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Schließe deine Augen

Schließe deine Augen

Titel: Schließe deine Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Verdon
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für ein Tag?«
    »Dienstag. Da bin ich schon voll. Wie wär’s mit Donnerstag? Vorher geht’s bei mir nicht.«
    »Zu weit weg. Können wir uns jetzt unterhalten?«
    »Bis fünf habe ich Zeit. Das heißt, wir haben ungefähr zehn Minuten. Welches Thema?«
    »Ich hab mehrere: die Auswirkungen, wenn man bei einer promiskuitiven Mutter aufwächst, die Mentalität von Frauen, die Kinder missbrauchen, die psychologischen Schwächen von männlichen Sexualmördern … und das Verhaltensspektrum erwachsener Männer unter dem Einfluss von Rohypnol mit Alkohol.«
    Nach kurzem Schweigen brach sie in Lachen aus. »Klar. Und in der Zeit, die uns dann noch bleibt, können wir gleich weiterdiskutieren über die Ursachen von Scheidungen, über Möglichkeiten zur Beseitigung von Kriegen und …«
    »Okay, okay, hab verstanden. Suchen Sie sich ein Thema aus, für das Ihrer Meinung nach die Zeit reicht.«
    »Haben Sie vor, Ihren nächsten Martini mit Rohypnol zu mixen?«
    »Wohl kaum.«
    »Also rein theoretisches Interesse?«
    »So was in der Richtung.«
    »Hm. Nun, ein normales Verhaltensspektrum bei Drogen gibt es nicht. Je nach der Chemikalie wird das Verhalten in eine bestimmte Richtung gelenkt. Kokain zum Beispiel führt häufig zu einer Steigerung des Sexualtriebs. Aber wenn Sie danach fragen, ob dem durch eine nicht halluzinogene, enthemmende Droge bedingten Handeln Grenzen gesetzt sind, ist die Antwort ja und nein. Es gibt keine Grenzen, die für alle gelten, lediglich individuelle Grenzen.«
    »Zum Beispiel?«
    »Das lässt sich vorher nicht abschätzen. Die Grenzen unseres Verhaltens hängen ab von der Genauigkeit unserer Wahrnehmungen, von der Stärke unserer instinktiven Wünsche und von der Intensität unserer Ängste. Wenn uns die Droge die Furcht vor den Folgen nimmt, dann wird unser Handeln unsere Wünsche widerspiegeln und nur im Schmerz, in der Erfüllung oder in der Erschöpfung ein Ende finden. Wir tun, was wir in einer Welt ohne Folgen tun würden, aber nichts, worauf wir keine Lust haben. Enthemmende Drogen lassen den bestehenden Impulsen freien Lauf, aber sie produzieren keine Impulse, die der psychischen Struktur des Betreffenden widersprechen. Beantwortet das Ihre Frage?«
    »Also unterm Strich: Wenn jemand so eine Droge nimmt, lebt er all seine Fantasien aus?«
    »Möglicherweise sogar mehr, wenn er sich vorher manche Fantasien aus Angst verboten hat.«
    »Verstehe.« Übelkeit kroch in ihm hoch. »Ich würde gern noch was völlig anderes zur Sprache bringen. Eine unserer Vermissten wurde tot aufgefunden – ein Sexualmord in Florida. Vergewaltigung, Folter, Enthauptung, die Leiche in der Gefriertruhe des Verdächtigen.«
    »Wie lang?« Wie immer blieb Holdenfield ungerührt von blutigen Einzelheiten oder ließ sich zumindest nichts anmerken.
    »Was meinen Sie?«
    »Wie lange war die Leiche in der Gefriertruhe?«
    »Nach dem gerichtsmedizinischen Befund vielleicht drei Tage. Warum fragen Sie?«
    »Wofür er sie aufgehoben hat. Es war doch ein Mann, oder?«
    »Jordan Ballston, ein Spezialist für Finanzderivate.«
    »Dieser Superreiche? Davon habe ich gelesen. Anklage wegen vorsätzlichem Mord. Das ist doch schon ein paar Monate her.«
    »Stimmt, aber die Identität des Opfers wurde zunächst nicht bekannt gegeben, und der Zusammenhang mit den vermissten Absolventinnen von Mapleshade wurde erst heute entdeckt.«
    »Sind Sie sicher, dass es diesen Zusammenhang gibt?«
    »Müsste ansonsten schon ein Riesenzufall sein.«
    »Können die Ermittler Ballston vernehmen?«
    »Anscheinend nicht. Hat sich hinter einer Dornenhecke von Anwälten verschanzt.«
    »Was kann ich dann für Sie tun?«
    »Angenommen, ich dringe zu ihm vor.«
    »Wie soll das gehen?«
    »Das weiß ich noch nicht. Nehmen wir es einfach mal an.«
    »Okay. Also angenommen. Was weiter?«
    »Was würde er am meisten fürchten?«
    »Umgeben von seinen stachligen Anwälten?« Mehrmals schnalzte sie mit der Zunge, als wollte sie sich damit zu raschem Denken anspornen. »Nicht viel … außer …«
    »Was?«
    »Außer er glaubt, jemand anders weiß von seiner Tat, jemand, dessen Absichten den seinen entgegenstehen. Dadurch würde eine Lücke in seinem Kontrollvermögen entstehen. Sadistische Sexualmörder sind absolute Kontrollfreaks, und das Einzige, was bei einem Kontrollfreak garantiert für ein Durchbrennen der Sicherungen sorgt, ist das Gefühl, dass er einem anderen ausgeliefert ist.« Sie hielt inne. »Sehen Sie eine Möglichkeit, Kontakt zu

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