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Schließe deine Augen

Schließe deine Augen

Titel: Schließe deine Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Verdon
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nicht einmal gelogen. Seine Stimme klang angestrengt. Er konnte den Blick nicht von der Anzeige direkt vor ihm abwenden. Die Frau saß zusammengesunken auf dem zerwühlten Bett – erschöpft und zugleich unersättlich, verlockend, bedrohlich, herausfordernd. Plötzlich streifte ihn die Erinnerung an sein erstes Jahr an der St. Genesius Highschool – ein Priester, der sich mit rollenden Augen über das Höllenfeuer ereiferte: » Ein ewig brennendes Feuer, das das schreiende Fleisch des Sünders frisst wie ein Raubtier, dessen Hunger mit jedem Bissen wächst.«
    Hardwick kehrte als Erster in den Konferenzraum zurück. Sein Blick strich über Gurney, Holdenfield und das Anzeigenbild, und er schien sofort die knisternde Spannung zu spüren. Als Nächste kam Wigg und nahm ihren Platz am Notebook ein, gefolgt von dem missmutigen Anderson und dem fahrigen Blatt. Dann trudelte Kline ein, das Handy am Ohr, zuletzt Rodriguez. Hardwick nahm gegenüber von Gurney Platz und musterte ihn neugierig.
    »Also gut.« Kline warf sich wieder in Häuptlingspose. »Zurück zur Sache. Was die Frage nach der wahren Identität von Hector Flores angeht, so war wohl ausgemacht, noch einmal Ashtons Nachbarn zu befragen, um sicherzugehen, dass uns bei den ersten Vernehmungen nichts entgangen ist. Wie steht’s damit, Rod?«
    Rodriguez schien einmal mehr knapp davor, das ganze Prozedere als reine Zeitverschwendung zu kritisieren. Doch er wandte sich an Anderson. »Irgendwas Neues in dieser Frage?«
    Anderson verschränkte die Arme vor der Brust. »Kein einziger brauchbarer Hinweis.«
    Der Bezirksstaatsanwalt warf Gurney einen herausfordernden Blick zu – schließlich war die nochmalige Befragung seine Idee gewesen.
    Gurney riss sich von seinem inneren Aufruhr los und sah Anderson an. »Ist es Ihnen gelungen, die eher spärlichen echten Augenzeugenaussagen von den reichlich vorhandenen Gerüchten zu trennen?«
    »Ja, das haben wir gemacht.«
    »Und?«
    »Es gibt da ein Problem mit den Augenzeugenangaben.«
    »Was für ein Problem?«, ging Kline in scharfem Ton dazwischen.
    »Die Augenzeugen sind fast alle tot.«
    Kline blinzelte. »Wie bitte?«
    »Die Augenzeugen sind fast alle tot.«
    »Das habe ich verstanden. Erklären Sie, was Sie damit meinen.«
    »Ich meine, wer hat tatsächlich mit Hector Flores geredet? Oder mit Leonardo Skard, wie er angeblich heißen soll. Wer hat ihm Auge in Auge gegenübergestanden? Jillian Perry, und die ist tot. Kiki Muller, auch tot. Die Frauen, die Savannah Liston im Gespräch mit ihm beobachtet hat, als er am Blumenbeet in Mapleshade gearbeitet hat – alle verschwunden und möglicherweise tot, wenn sie bei Kerlen wie Ballston gelandet sind.«
    Kline gab sich skeptisch. »Ich dachte, er wurde zusammen mit Ashton im Auto gesehen, oder im Ort.«
    »Die Leute haben lediglich jemanden mit Cowboyhut und Sonnenbrille bemerkt«, erwiderte Anderson. »Kein einziger Zeuge kann eine brauchbare Beschreibung abgeben. Die erzählen uns alle nur einen Haufen Scheiße, entschuldigen Sie die Ausdrucksweise, aber mehr ist es nicht. Anscheinend plappern die alle nur das nach, was sie von anderen gehört haben.«
    Kline nickte. »Das passt genau zum Bild der Skards.«
    Anderson schaute ihn fragend an.
    »Die Skards sind angeblich absolut rücksichtslos, wenn es um die Beseitigung von Augenzeugen geht. Anscheinend beißt jeder ins Gras, der einen von ihnen hinhängen könnte. Was meinen Sie dazu, Dave?«
    »Entschuldigung, was war die Frage?«
    Kline verzog das Gesicht. »Die schwindende Zahl von Leuten, die Flores identifizieren könnten – bestätigt das die Vermutung, dass er einer von den Skards ist?«
    »Ehrlich gesagt, Sheridan, weiß ich im Moment nicht so recht, was ich denken soll. Irgendwie frage ich mich, ob ich mit meiner bisherigen Einschätzung des Falls nicht völlig falschliege. Ich fürchte, dass ich was Wichtiges übersehen habe, das alles erklären würde. Ich habe im Lauf der Jahre verdammt viele Mordfälle bearbeitet, aber noch nie hatte ich so ein starkes Gefühl, dass da was nicht stimmt. Als wäre ein Elefant im Zimmer, durch den wir alle hindurchsehen.«
    Nachdenklich lehnte sich Kline zurück. »Das ist vielleicht nicht der Elefant im Zimmer, aber mich beschäftigt eine Frage wegen der vermissten Frauen. Der Streit um das Auto, die Volljährigkeit, dass sie ihren Eltern verboten haben, nach ihnen zu suchen – das verstehe ich alles. Aber finden Sie es nicht seltsam, dass niemand von den Eltern die

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