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Schließe deine Augen

Schließe deine Augen

Titel: Schließe deine Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Verdon
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wie die anderen Theorien zu dem Fall.«
    »Dieser Typ ist also ein Weltklasse-Krimineller, oder das Opfer von einem.« Hardwick warf einen Blick auf den Monitor. »Für einen Mann, dessen ganze Welt gerade zusammengebrochen ist, wirkt er ziemlich gelassen. Wo sind auf einmal die ganze Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit geblieben?«
    »Haben sich anscheinend in Luft aufgelöst.«
    »Da komme ich nicht mehr mit.«
    »Unverwüstlichkeit? Gute Miene zum bösen Spiel?«
    Hardwicks Verblüffung wuchs. »Warum wollte er dann, dass wir ihm zuschauen?«
    Gebieterisch wie ein Guru im Kreis seiner Anhänger schritt Ashton durch die Kapelle. Siegessicher. Selbstbewusst. Unerschütterlich. Von Minute zu Minute freudiger und zufriedener. Ein Mann voller Macht und Einfluss. Ein Kardinal der Renaissance. Ein amerikanischer Präsident. Ein Rockstar.
    »Anscheinend ist Scott Ashton ein Juwel mit vielen Facetten.« Fasziniert beobachtete Gurney den Psychiater.
    »Oder ein gemeiner Mörder«, entgegnete Hardwick.
    »Da müssen wir uns wohl entscheiden.«
    »Wie soll das gehen?«
    »Wir reduzieren die Gleichung auf die wesentlichen Variablen.«
    »Und die wären?«
    »Angenommen, Ashton hat Jillian tatsächlich umgebracht.«
    »Und Hector war nicht beteiligt?«
    »Genau. Was würde daraus folgen?«
    »Dass Ashton ein sehr guter Lügner ist.«
    »Der vielleicht einen Haufen andere Lügen erzählt hat, ohne dass wir es gemerkt haben.«
    »Lügen über Hector Flores?«
    »Richtig.« Gurney zögerte. »Über … Hector … Flores.«
    »Was ist?«
    »Lass mich kurz überlegen.«
    »Ja?«
    »Kann es … kann es sein …?«
    »Mach’s nicht so spannend.«
    »Einen Moment noch. Ich muss bloß …« Gurney versank im Wirbel seiner fieberhaften Gedanken.
    »Also?«
    »Ich reduziere nur die Gleichung. Auf die einfachsten … möglichen …«
    »Verdammt, jetzt brich doch nicht ständig ab. Spuck’s schon aus!«
    O Gott, konnte es so einfach sein?
    Ja, vielleicht war es tatsächlich so unglaublich, so absurd einfach!
    Warum war ihm das nicht schon vorher aufgefallen?
    Er lachte.
    »Gottverdammte Kacke, Gurney …«
    Es war ihm nicht aufgefallen, weil er nach einem fehlenden Puzzleteil gesucht hatte. Und das hatte er nicht finden können. Natürlich nicht. Denn dieses fehlende Puzzleteil existierte nicht. Es gab kein fehlendes Teil, nur ein überzähliges Teil. Das Teil, das alle anderen Überlegungen blockierte. Das Teil, das einer Lösung des Rätsels von Anfang an im Weg gestanden hatte. Das Teil, das eigens erfunden worden war, um die Entdeckung der Wahrheit zu verhindern.
    Hardwick funkelte ihn böse an.
    Mit einem irren Grinsen wandte sich Gurney ihm zu. »Weißt du, warum niemand nach dem Mord Hector Flores finden konnte?«
    »Weil er tot war?«
    »Glaube ich nicht. Es gibt drei mögliche Erklärungen. Erstens, er ist aus der Gegend verschwunden wie allgemein vermutet. Zweitens, er wurde von dem wahren Mörder Jillians getötet. Oder drittens, er hat sowieso nie gelebt.«
    »Was soll das schon wieder heißen?«
    »Es ist denkbar, dass Hector Flores nie existiert hat, dass es den Menschen Hector Flores nie gegeben hat, dass Hector Flores nur ein Mythos war, den Scott Ashton erfunden hat.«
    »Aber die vielen Geschichten …«
    »Sie könnten alle von Ashton stammen.«
    »Was?!?«
    »Warum nicht? Gerüchte werden in Umlauf gesetzt, sie verbreiten sich, sie gewinnen ein Eigenleben – darauf hast du doch selbst schon oft hingewiesen. Warum sollen diese Geschichten nicht alle aus derselben Quelle stammen?«
    »Aber die Leute haben Flores doch in Ashtons Wagen gesehen.«
    »Sie haben einen mexikanischen Tagelöhner mit Strohcowboyhut und Sonnenbrille gesehen. Das können ganz verschiedene Leute gewesen sein, die Ashton für einen Tag eingestellt hatte.«
    »Trotzdem versteh ich nicht …«
    »Warum denn nicht? Ashton kann alle Geschichten selbst ausgetüftelt und in Umlauf gesetzt haben. Idealer Stoff für Tratsch. Der besondere neue Gärtner. Der erstaunlich fleißige Mexikaner. Der Arbeiter, der unglaublich schnell lernt. Der Mann mit dem ungeheuren Potenzial. Aschenbrödel. Der Schützling. Der zuverlässige persönliche Assistent. Das Genie, das erste Launen zeigt. Der Mann, der auf einem Bein im Gartenpavillon steht. So viele Geschichten, so interessant, so farbenprächtig, so schockierend, so köstlich, so gut geeignet zum Weitererzählen. Idealer Stoff für Tratsch. Verdammt, kapierst du denn nicht? Er hat seine Nachbarn mit einer

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