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Schlichte Geschichten aus den indischen Bergen

Schlichte Geschichten aus den indischen Bergen

Titel: Schlichte Geschichten aus den indischen Bergen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudyard Kipling
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Orangenbäumen wie im Theater Beifall klatschten zu Saumarez' Wahl. Nie in meinem Leben habe ich etwas so wenig Englisches erlebt.
    Schließlich sagte Saumarez, wir müßten nach Hause, oder der ganze Ort würde uns suchen kommen, und »ob ich wohl so freundlich sein wollte, mit Maud Copleigh heimzureiten?« »Mit dem größten Vergnügen«, erwiderte ich.
    So bildeten wir denn sechs Paare und zogen nach Hause, immer zwei und zwei. Saumarez ging neben Edith Copleigh her, die sein Pferd ritt.
    Die Luft war wieder rein, und ganz allmählich, als die Sonne aufging, fühlte ich, daß wir uns in ganz gewöhnlicheMänner und Frauen zurückverwandelten, und daß das »große Verlobungs-Picknick« eigentlich etwas ganz Fremdartiges, Unirdisches gewesen war, etwas, was sich nie wieder ereignen würde. Es war mit dem Sandsturm, dem elektrischen Summen der Luft verschwunden.
    Ich war müde und zerschlagen und schämte mich eigentlich, als ich nach Hause kam und nach einem Bad ins Bett ging.
    Es gibt noch eine andere Lesart dieser Geschichte, die von Frauen stammt. Aber die wird wohl niemals niedergeschrieben werden, – – es sei denn, daß Maud Copleigh einmal Lust dazu verspürt.

Pluffles' Befreiung
    Mrs. Hauksbee war manchmal auch ihrem eigenen Geschlecht gegenüber nett. Das soll diese Geschichte beweisen. Man glaube davon ganz soviel, wie man mag.
    Pluffles war Leutnant bei den »Unaussprechlichen.« Er war sehr grün, selbst für einen Leutnant sehr grün. Er war grün über und über, wie ein Kanarienvogel, der noch nicht flügge ist. Das schlimmste aber bei der Sache war, daß er dreimal soviel Geld hatte, als ihm gut tat; denn Pluffles' Papa war ein reicher Mann und Pluffles sein einziger Sohn. Mama Pluffles vergötterte ihn. Sie war nur etwas weniger grün als Pluffles und glaubte ihm alles, was er sagte.
    Pluffles' schwache Seite war, nie zu glauben, was andere Leute sagten. Er zog es vor, »sich auf sein eigenes Urteil zu verlassen«, wie er es nannte. Aber er hatte im Leben gerade so wenig ein gutes Urteil, wie beim Reiten guten Sitz und sichere Hand. Infolgedessen kam er mehr als einmal in Verlegenheiten. Die größte Dummheit jedoch, die er je zustande gebracht hat, beging er in Simla – vor einigen Jahren, als er vierundzwanzig war.
    Er fing damit an, sich wie üblich auf sein eigenes Urteil zu verlassen, und die Folge davon war, daß er nach kurzer Zeit mit Händen und Füßen an den Rädern von Mrs. Reivers Rickshaw hing.
    An der ganzen Mrs. Reiver war nichts Gutes mit Ausnahme ihrer Toiletten. Sie taugte gar nichts, von ihrem Haar, das seinen Lebenslauf auf dem Kopf einer Bretagnerin begonnen hatte, bis zu ihren Stiefelhacken, die fast sechseinhalb Zentimeter hoch waren. Sie war nicht so offen mutwillig wie Mrs. Hauksbee; sie war berechnend boshaft.
    Es gab ihretwegen niemals einen Skandal; dazu war sie nicht großzügig genug. Sie war die Ausnahme, die die Regelbestätigt, daß die Engländerinnen in Indien ebenso nett sind, wie ihre Schwestern in der Heimat. Sie brachte ihr Leben mit diesem Beweise zu.
    Mrs. Hauksbee und sie haßten sich inbrünstig, Sie haßten sich viel zu sehr, um öffentlich aneinander zu geraten; aber was sie von einander erzählten, war überraschend, um nicht zu sagen – originell. Mrs. Hauksbee war ohne Falschheit, genau wie ihre Vorderzähne, und sie wäre eine Frau für Frauen gewesen, wenn sie nicht ihre mutwilligen Neigungen gehabt hätte. An Mrs. Reiver war nichts echt als ihre Selbstsucht. Und so fiel der arme kleine Pluffles gleich am Anfang der Saison ihr zur Beute. Sie hatte es auf ihn abgesehen, und Pluffles war nicht der Mann, ihr zu widerstehen. Er verließ sich auch hier auf sein eigenes richtiges Urteil und wurde gerichtet.
    Ich habe erlebt, wie Hayes ein bockiges Pferd zuritt, ich habe einen Tonga-Kutscher ein widerspenstiges Pony bändigen und einen strengen Wärter einen aufsässigen Hund für die Jagd zurichten sehen, aber Pluffles Dressur übertraf alles. Er lernte apportieren wie ein Hund, und auch wie ein Hund auf Mrs. Reivers Zuruf warten, Er lernte Verabredungen einhalten, die Mrs. Reiver nicht im geringsten einzuhalten gesonnen war. Er lernte sich für einen Tanz im voraus bedanken, den Mrs. Reiver nie mit ihm zu tanzen gedachte. Er lernte, fünfviertel Stunde an der Windseite des »Elysium« fröstelnd warten, bis Mrs. Reiver sich entschloß, auszureiten. Er lernte, in einem dünnen Gesellschaftsanzug im strömenden Regen eine Rickshaw suchen, um dann

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