Schlichte Geschichten aus den indischen Bergen
neben ihr herzulaufen. Er lernte, was es heißt, wie ein Kuli angeredet und wie ein Küchenjunge herumgeschickt zu werden. Alles das lernte er und noch manches dazu. Und er zahlte für seinen Unterricht.
Vielleicht hatte er die dunkle Vorstellung, daß alles das vornehm und imponierend sei, daß es ihm bei den Männern eine »Stellung« gebe, und daß man doch eigentlich nicht anders könne. Es fühlte sich niemand verpflichtet, Pluffles vor seiner Torheit zu warnen. In jenem Winter ging es zu flott zu, als daß man sich noch hätte darum kümmern können; und außerdem ist es immer ein undankbares Geschäft, sich in andrer Leute Dummheiten einzumischen. Pluffles' Oberst hätte ihn, sobald er gehört hatte, wie die Dinge lagen, zum Regiment zurückkommandieren sollen. Aber Pluffles hatte sich während seines letzten Urlaubs in England verlobt, und nichts verabscheute der Oberst mehr als einen verheirateten Leutnant. Als er von Pluffles' »Dressur« hörte, lachte er in sich hinein und meinte, es wäre für den Jungen eine ganz gute Schule. Es war aber durchaus keine gute Schule für ihn. Sie verführte ihn, über seine Verhältnisse zu leben, die nicht schlecht waren. Vor allem aber machte diese »Erziehung« aus dem Durchschnittsjungen einen Mann übelster Art. Er geriet in schlechte Gesellschaft, und über seine kleinen Rechnungen bei Hamilton mußte man staunen.
Da nahm Mrs. Hauksbee sich der Sache an. Sie spielte ihr Spiel allein, denn sie wußte, was die Leute von ihr sagen würden, und sie spielte es für ein Mädchen, das sie noch nie gesehen hatte. Pluffles' Braut wollte im Oktober unter der Obhut einer Tante nach Indien kommen, um Pluffles zu heiraten.
Anfang August hielt es Mrs. Hauksbee für die rechte Zeit, einzuschreiten. Ein geübter Reiter weiß im voraus ganz genau, was sein Pferd im nächsten Augenblick tut. Ebenso weiß eine Frau von Mrs. Hauksbees Erfahrung sehr wohl, was ein junger Mensch unter gewissen Verhältnissen tut, zumal wenn er in eine Frau von Mrs. Reivers Schlagvernarrt ist. Sie sagte sich, daß der kleine Pluffles früher oder später seine Verlobung um nichts und wieder nichts lösen würde, einfach nur Mrs. Reiver zu Gefallen, die ihrerseits Pluffles solange sich im Dienst und zu Füßen halten würde, wie es ihr der Mühe wert schien. Sie erklärte, daß sie sich auf solche Erscheinungen verstünde. Und in der Tat, wenn sie es nicht konnte, wer konnte es dann!
Sie zog aus, um Pluffles aus dem Feuer der feindlichen Geschütze herauszuschlagen; genau wie Mrs. Cusack-Bremmil unter Mrs. Hauksbees Augen Bremmil erobert hatte.
Diese besondere Fehde dauerte sieben Wochen, – wir nannten sie den siebenwöchigen Krieg, – und man rang auf beiden Seiten um jeden Zoll breit Boden. Ein ausführlicher Bericht davon würde einen Band füllen und dennoch unvollständig sein. Wer solche Dinge kennt, kann sich die Einzelheiten selbst ausmalen. Es war ein großartiger Kampf, – solange Jakko steht, wird es keinen zweiten geben, – und Pluffles war der Siegespreis. Man sprach schändlich über Mrs. Hauksbee, denn man wußte nicht, um was sie spielte. Mrs. Reiver focht zum Teil, weil Pluffles ihr nützlich war, hauptsächlich aber, weil sie Mrs. Hauksbee haßte, und weil es eine Kraftprobe zwischen beiden galt. Was Pluffles sich dabei dachte, wußte niemand. Selbst in seiner besten Zeit hatte Pluffles nicht viele Gedanken, und auf die wenigen, die ihm kamen, war er unheimlich stolz. Mrs. Hauksbee sagte sich: »Den Jungen muß ich mir einfangen, und das einzige Mittel dazu ist gute Behandlung.«
Darum behandelte sie ihn, solange der Ausgang des Kampfes zweifelhaft war, als Mann von Welt und Erfahrung. Pluffles fiel nach und nach von seiner Lehnsherrin ab und ging schließlich zum Feinde über, der ihn besser würdigte. Er wurde nie mehr auf Ausschau nach Rickshaws gesandt, noch wurden ihm Tänze versprochen, die nie getanzt wurden,noch wurde die Schwächung seines Geldbeutels fortgesetzt. Mrs. Hauksbee hielt ihn an der Trense, und nach der Führung unter Mrs. Reivers Hand wußte er den Wechsel zu schätzen.
Mrs. Reivers hatte es ihm abgewöhnt, von sich selber zu reden und ihn statt dessen von ihren eigenen Vorzügen sprechen lassen. Mrs. Hauksbee tat das Gegenteil und gewann dadurch sein Vertrauen, so daß er sogar seine Verlobung in der Heimat erwähnte. Er sprach davon in einem überlegenen Ton als von einer »jugendlichen Torheit.« Das geschah, als er eines Nachmittags bei ihr zum Tee
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