Schließe deine Augen
Ballston aufzunehmen?«
»Noch nicht.«
»Warum nur habe ich das Gefühl, dass Ihnen bald was einfallen wird?«
»Ich weiß Ihr Vertrauen zu schätzen.«
»Ich muss jetzt Schluss machen. Tut mir leid, dass ich nicht mehr Zeit habe. Vergessen Sie nicht, Dave, je mehr Macht Sie scheinbar über ihn haben, desto eher wird er zusammenbrechen.«
»Danke, Becca. Sie haben mir wirklich geholfen.«
»Hoffentlich hat es nicht so geklungen, als wäre es ein Kinderspiel.«
»Keine Sorge. Wie ein Kinderspiel stelle ich mir das bestimmt nicht vor.«
»Gut. Halten Sie mich bitte auf dem Laufenden. Und viel Glück!«
Die mentale Überlastung, die dazu geführt hatte, dass er Rebecca Holdenfields Telefonnachricht vergessen hatte, bewirkte auf der Fahrt nach Hause, dass er wieder einmal einen spektakulären Sonnenuntergang nicht bemerkte. Als er die gewundene Straße zu seinem Grundstück hinauffuhr, zog sich nur noch verschwommenes Blassrosa über den westlichen Himmel, und auch das registrierte er kaum.
An der Stelle, wo der öffentliche Schotterweg in seine engere, grasbewachsene Auffahrt überging, stoppte er vor dem Briefkasten, der an einem Zaunpfosten befestigt war. Als er ihn gerade öffnen wollte, fiel sein Blick auf einen kleinen gelben Fleck am Hügel. Der Fleck bewegte sich langsam auf dem gebogenen Pfad über die hoch gelegene Wiese. Es war Madeleines gelbe Windjacke.
Das hohe Weidelgras verdeckte sie bis zur Hälfte, trotzdem konnte er sich den sanften Rhythmus ihrer Schritte gut vorstellen. Sitzend schaute er ihr nach, bis sie allmählich als einsame Gestalt hinter der Rundung des Feldes in einem Meer von Grün verschwand.
Er blieb noch eine Zeit lang stehen und blickte hinauf zum verlassenen Hügel, bis jede Farbe aus dem Himmel verschwunden war, verdrängt von einem Grau, das so monoton war wie ein Monitor, der das Fehlen des Herzschlags anzeigt. Blinzelnd wischte er sich über die feuchten Augen und fuhr dann das letzte Stück zum Haus.
Er beschloss, sich zu duschen, um vielleicht zu etwas mehr Normalität zurückzukehren. Während ihm der schwere Wasserstrahl Hals und Schultern massierte, ließ er sich in den Klang hineinziehen: das leise Brausen eines Sommerwolkenbruchs. Einen merkwürdigen Augenblick lang war sein Gehirn erfüllt von reinem, friedlichem Regenaroma. Er rieb sich mit Seife und einem rauen Schwamm ein, spülte alles herunter und trocknete sich ab.
Zu schläfrig zum Anziehen und noch ganz aufgewärmt zog er die Steppdecke vom Bett und legte sich auf das kühle Laken. Und dann bestand die Welt nur noch aus diesem kühlen Laken, Grasduft, der durch ein offenes Fenster hereinwehte, Sonnenlicht, das durch die grünen Blätter riesiger Bäume funkelte … bis er durch einen Traumschacht freier Assoziationen hinab in tiefen Schlaf sank.
Er erwachte im Dunkeln ohne jedes Zeitempfinden. Ein Kissen war ihm unter den Kopf geschoben und die Decke hoch bis zum Kinn gezogen worden. Er schaltete die Nachttischlampe ein und schaute auf den Wecker. Es war 19.49 Uhr. Er schlüpfte in die Kleider, die er schon vor der Dusche getragen hatte, und ging hinüber in die Küche. Auf der Stereoanlage lief leise Barockmusik. Madeleine saß mit einer Schüssel orangefarbener Suppe und einem halben Baguette an dem kleineren Tisch und las ein Buch.
Als er hereinkam, blickte sie auf. »Ich dachte, dass du dich vielleicht schon für die Nacht hingelegt hast.«
»Sieht nicht so aus.« Er räusperte sich, weil seine Stimme heiser war.
Sie wandte sich wieder dem Buch zu. »Wenn du was essen möchtest, im Topf ist Karottensuppe und im Wok ein chinesisches Gericht mit Huhn.«
Er gähnte. »Was liest du?«
»Die Naturgeschichte der Motten.«
»Der was?«
Sie artikulierte das Wort wie für einen Taubstummen. »Motten.« Dann blätterte sie um. »War was in der Post?«
»Post? Ich … ich weiß nicht. Ich glaube … ach so, ich wollte sie gerade holen, dann hab ich dich oben am Hügel gesehen, und das hat mich abgelenkt.«
»Du bist seit einiger Zeit so zerstreut.«
»Tatsächlich?« Er bedauerte seinen abwehrenden Tonfall sofort, aber nicht genug, um sich zu entschuldigen.
»Findest du nicht?«
Er seufzte nervös. »Wahrscheinlich hast du recht.« Er trat zum Herd und schöpfte sich Suppe in eine Schüssel.
»Möchtest du über irgendwas mit mir reden?«
Er schob die Antwort hinaus, bis er ihr mit der Suppe und der anderen Hälfte des Baguettes gegenübersaß. »In dem Fall hat sich was Wichtiges ergeben. Eine
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