Schließe deine Augen
bloß in der Nähe der Skards aufhalten, haben es verdammt schwer, am Leben zu bleiben. Die wenigen, die zu den Mediengeschichten über die Skards beigetragen haben, auch anonym, sind in kürzester Zeit verschwunden. Auf Scherereien kennen die Skards nur eine Antwort: Sie beseitigen sie komplett, ohne Skrupel und ohne Rücksicht auf Kollateralschäden. Ein schlagendes Beispiel: Laut meinem Gewährsmann von Interpol hatte Giotto Skard, der mutmaßliche Kopf der Familie, vor zehn Jahren eine geschäftliche Meinungsverschiedenheit mit einem israelischen Bauunternehmer. Nach einem Treffen in einem kleinen Nachtclub von Tel Aviv, bei dem sich Giotto scheinbar mit dem Isreali geeinigt hatte, hat er sich verabschiedet, von draußen alle Eingänge verriegelt und das Lokal niedergebrannt. Neben dem Bauunternemher sind zweiundfünfzig Leute ums Leben gekommen, die zufällig gleichzeitig dort waren.«
»Die Organisation wurde nie unterwandert?«
»Nie.«
»Warum nicht?«
»Sie haben keine Organisation im üblichen Sinn.«
»Was heißt das?«
»Die Skards sind die Skards. Alle miteinander verwandt. Da kommt man nur durch Geburt oder Heirat rein. Und ehrlich gesagt kann ich mir keine verdeckte Ermittlerin vorstellen, die sich so für ihre Arbeit aufopfert, dass sie in eine Meute von Massenmördern einheiratet.«
»Große Familie?«
Erneut räusperte sich Hardwick. »Erstaunlich klein. Von der ältesten Generation soll nur noch einer von drei Brüdern am Leben sein. Giotto Skard. Möglicherweise hat er die anderen zwei umgebracht. Aber das würde niemand laut aussprechen. Nicht einmal flüstern. Nicht einmal als Witz. Giotto hat – oder vielleicht auch hatte – drei Söhne. Niemand weiß, wie viele von ihnen noch leben, wie alt sie genau sind und wo sie sich aufhalten. Wie gesagt, trotz ihrer geringen Zahl sind die Skards international tätig, daher wird vermutet, dass die Söhne an verschiedenen Orten rund um die ganze Welt die Interessen der Familie wahrnehmen.«
»Moment mal. Familie hin oder her, sie müssen doch auch jemanden fürs Grobe haben.«
»Angeblich kümmern sie sich selbst um sämtliche Probleme. Angeblich sind sie schnell und effizient. Angeblich haben die Skards im Lauf der Jahre persönlich mindestens zweihundert Menschen aus dem Weg geräumt, die den Geschäftszielen der Familie im Weg standen – das Nachtclubmassaker nicht mitgerechnet.«
»Wirklich nette Leute. Bei drei Söhnen hatte Giotto wohl eine Frau?«
»Allerdings. Tirana Magdalena – die Einzige in diesem widerlichen Gesindel, über die tatsächlich was bekannt ist. Und vielleicht die einzige Person, die Giotto je ernste Scherereien gemacht und trotzdem überlebt hat.«
»Wie hat sie das angestellt?«
»Sie war die Tochter des Chefs einer albanischen Mafiafamilie. Ich sollte besser sagen, sie ist seine Tochter, denn sie lebt noch. Ist Mitte sechzig und sitzt in einer Anstalt für geisteskranke Straftäter. Der albanische Pate ist ungefähr neunzig. Nicht dass Giotto Angst vor einem Mafiapaten hätte. Wie es aussieht, hat Giotto seine Frau aus rein geschäftlichen Erwägungen am Leben gelassen. Er wollte nicht Geld und Zeit darauf verschwenden, rachedurstige Albaner zu töten.«
»Woher weißt du das alles, verdammt?«
»Ich weiß es ja gar nicht. Wie gesagt, das sind größtenteils Gerüchte von dem Typen bei Interpol. Vielleicht alles nur Quatsch. Aber für mich klingt es einleuchtend.«
»Warte mal. Vor einer Minute hast du noch behauptet, sie ist die Einzige, über die tatsächlich was bekannt ist. Mit Betonung auf ›bekannt‹.«
»Ah. Dazu bin ich noch nicht gekommen. Das hab ich mir für den Schluss aufgehoben.«
55
Tirana Magdalena Skard
»Tirana Magdalena war Adnan Zogs einzige Tochter.«
»Zog ist der Pate?«
»Zog ist der Pate, oder wie auch immer dieses hohe Amt in Albanien genannt wird. Jedenfalls, seine Tochter war absolut hinreißend.«
»Woher weißt du das?«
»Ihre Schönheit war legendär. Zumindest in der schäbigen Unterwelt Osteuropas. Und laut meinem Interpol-Kontakt. Außerdem existieren Fotos. Viele Fotos. Im Gegensatz zu den Skards hatten die Zogs und vor allem Tirana Magdalena kein Problem mit dem Ruhm. Sie war nicht nur hinreißend, sondern auch überzüchtet, verschroben, kunstbeflissen und besessen von der Idee, Tänzerin zu werden. Aber Papa Zog hat sich nicht darum geschert, was sie wollte. Er sah sie nur als einen möglichen Trumpf. Und als der ehrgeizige junge Giotto Skard bei Verhandlungen
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