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Schließe deine Augen

Schließe deine Augen

Titel: Schließe deine Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Verdon
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nicht klar, wie wichtig es mir ist, dass diese Vorstellung stimmt. Zum Beispiel, dass ich genau weiß, was irgendwo abgelaufen ist oder wie irgendein Drecksack tickt. Ich weiß einfach, warum er was Bestimmtes getan hat. Bloß, dass ich in Wahrheit manchmal – nicht oft, aber wie gesagt manchmal – keinen blassen Schimmer habe und nur glaube , dass ich es weiß. Dieser absolute Glaube – das ist so eine Art Berufsrisiko.« Er verstummte und schien über die düsteren Konsequenzen seiner Worte nachzugrübeln.
    Wieder einmal wurde Gurney daran erinnert, dass man sich auf den ersten Eindruck von einem Menschen nicht verlassen konnte.
    »Danke, Detective Beltzer«, sagte er, nachdem er einen kurzen Blick auf das Namensschild geworfen hatte. »Das war wirklich ein wertvoller Beitrag.« Er bemerkte keine Anzeichen von Widerspruch in den Gesichtern der Teilnehmer. Sogar Falcone wirkte kleinlaut.
    Gurney ließ sich Zeit, um ein Minzbonbon aus einer kleinen Schachtel zu nehmen und es sich in den Mund zu stecken. Hauptsächlich ging es ihm darum, dass Beltzers Äußerungen noch nachwirken konnten.
    Dann fuhr er mit frischem Schwung fort. »Der Vernehmer in unserer Filmszene könnte also aus einer ganzen Reihe von Gründen daran glauben wollen , dass der Zusammenbruch des jungen Mannes echt ist. Nennen Sie mir einen solchen Grund.« Er deutete auf einen Beamten, der noch nichts gesagt hatte.
    Der Mann blinzelte verlegen. Gurney wartete.
    »Vielleicht … vielleicht gefällt ihm die Vorstellung, dass er die Wahrheit aus dem Jungen rausgekitzelt hat … also, dass sein Verhör erfolgreich war.«
    »Sehr richtig.« Gurney suchte den Blick eines weiteren schweigsamen Teilnehmers. »Nennen Sie mir einen weiteren Grund.«
    Auf dem eindeutig irischen Gesicht unter einem karottenfarbenen Bürstenschnitt zeigte sich ein Grinsen. »Will vielleicht Punkte sammeln. Für seinen Bericht. Damit er damit bei seinem Chef antanzen kann. ›Hab ich das nicht super hingekriegt?‹ Verspricht sich was davon. Beförderung vielleicht.«
    »Leuchtet mir ein«, sagte Gurney. »Kann jemand sich noch einen anderen Grund vorstellen, warum er dem Jungen die Geschichte abkaufen will?«
    »Macht.« In der Stimme der Lateinamerikanerin lag Herablassung.
    »Wie das?«
    »Er bildet sich was drauf ein, dass er den Verhörten dazu gezwungen hat, peinliche Dinge zu gestehen, die der verheimlichen wollte, dass er ihn gezwungen hat, seine Schande zuzugeben, dass er ihn dazu gebracht hat, vor ihm zu kriechen und zu weinen.« Sie sah aus, als wehte ihr der Geruch von verfaulendem Müll in die Nase. »Das berauscht ihn, er kommt sich vor wie Superman, wie ein allmächtiges Genie. Wie Gott.«
    »Ein starker emotionaler Gewinn also«, resümierte Gurney. »Kann einem den klaren Blick rauben.«
    »Allerdings«, bestätigte sie. »Und wie.«
    Im hinteren Teil des Zimmers hob ein Mann mit braunem Gesicht und kurzem, welligem Haar die Hand, der sich noch nicht geäußert hatte. »Entschuldigen Sie, Sir, ich bin etwas verwirrt. Hier im Haus gibt es ein Seminar über Verhörtechniken und eins über verdeckte Ermittlungen. Zwei verschiedene Seminare. Ich habe mich für die verdeckten Ermittlungen angemeldet. Bin ich da überhaupt richtig? Soweit ich das mitgekriegt habe, geht es hier nur um Verhöre.«
    »Sie sind schon richtig«, erwiderte Gurney. »Wir beschäftigen uns hier mit verdeckten Ermittlungen. Aber es gibt eine Verbindung zwischen den zwei Aktivitäten. Wenn Sie begreifen, wie sich ein Vernehmer täuschen kann, weil er was Bestimmtes glauben will, können Sie nach dem gleichen Prinzip die Zielperson Ihrer verdeckten Operation beeinflussen. Es kommt nur darauf an, dass Sie die Zielperson dazu bringen, die Fakten über Sie zu ›entdecken‹, die sie glauben soll. Damit hat der Betreffende ein starkes Motiv, Ihnen Ihre Tarnung abzunehmen. Er will an Ihre Echtheit glauben – so wie der Typ in dem Film das Geständnis glauben will. Tatsachen, die jemand selbst herausgefunden hat, besitzen eine enorme Glaubwürdigkeit. Wenn er glaubt, Dinge über Sie zu wissen, die Sie gar nicht preisgeben wollten, werden ihm diese Dinge besonders wahr erscheinen. Wenn er glaubt, unter Ihre Oberfläche vorgedrungen zu sein, wird er das, was er in der tieferen Schicht freilegt, für die echte Wahrheit halten. Ich spreche hier vom Heureka-Trugschluss. Die Eigenheit des Verstandes, die einer vermeintlich selbstständigen Entdeckung höchste Glaubwürdigkeit verleiht.«
    » Was für ein

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