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Schließe deine Augen

Schließe deine Augen

Titel: Schließe deine Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Verdon
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Geschehen auf dem Monitor zu verfolgen.
    »Hast du gesehen, ob er sie gerufen hat?«, fragte Gurney.
    »Eine kleine Geste vielleicht. Ein angedeuteter Wink. Warum?«
    »Bloß neugierig.«
    Auf dem superscharfen Bildschirm waren Ashton und die große Blondine klar zu erkennen, bis hin zu ihren Lippenbewegungen, doch ihre Stimmen blieben undeutlich – Worte und Sätze gingen unter in der Unterhaltung einer Gruppe von Schülerinnen, die in der Nähe saß.
    Gurney lehnte sich vor zum Monitor. »Hast du eine Ahnung, was sie reden?«
    Hardwick konzentrierte sich auf die Gesichter, den Kopf geneigt, wie um seinem Gehör auf die Sprünge zu helfen.
    Das Mädchen sagte etwas und lächelte, Ashton sagte etwas und deutete. Dann schritt er zielstrebig durch den Mittelgang und trat auf eine erhobene Stelle, wahrscheinlich der ehemalige Altarbereich. Dort kehrte er der Kamera den Rücken zu, um sich der Versammlung von Schülerinnen zuzuwenden. Das allgemeine Gemurmel erstarb, und bald herrschte Schweigen.
    Gurney schaute Hardwick fragend an. »Hast du was verstanden?«
    Er schüttelte den Kopf. »Kein Wort. Er kann alles Mögliche zu ihr gesagt haben. Die Geräuschkulisse war einfach zu laut. Vielleicht könnte ein Lippenleser was erkennen. Ich nicht.«
    Auf dem Bildschirm sprach Ashton mit natürlicher Autorität, seine Baritonstimme klang seidig weich und beherrscht und – in dem hallenden gotischen Kirchenschiff – tiefer als üblich.
    »Meine Damen.« Er verlieh dem Wort eine fast ehrfürchtige Sanftheit. »Schreckliche Dinge sind geschehen, furchtbare Dinge, und alle sind bestürzt. Wütend, ängstlich, verwirrt und bestürzt. Einige von Ihnen können nicht mehr richtig schlafen. Machen sich Sorgen. Haben schlechte Träume. Und das Schlimmste ist vielleicht, dass wir einfach nicht wissen, was eigentlich los ist. Wir wollen wissen, womit wir es zu tun haben, und niemand sagt es uns.« Ashton strahlte die Aufgewühltheit aus, von der er redete. Er war zum Spiegel der Emotionen im Raum geworden, doch gleichzeitig gelang es ihm, vielleicht durch die fast celloartige Klangfarbe seiner volltönenden Stimme, etwas zutiefst Beruhigendes zu vermitteln.
    »Mann, der hat’s drauf.« Hardwick hörte sich an wie ein Nachwuchsgauner, der die Fingerfertigkeit eines überlegenen Taschendiebes bewundert.
    »Ein absoluter Profi«, stimmte Gurney zu.
    »Nicht so gut wie du, Kumpel.«
    Gurney verzog das Gesicht zu einem Fragezeichen.
    »Ich wette, der könnte noch was lernen von deinen Auftritten in der Polizeiakademie.«
    »Was weißt du denn von …?«
    Hardwick zeigte auf den Monitor. »Schsch. Lieber nichts verpassen.«
    Ashtons Worte spülten wie klares Wasser über glatte Felsen. »Einige von Ihnen haben nach dem Stand der Ermittlungen gefragt. Wie viel weiß die Polizei, was tut sie, wann wird sie den Schuldigen endlich fassen? Logische Fragen, Fragen, die uns alle bewegen. Bestimmt würde es uns helfen, wenn wir mehr erfahren, wenn wir Gelegenheit haben, unsere Sorgen mitzuteilen, und Antworten auf unsere Fragen bekommen. Deswegen habe ich die für den Fall zuständigen Ermittler gebeten, morgen Vormittag hier in Mapleshade zu erscheinen – um mit uns zu reden, um uns zu erklären, was geschieht und was als Nächstes zu erwarten ist. Sie werden ihre Fragen stellen, und wir werden unsere Fragen stellen. Ich bin sicher, dass es für uns alle ein sehr nützliches Gespräch wird.«
    Hardwick grinste. »Wie findest du das?«
    »Ich finde, er ist …«
    »… aalglatt?«
    Gurney zuckte die Achseln. »Auf jeden Fall versteht er was davon, die Wahrnehmung von Menschen zu lenken.«
    Wieder wies Hardwick auf den Bildschirm.
    Ashton nahm ein Handy vom Gürtel. Stirnrunzelnd drückte er auf einen Knopf und hielt es sich ans Ohr. Er sagte etwas, doch seine Worte verloren sich im allgemeinen Trubel, weil das Geplapper der Schülerinnen wieder angefangen hatte.
    »Kannst du was ausmachen?«
    Hardwick beobachtete Ashtons Lippen und schüttelte schließlich den Kopf. »Genau wie vorhin bei der Unterhaltung mit der Blonden. Nicht eine Silbe.«
    Nach dem Ende des Gesprächs steckte Ashton das Telefon weg. Weit hinten hob eine Schülerin die Hand. Als Ashton sie nicht sah oder beachtete, erhob sie sich und winkte.
    Jetzt nahm er sie wahr. »Ja? Meine Damen … Ich glaube, da will jemand etwas fragen oder anmerken?«
    Die Schülerin – es war die mandeläugige Blondine, die Hardwick gerade erwähnt hatte – brachte ihr Anliegen vor. »Ich habe ein

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