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Schließe deine Augen

Schließe deine Augen

Titel: Schließe deine Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Verdon
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finden will, muss man in der Gefriertruhe suchen. Hat sich ziemlich amüsiert darüber, dass sich die Leute für besonders schlau halten, wenn sie das Zeug dort vergraben. Richtig gelacht hat er.«
    »Er hat also angefangen, die Leiche auszuwickeln, und …«
    »Genauer gesagt«, warf Becker ein, »hat er den Kopf ausgewickelt.«
    Mehreren kehligen Missfallenskundgebungen im Raum folgte längeres Schweigen.
    »Sind die Herren noch da?« Becker klang leicht belustigt.
    »Wir sind noch da«, brummte Rodriguez. Wieder herrschte Stille.
    »Haben Sie noch Fragen, oder sind Sie jetzt so weit im Bilde?«
    »Ich hab eine Frage«, bemerkte Gurney. »Wie haben Sie die Tote identifiziert?«
    »Ein Abgleich mit der DNA -Datenbank des FBIs über Sexualstraftäter hat einen Beinahetreffer ergeben.«
    »Ein naher Verwandter also?«
    »Genau. Melanies leiblicher Vater, ein Heroinsüchtiger namens Damian Clark, der vor ungefähr zehn Jahren wegen Vergewaltigung, schwerer sexueller Nötigung, sexuellem Missbrauch an einer Minderjährigen und mehreren anderen unappetitlichen Vergehen verurteilt worden ist. Daraufhin haben wir die Mutter aufgespürt, die sich von Clark hat scheiden lassen und einen Mann namens Roger Strum geheiratet hat. Sie ist hergekommen und hat die Tote identifiziert. Wir haben auch von ihr eine DNA -Probe genommen, und das hat wie beim Vater eine nahe Verwandtschaft bestätigt. An der Identität der Ermordeten gibt es also nicht den geringsten Zweifel. Sonst noch Fragen?«
    Gurney nutzte die Gelegenheit. »Haben Sie Zweifel an der Identität des Mörders?«
    »Kaum. Mr Ballston hat so was Gewisses.«
    »Die Strums scheinen ziemlich aufgebracht darüber, dass er auf freiem Fuß ist.«
    »Nicht so aufgebracht wie ich.«
    »Er konnte den Richter überzeugen, dass keine Fluchtgefahr besteht?«
    »Er hat eine Kaution von zehn Millionen Dollar gestellt und sich zu einer Art Hausarrest bereit erklärt. Er darf die Grenzen seines Anwesens hier in Palm Beach nicht verlassen.«
    »Sie hören sich nicht gerade zufrieden an.«
    »Zufrieden? Habe ich erwähnt, dass Melanie Strum laut gerichtsmedizinischem Bericht vor ihrer Enthauptung mindestens zwanzigmal vergewaltigt wurde, und dass praktisch jeder Zentimeter ihrer Haut mit einer Rasierklinge zerschnitten wurde? Soll ich zufrieden sein, wenn der Täter mit seiner Fünfhundertdollar-Sonnenbrille neben seinem Millionendollar-Swimmingpool sitzt, während die teuerste Anwaltskanzlei von Florida und die findigste PR -Firma von New York alles daransetzen, ihn als das unschuldige Opfer einer inkompetenten und korrupten Polizei hinzustellen?«
    »Es wäre also eine Untertreibung zu sagen, dass er nicht kooperiert?«
    »Ja, Sir. Allerdings! Das wäre eine Untertreibung. Mr Ballstons Anwälte haben in aller Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht, dass sich ihr Mandant gegenüber Vertretern der Ermittlungsbehörden mit keinem Wort zu den frei erfundenen Vorwürfen gegen ihn äußern wird.«
    »Hat er sich vor seinem Schweigegelübde zu irgendeiner Erklärung für die Tote in seiner Gefriertruhe herabgelassen?«
    »Nur dass in seinem Haus oft Arbeiten durchgeführt werden, dass er viele Hausangestellte hat und dass haufenweise Leute Zugang zu seinem Keller gehabt haben – von dem Einbrecher ganz zu schweigen.«
    Mit fragend erhobenen Händen blickte sich Kline im Raum um, aber niemand hatte etwas anzufügen. »Okay. Detective Becker, ich darf mich für Ihre Hilfe bedanken. Und für Ihre Freimütigkeit. Viel Glück mit Ihrem Fall.«
    Nach einer Pause drang noch einmal der leise Singsang aus den Lautsprechern. »Ich frage mich … ob Sie auf Ihrer Seite vielleicht was wissen, das für uns hier nützlich sein könnte.«
    Kline und Rodriguez sahen sich an. Gurney hörte förmlich die Räder rattern, als sie den möglichen Schaden und Nutzen eines offenen Wortes abwägten. Schließlich zuckte der Captain leise mit den Achseln, um dem Bezirksstaatsanwalt die Entscheidung zu überlassen.
    »Nun. Wir halten es für möglich, dass es sich um mehr als nur eine Vermisste handelt.« Kline ließ die Sache zweifelhafter erscheinen, als sie war.
    »Ach?« Schweigen trat ein. Becker brauchte wohl Zeit, um diese Nachricht zu verdauen, oder er überlegte, warum sie nicht schon früher erwähnt worden war. Als er wieder sprach, hatte seine Stimme jede Weichheit verloren. »Und wie viele genau wären das?«

54
Unerfreuliche Geschichten
    Auf der langen Heimfahrt kreisten Gurneys Gedanken wie besessen um die

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