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Schließe deine Augen

Schließe deine Augen

Titel: Schließe deine Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Verdon
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Lampen über der Anrichte ein und verstaute Schaufel und Handbesen wieder unter der Spüle. Die hellere Beleuchtung im Zimmer verdunkelte die Außenwelt noch mehr und machte die Glastüren zu Spiegeln.
    »Auf dem Herd steht noch Lachs für dich«, sagte sie. »Und Reis.«
    »Danke.« Er beobachtete sie in der Glasscheibe. Anscheinend starrte sie ins Spülwasser. Ihm fiel ein, dass sie ihre Absicht erwähnt hatte, am Abend auszugehen, und er riskierte eine Vermutung. »Buchclub-Treffen.«
    Sie lächelte. Er war sich nicht sicher, ob er es erraten hatte oder nicht.
    »Wie war’s in der Akademie?«, erkundigte sie sich.
    »Nicht schlecht. Eine bunte Mischung von Teilnehmern – alles vertreten. Es gibt immer die Vorsichtigen, die abwarten und beobachten und lieber möglichst wenig sagen. Die Zweckorientierten, die genau wissen wollen, was sie von so einem Seminar mitnehmen können. Die Minimalisten, die sich so wenig wie möglich beteiligen, erfahren und tun wollen. Die Zyniker, die beweisen wollen, dass jede Idee, die nicht von ihnen stammt, Quatsch ist. Und natürlich die Positiven – wahrscheinlich die beste Bezeichnung für sie –, die so viel wie möglich lernen, die klarer sehen und bessere Polizisten werden wollen.« Es machte ihm Spaß zu reden, und er hätte gern mehr erzählt, doch sie wandte sich wieder dem Spülwasser zu. »Also, ja«, schloss er. »Ein guter Tag. Die Positiven haben ihn interessant gemacht.«
    »Männer oder Frauen?«
    »Was?«
    Sie zog den Pfannenheber aus dem Wasser und runzelte die Stirn, als wäre ihr zum ersten Mal aufgefallen, wie zerkratzt er war. »Die Positiven – waren es Männer oder Frauen?«
    Es war merkwürdig, welche Schuldgefühle er empfinden konnte, obwohl es gar keinen Anlass dafür gab. »Männer und Frauen.«
    Sie hielt den Pfannenheber ins Licht und rümpfte missbilligend die Nase. Dann warf sie ihn kurzerhand in den Abfalleimer unter der Spüle.
    »Hör zu«, fing er an, »wegen heute Morgen. Diese Sache mit Jack Hardwick. Ich glaube, wir sollten uns noch mal drüber unterhalten.«
    »Du triffst dich mit der Mutter des Opfers. Wozu also sich unterhalten?«
    »Es gibt gute Gründe für ein Treffen mit ihr«, fuhr er blindlings fort, »und vielleicht auch gute Gründe, die dagegen sprechen.«
    »Intelligente Betrachtungsweise.« Sie wirkte kühl amüsiert, schien zumindest ironisch aufgelegt. »Aber jetzt kann ich nicht darüber reden. Ich möchte nicht zu spät kommen. Zum Buchclub.«
    Beim letzten Satz nahm er eine leise Betonung wahr – sie wusste, dass er geraten hatte. Eine erstaunliche Frau, dachte er. Trotz seiner Beklemmung und Erschöpfung musste er unwillkürlich lächeln.

7
Val Perry
    Wie immer war Madeleine am Morgen als Erste auf.
    Gurney erwachte vom Zischen und Gurgeln der Kaffeemaschine, und ihm fiel schlagartig ein, dass er vergessen hatte, ihre Fahrradbremsen zu reparieren.
    Dazu gesellte sich das Unbehagen über seinen Plan, sich später am Vormittag mit Val Perry zu treffen. Zwar hatte er Jack Hardwick deutlich zu verstehen gegeben, dass er mit diesem Treffen keine weiteren Verpflichtungen einging – es war nur eine Geste der Höflichkeit und des Beileids gegenüber einer Frau, die einen schweren Verlust erlitten hatte –, doch nun senkte sich eine Wolke von Skrupeln auf ihn herab. Nachdem er sie so gut wie möglich von sich geschoben hatte, duschte er und zog sich an, bevor er zielstrebig durch die Küche in die Vorratskammer marschierte und dabei Madeleine ein »Guten Morgen« zumurmelte, die auf ihrem gewohnten Platz am Frühstückstisch saß, eine Scheibe Toast in der Hand und ein aufgeschlagenes Buch vor sich. Er nahm seine Arbeitsjacke vom Haken und schlüpfte hinein, dann steuerte er durch die Seitentür hinüber zum Traktorschuppen, in dem auch ihre Fahrräder und Kajaks untergestellt waren. Die Sonne war noch nicht herausgekommen, und der Morgen war für Anfang September erstaunlich frisch.
    Er schob Madeleines Fahrrad zur Vorderseite des offenen Schuppens, wo mehr Licht war. Der Aluminiumrahmen war erschreckend kalt. Allerdings auch nicht kälter als die zwei kleinen Schraubenschlüssel, die er aus dem Satz an der Wand auswählte.
    Zweimal knallte er mit den Fingern gegen die scharfen Kanten der vorderen Gabel, fluchte und zog sich beim zweiten Mal sogar einen blutigen Riss zu, als er die Kabel für die Einstellung der Bremsklötze nachzog. Das Finden des richtigen Abstands – einerseits musste sich das Rad frei drehen können,

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