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Schleier und Schwert

Schleier und Schwert

Titel: Schleier und Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: brisbin
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er, dass er ihre Frage beantworten musste.
    „Es ist meine Pflicht, Euch zu Eurem Vater zurückzubringen. Eine Pflicht, die ich auf mich genommen habe und wie verlangt ausführen werde. Doch eine Pflicht kommt nicht immer zur rechten Zeit. Deswegen habe ich gezögert.“
    Ob sie die Lüge in seinen Worten heraushörte? Das hier war eine Pflicht, die er nicht hatte htte übernehmen wollen und die er bedauerte, erfüllen zu müssen. Jetzt, nachdem er Margriet begegnet war, sogar noch mehr als zuvor. Sie hatte das Kloster nicht verlassen wollen, wie sie immer wieder beteuerte. Doch in diesem Fall hatte sie keine andere Wahl gehabt. Ihr Vater rief sie nach Hause zu den Pflichten, die sie der Ehre und ihrer Familie schuldete.
    Und der seine rief ihn.
    In gewisser Weise gefiel ihr seine Erklärung, denn sie hob jetzt das Gesicht und verbarg es nicht länger. Das Licht der untergehenden Sonne hinter ihm ließ ihre Augen glänzen und ihre Lippen voller und weicher aussehen Als sie jetzt sprach, war ihre Stimme wieder so fest, wie er sie an ihr kannte.
    „Ihr sprecht die Sprache des Hochlands, als wärt Ihr dort geboren“, sagte Margriet. „Seid Ihr Schotte und kommt nicht aus Norwegen oder Schweden?“
    „Meine Mutter ist eine Schottin aus dem Westen.“
    Rurik entschied, dass das alles war, was er ihr zu verraten brauchte. Trotz des Angebots, dass Sven und Magnus ihm überbracht hatten, würde er an all das erst glauben, wenn er es aus dem Mund seines eigenen Vaters hörte. Untertanentreue konnte sich ändern. Absprachen änderten sich. Es war nicht nötig, sich der Schande auszusetzen, sollten noch mehr Versprechen gebrochen werden.
    Margriet stellte keine weiteren Fragen mehr, schien aber über seine Worte nachzudenken. An ihrem Becher nippend, sah sie zu, wie er mit seiner Musterung fortfuhr. Als er weiterging, folgte sie ihm. Nichts, was er tat, entging ihr. Als die fortwährende Beobachtung ihn störte, sah er sie an.
    „Braucht Ihr irgendetwas, Schwester?“, fragte er schließlich. „Wenn ich mich mit Euch unterhalte, kann ich mich nicht auf meine augenblickliche Aufgabe konzentrieren.“
    „Nein“, sagte sie mit einem Kopfschütteln.
    Der Wimpel, der gefährlich verrutscht war, während sie ihm auf den Rücken schlug, saß jetzt wieder an seinem Platz und verbarg ihr Haar, von dem er wusste, dass es ihre Schultern umhüllte, wenn man es von seinen Fesseln befreite.
    Bei den Augen der großen Göttin Freya, er verzehrte sich nach einer Nonne! Trotz all der vielen Versuche, sein Verlangen zu zügeln und zu unterdrücken, erwachte seine Lust bei der kleinsten Bewegung, die ihn an die Frau unter der Nonnentracht erinnerte. Ein Kopfschütteln von ihr, und er war verloren? Wie konnte er nur so wenig Beherrschung besitzen?
    Wenn er geglaubt hatte, sie würde zu ihrem Nachtmahl und zu den anderen zurückkehren, so tat sie es nicht. Stattdessen trank sie den Becher in einem Zug aus und sah dann Rurik an.
    „Ich möchte am Fluss spazieren gehen und brauche dazu Eure Erlaubnis“, sagte sie. Dass sie dabei den Kopf senkte, wäre jedem anderen, der es gesehen hätte, als ein Zeichen der Fügsamkeit erschienen. Nur Rurik sah den Zorn aufblitzen, der das Blau ihrer Augen dunkler färbte.
    Margriet Gunnarsdottir braucht niemanden um Erlaubnis bitten, wenn sie etwas tun will, schienen ihre Augen zu sagen. Und Rurik vermutete, dass das der Wahrheit entsprach. Fast hätte er gelacht über ihren Versuch, ihn zu besänftigen. Doch dann wurde es ihm zu langweilig.
    „Sven, komm her!“, brüllte er. Als sein Freund näher kam, deutete er auf Margriet. „Begleite die Schwester zum Flussufer. Dort weht vielleicht eine kühlende Brise, die die Hitze erträglicher macht.“
    Margriet sagte kein Wort des Dankes zu ihm. Sie sagte gar nichts und schenkte ihm nur ein winziges Kopfnicken. Rurik wusste, dass sie in dieser Gegend sicher waren. Er und seine Männer hatten alles sorgfältig abgesucht, bevor sie das Lager aufbauten. Und wenn Margriet fort war, konnte er seine Arbeit noch vor Sonnenuntergang beenden.
    Zumindest redete er sich das ein.
    Aber das war nur eine weitere Lüge, die er all den anderen hinzufügte, die er bereits gesagt oder gedacht hatte. Sein ganzes Leben war seit Jahren eine einzige Lüge. Er hatte den Mann gespielt, den die anderen, mit denen er lebte und die neben ihm kämpften, in ihm sahen. Den Mann, der er in Wirklichkeit war, hatte er irgendwann verloren. Seine plötzliche Ankunft auf dem Besitz seines Onkels, ohne

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