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Schließe deine Augen

Schließe deine Augen

Titel: Schließe deine Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Verdon
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er sieben Stunden später erwachte, fegte ein böiger Wind Wellen von grauem Regen an die Schlafzimmerfenster. Das Fenster bei seinem Bett war gekippt – das einzige im Haus, das er nicht verriegelt hatte. Durch den fünfzehn Zentimeter breiten Spalt drang zwar kein Regen herein, aber wegen der nasskalten Zugluft fühlte sich das Bettzeug klamm an.
    Die trostlose Atmosphäre, das Fehlen von Licht und Farbe in der Welt, brachten ihn auf die Idee, einfach im Bett zu bleiben, doch er wusste, dass er damit einen emotionalen Fehler begehen würde. Also raffte er sich auf und tappte mit kalten Füßen ins Bad. Er stellte die Dusche an.
    Gott sei Dank, dachte er wieder einmal, gibt es das Wasser mit seiner speziellen Magie.
    Reinigend, stärkend, erleichternd. Als ihm der kribbelnde, heiße Strahl den Rücken massierte, entspannten sich seine Nacken- und Schultermuskeln. Seine verworrenen, fiebrigen Gedanken lösten sich im besänftigenden Rauschen des Wassers auf. Wie das Zischen der Brandung auf dem Sand – wie ein freundliches Opiat – wirkte das Prasseln auf der Haut, und auf einmal war das Leben wieder einfach und gut.

70
Direkt vor der Nase
    Nach einem bescheidenen Frühstück mit zwei Eiern und zwei Scheiben Toast beschloss Gurney, sich erneut mit den Fakten des Falls zu beschäftigen, auch wenn es noch so ermüdend war.
    Er breitete die Unterlagen auf dem Esstisch aus und griff aus purem Trotz nach dem Dokument, auf das er sich bei der ersten Durchsicht am schlechtesten hatte konzentrieren können. Es war eine siebenundfünfzigseitige Liste der vielen hundert Websites und Suchbegriffe, die Jillian in ihrem letzten halben Lebensjahr bei ihren Internetstreifzügen am Handy oder Notebook besucht und benutzt hatte – überwiegend im Zusammenhang mit schicken Reisezielen, superteuren Hotels, Autos und Schmucksachen.
    Niemand beim BCI hatte nach der Beschaffung dieser Daten eine Analyse durchgeführt. Vermutlich war auch dieser Teil der Untersuchung beim Staffelwechsel zwischen Hardwick und Blatt verschüttgegangen. Das einzige Anzeichen dafür, dass jemand anders als er einen Blick hineingeworfen hatte, war ein handschriftlicher Vermerk auf einem Haftnotizzettel auf der ersten Seite: »Reine Zeitverschwendung.«
    Gurneys Verdacht, dass der Vermerk von Rodriguez stammte, bestärkte ihn in der Aufmerksamkeit, die er jeder Zeile der siebenundfünzig Seiten schenkte. Und ohne diese zusätzliche Motivation hätte vielleicht auch er ein kleines Wort mit fünf Buchstaben auf Seite siebenunddreißig übersehen.
    Skard.
    Auf der nächsten Seite erschien es wieder, und einige Seiten später noch einmal, zusammen mit ›Sardinien‹ als kombinierte Suche.
    Dieser Fund trieb Gurney durch den Rest des Dokuments und dann von Neuem durch alle siebenundfünfzig Seiten. Bei diesem zweiten Durchgang machte er seine zweite Entdeckung.
    Die zwischen den Suchbegriffen verstreuten Automodelle, die sich in seinem Kopf zunächst mit den Namen exklusiver Ferienorte, Boutiquen und Schmuckgeschäfte zu einem allgemeinen Bild von Luxus verbunden hatten, ergaben auf einmal ein eigenes Muster.
    Er erkannte, dass es genau die Marken waren, um die sich die Streitigkeiten der vermissten Frauen mit ihren Eltern gedreht hatten.
    Konnte das ein Zufall sein?
    Welche Absichten hatte Jillian verfolgt?
    Was wollte sie über diese Autos herausfinden? Und warum?
    Wichtiger noch, was wollte sie über die Familie Skard in Erfahrung bringen?
    Woher wusste sie überhaupt, dass die Skards existierten?
    Und welche Beziehung hatte sie zu dem Mann, den sie als Hector Flores kannte?
    Geschäfte? Vergnügen? Oder etwas weit Schlimmeres?
    Ein genauerer Blick auf die URL -Adressen der Autos zeigte, dass es sich um firmeneigene Werbewebsites mit Informationen über Modelle, Ausstattung und Preise handelte.
    Der Suchbegriff ›Skard‹ führte zu einer Seite mit Informationen über eine Kleinstadt in Norwegen und zu mehreren anderen Seiten, die genauso wenig mit der kriminellen Familie aus Sardinien zu tun hatten. Das bedeutete, dass Jillian auf andere Weise von der Existenz der Familie oder zumindest des Namens erfahren hatte und dass sie über das Internet versucht hatte, mehr herauszufinden.
    Gurney setzte sich wieder an die Liste und notierte die Daten der Suchsitzungen. Die Autoseiten hatte sie mehrere Monate vor den Nachforschungen nach ›Skard‹ besucht. Die Suche nach den Wagen reichte sogar bis an den Anfang des dokumentierten halben Jahres zurück. Gut

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