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Schließe deine Augen

Schließe deine Augen

Titel: Schließe deine Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Verdon
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erntete sie schallendes Gelächter.
    »Okay.« Gurney nutzte die Unterbrechung, um die Sache in eine neue Richtung zu lenken. »Schauen wir uns das mal näher an. Der naive junge Mann will in die Organisation. Er erzählt einen Haufen Quatsch, um gut dazustehen. Der clevere Alte durchschaut ihn, nagelt ihn auf seine Lügen fest und zieht ihm die Wahrheit aus der Nase. Und zufälligerweise machen die schrecklichen Erfahrungen den Jungen zum psychologisch idealen Kandidaten für die fanatische Irgun. Also nehmen sie ihn auf. Ist das eine treffende Zusammenfassung des Filmausschnitts?«
    Mehrere Leute nickten oder murmelten zustimmend, manche vorsichtiger als andere.
    »Ist vielleicht jemand der Meinung, dass wir was anderes gesehen haben?«
    Die Lateinamerikanerin wirkte unschlüssig, und Gurney musste grinsen. Das schien ihr den benötigten Ansporn zu geben. »Ich möchte nicht behaupten, dass wir was anderes gesehen haben. Es ist ein Film, klar, und in dem Film stimmt das wahrscheinlich alles so. Aber wenn es echt wäre, also ein Video von einem echten Verhör, dann könnte es sein, dass es nicht stimmt.«
    »Was soll das blöde Gelaber?«, flüsterte jemand nicht eben leise.
    »Was das blöde Gelaber soll? Das kann ich gern erklären.« Sie nahm die Herausforderung an. »Es gibt überhaupt keinen Beweis, dass der alte Typ die Wahrheit rausgefunden hat. Der Junge bricht also weinend zusammen und gibt zu, dass er in den Arsch gefickt wurde, entschuldigen Sie meine Ausdrucksweise. ›Buhuhu, ich bin doch kein großer Held, sondern nur ein kleiner Jammerlappen, der den Nazis den Schwanz gelutscht hat.‹ Woher wissen wir, dass nicht auch diese Geschichte erfunden ist? Vielleicht ist der Jammerlappen schlauer, als es den Anschein hat.«
    Herrgott , dachte Gurney, sie hat wieder ins Schwarze getroffen. Er sprach in das nachdenkliche Schweigen hinein, das ihren beeindruckenden Ausführungen folgte. »Und damit kommen wir wieder zu unserer Ausgangsfrage. Warum glauben wir, was wir glauben? Wie die Kollegin so treffend bemerkt hat, kann es durchaus sein, dass der Vernehmer gar nicht zur Wahrheit vorgedrungen ist. Und da stellt sich natürlich die Frage, wieso er davon überzeugt war.«
    Diese Wendung führte zu einer Reihe von Antworten.
    »Manchmal weiß man einfach aus dem Bauch heraus, was Sache ist.«
    »Vielleicht hat der Zusammenbruch des Jungen echt auf ihn gewirkt. Vielleicht muss man dabei sein und die Atmosphäre spüren.«
    »In der Realität weiß der Vernehmende mehr, ohne dass er seine Karten voll auf den Tisch legt. Möglicherweise stimmt das Geständnis des Jungen mit anderen Sachen überein.«
    Diese Themen wurden von mehreren Beamten variiert. Andere schwiegen, hörten aber gespannt zu. Nur wenige, unter anderem Falcone, sahen aus, als würde ihnen der Kopf rauchen.
    Als die Äußerungen allmählich versiegten, legte ihnen Gurney die nächste Frage vor. »Halten Sie es für möglich, dass sich auch ein abgeklärter Vernehmer manchmal von seinem Wunschdenken in die Irre leiten lässt?«
    Hier und da ein Nicken, ein bejahendes Brummen, ein schmerzlicher Ausdruck, der auf Unentschiedenheit oder vielleicht auch auf eine Magenverstimmung schließen ließ.
    Ein Typ am äußeren Rand der zweiten Reihe mit einem hydrantenartigen Hals, der genau wie seine dicht tätowierten Popeye-Unterarme aus einem schwarzen T-Shirt ragte, und mit kahlgeschorenem Kopf und winzigen Augen, die aussahen, als würden sie von den Wangenmuskeln zugequetscht, hob die Hand. Die Finger waren fast zu einer Faust gespannt. Die Stimme jedoch klang ruhig und bedächtig. »Fragen Sie danach, ob wir manchmal glauben, was wir glauben wollen?«
    »So kann man es sicher formulieren«, erwiderte Gurney. »Was meinen Sie?«
    Die verkniffenen Augen öffneten sich ein wenig. »Ich meine, das liegt … ja. Das liegt in der menschlichen Natur.« Er räusperte sich. »Ich kann nur für mich sprechen. Mir sind schon Fehler unterlaufen wegen … wegen diesem Faktor. Nicht weil ich unbedingt glauben will, dass die Leute so gut sind. Ich arbeite schon eine ganze Weile in dem Job und mach mir keine großen Illusionen über die Motive der Leute oder darüber, wozu sie fähig sind.« Er entblößte die Zähne, offenbar aus Widerwillen gegen ein aufsteigendes Bild. »Hab schon ziemlich hässliche Scheiße gesehen. Wie die meisten hier im Raum. Aber ich will auf was anderes raus: Manchmal hab ich eine Vorstellung von einer Sache und mach mir unter Umständen gar

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