Schließe deine Augen
wenn die Bremse nicht betätigt wurde, andererseits musste der Druck auf die Felge beim Bremsvorgang ausreichen – war ein Geduldsspiel, das erst beim vierten Versuch von Erfolg gekrönt wurde. Eher erleichtert als zufrieden konnte er schließlich konstatieren, dass es geschafft war. Nachdem er die Schraubenschlüssel wieder an ihren Platz gehängt hatte, stapfte er zurück zum Haus, eine Hand taub, die andere schmerzend.
Beim Passieren des Stapels von Holzklötzen fragte er sich zum zehnten Mal in ebenso vielen Tagen, ob er einen Holzspalter mieten oder kaufen sollte – beides brachte Nachteile mit sich. Von der Sonne war noch immer nichts zu sehen, doch die Eichhörnchen waren bereits mit ihrem Morgenansturm auf die Futterspender der Vögel beschäftigt, ein weiteres Problem ohne zufriedenstellende Antwort. Und natürlich war da noch die Sache mit dem Dünger für den Spargel.
In der Küche ließ er sich warmes Wasser über die Hände laufen.
Als das Brennen allmählich abklang, verkündete er: »Deine Bremsen sind eingestellt.«
»Danke«, antwortete Madeleine fröhlich, ohne von ihrem Buch aufzuschauen.
In der lavendelblauen Fleecehose, der rosa Windjacke, den roten Handschuhen und der orangefarbenen Wollmütze über den Ohren glich sie einem Bilderbuchsonnenuntergang, als sie eine halbe Stunde später zum Schuppen hinüberlief, sich auf ihr Fahrrad setzte und langsam den Wiesenweg zur Landstraße entlangholperte.
Im Lauf der nächsten Stunde ging Gurney im Kopf noch einmal alle Einzelheiten des Verbrechens durch, so wie Jack Hardwick sie ihm geschildert hatte. Je mehr er sich in das Szenario vertiefte, als desto verstörender empfand er das fast opernhaft Gekünstelte daran.
Um Punkt neun Uhr, dem mit Val Perry vereinbarten Zeitpunkt, trat er ans Fenster, um einen Blick auf die Straße zu werfen. Denkt man an den Teufel, kommt er gerannt. In diesem Fall am Steuer eines dunkelgrünen Porsche Turbos – ein Modell, das nach Gurneys Kenntnis ungefähr hundertsechzigtausend Dollar kostete. Mit sanft schnurrendem Motor schob sich das schnittige Fahrzeug an der Scheune und dem Weiher vorbei, hinauf zu dem kleinen Parkplatz am Haus. Mit verhaltener Neugier, aber auch aufgeregter, als er es sich eingestehen wollte, trat Gurney hinaus, um seinen Gast zu begrüßen.
Aus dem Auto stieg eine große, schlanke, wohlproportionierte Frau in cremefarbener Satinbluse und schwarzer Satinhose. Das schwarze Haar war zu einem geraden Pagenkopf geschnitten wie bei Uma Thurman in Pulp Fiction. Sie war, wie Hardwick es angekündigt hatte, »absolut umwerfend«. Aber mindestens genauso auffallend wie ihre äußere Erscheinung war ihre Anspannung.
Mit wenigen Blicken, die alles registrierten, aber nichts preisgaben, taxierte sie ihre Umgebung. Eine tief verwurzelte Vorsicht, vermutete Gurney.
Mit der Andeutung einer Grimasse trat sie auf ihn zu. Oder verzog sie den Mund immer so?
»Hallo Mr Gurney. Val Perry. Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie sich Zeit für mich nehmen.« Sie streckte ihm die Hand entgegen. »Oder soll ich Sie Detective Gurney nennen?«
»Diesen Titel habe ich bei meiner Pensionierung in der Stadt gelassen. Nennen Sie mich einfach Dave.« Sie schüttelten sich die Hand. Ihr Blick war intensiv, ihr Griff erstaunlich fest. »Möchten Sie reinkommen?«
Zögernd ließ sie den Blick über den Garten und die kleine Bluestone-Terrasse gleiten. »Können wir uns vielleicht hier draußen hinsetzen?«
Die Frage überraschte ihn. Die Sonne stand zwar inzwischen ein gutes Stück über dem östlichen Kamm an einem wolkenlosen Himmel, und auch der Tau war zum größten Teil vom Gras verschwunden, aber es war immer noch recht frisch.
»Jahreszeitlich bedingte Depression.« Sie lächelte. »Wissen Sie, was das ist?«
»Ja.« Er erwiderte ihr Lächeln. »Ich bin wohl auch leicht davon betroffen.«
»Bei mir ist es nicht nur ein leichter Fall. Ab jetzt brauche ich so viel Licht wie nur möglich, am besten Sonne. Sonst packt mich ganz konkret der Wunsch, mich umzubringen. Vielleicht könnten wir also hier draußen sitzen, wenn es Ihnen nichts ausmacht, Dave?« Es war eigentlich keine Frage.
Der kriminalistische Teil seines Gehirns, der unbeeindruckt von der Pensionierung immer noch sein Denken dominierte, betrachtete diese Geschichte mit der jahreszeitlich bedingten Depression mit einer gewissen Skepsis. Vielleicht steckte etwas anderes dahinter. Ein exzentrischer Kontrollwahn, das Bedürfnis, andere nach ihrer Pfeife
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