstens zu zögern. Doch dann schlüpfte sie unter die Decke und legte sich nieder. Dieses Mal knackten ihre Gelenke zwar, aber sie schmerzten nicht mehr. Margriet machte es sich unter der Decke bequem, während Elspeth immer noch schlief.
    Am nächsten Morgen ging die Sonne früher auf, oder wenigstens schien es Margriet so. Ihr war, als habe sie gerade erst die Augen geschlossen, als draußen der Befehl ertönte, das Lager abzubrechen. Wenigstens hatte sie die Geistesgegenwart besessen, die Kräuter, die sie am Morgen immer brauchte, aus ihrer Tasche zu nehmen und in Reichweite neben ihre Lagerstatt zu legen, bevor sie eingeschlafen war. Wenn sie sie sofort nach dem Aufwachen kaute und einen Schluck Wasser dazu trank, half ihr das, die morgendliche Übelkeit zu dämpfen, mit der ihr Magen zu kämpfen hatte.
    Ohne die Zeit zu haben, noch ein wenig liegen zu bleiben, betete Margriet, ihr Magen möge sich wieder beruhigen. Sie wollte nicht, dass sich das Ereignis von gestern wiederholte, während sie die Decken zusammenfaltete. Sie atmete tief ein und aus, wie die Köchin es ihr geraten hatte, konzentrierte sich auf ihre Aufgabe und ihre Schritte und kämpfte gegen Wellen der Übelkeit, die in ihr aufstiegen und wieder verebbten. Falls Elspeth es bemerkte, so sagte sie nichts. Beide Frauen sahen zu, wie man ihr Zelt abbrach und einpackte. Als ihnen der Mann, der sie die Nacht über bewacht hatte, eine Schale mit etwas, das aussah wie Haferbrei, reichte, rebellierte Margriets Magen erneut.
    Elspeth blieb dicht hinter ihr und verscheuchte Gott sei Dank die Männer, die ihnen folgen wollten. Resoluter, als Margriet es von dem Mädchen erwartet hatte, erklärte es den Männern, dass die Schwestern einem persönlichen Bedürfnis nachkommen müssten. Doch als Margriet auf die Knie fiel und ihr Magen seinen kärglichen Inhalt wieder von sich gab, war sie allein. Auch als das Würgen seinen Zweck erfüllt hatte, konnte sie nicht damit aufhören. Und es dauerte einige Zeit, bevor sie sich auf die Fersen hockte und nach Atem rang.
    Nachdem ihr Magen sich beruhigt hatte, wischte sich Margriet zitternd den Mund ab. Das Knacken von Ästen hinter ihr verriet ihr Elspeths Kommen. Sie stemmte sich in die Höhe und drehte sich herum, um dem Mädchen für seinen Beistand zu danken. Doch statt Elspeth entdeckte sie Rurik, der einige Schritte entfernt von ihr stand und sie beobachtete. Während er sie anstarrte, schienen seine harten Gesichtszüge wie aus Stein gemeißelt. Er musterte sie, und Margriet fühlte sich wie gelähmt unter seinem prüfenden Blick.
    „Sir?“ Elspeths Stimme zitterte, und Margriet wusste, ihre Stimme würde genauso zittern, wenn sie jetzt versuchte, etwas zu sagen.
    Sie kämpfte gegen diese seltsame Macht an, die sie verspürte. Es war etwas, dass es ihr schwer machte, zu atmen oder auch nur den Blick von Rurik zu wenden. Mit der Hand fasste sie sich an den Kopf, um sich zu vergewissern, dass ihr Wimpel und ihr Schleier richtig saßen. Denn ihr war, als würde sie am hellen Tag nackt vor ihm stehen.
    „Sir?“, fragte das Mädchen erneut.
    Was immer es für ein Zauber war, der sie gefangen gehalten hatte, dieses

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