Schlimmer geht immer
Ich schnupperte noch mal. Vor ein oder zwei Jahren hatte ich mal ein Stück Fleischwurst hinten im Kühlschrank gefunden. Es war hinter die untere Schublade gerutscht. Keine Ahnung, wie alt es damals schon gewesen war, aber es hat ziemlich genauso gerochen wie es jetzt in Abigails Zimmer roch.
Das ergab keinen Sinn. Ich sah das perfekt aufgehängte Einsteinposter an der Wand an, und die staubfreien Bücherreihenin ihren Regalen. Abigail war viel zu ordentlich, um ein Sandwich unter dem Bett zu vergessen oder einen Hotdog in einer Schreibtischschublade aufzubewahren. Mookie hatte mal ein Stück Hotdog unter meinem Bett gefunden, aber ich habe ja auch nie behauptet, furchtbar ordentlich zu sein.
»Irgendetwas ist hier drin, das schlecht riecht.« Ich griff nach einem Kuscheltier von ihrem Bücherregal. Ihr Onkel hatte es ihr von der Insel Bezimo geschickt. Es war eine Art Affentier mit Fangzähnen und Klauen. Vermutlich würde jedes Kind davon Albträume bekommen, aber ich wette, Abigail war völlig fasziniert von dem Tier.
Ich schnupperte. »Pfui. Das ist es.«
»Niemals«, sagte Abigail. »Fangzähnchen stinkt nicht.« Sie riss ihn mir aus den Händen und roch an ihm, dann kräuselte sie die Nase. »Oh, iiiih.« Sie warf das Kuscheltier nach draußen in den Flur und schloss die Tür.
Mookie schnupperte. »Ich riech es immer noch.«
»Wie das?«, fragte ich.
Abigail roch an der Stelle auf dem Bücherregal, wo der Affe gesessen hatte. »Das ist okay. Kein Gestank.« Sie starrte mich an. »Moment mal …«
»Was?«
»Das wird dir nicht gefallen«, sagte sie. Ihr Blick gefiel mir definitiv nicht. Er erinnerte mich daran, wie Eltern gucken, bevor sie einem eine schlechte Nachricht überbringen.
9
DA IST WAS FAUL
»Gib mal deine Hand«, sagte Abigail.
Ich reichte sie ihr. Sie schnupperte daran und taumelte dann zurück. »Ach du Scheiße! Deshalb hat Fangzähnchen so gerochen.« Sie schnipste mit den Fingern, dann zeigte sie auf mich. »Und deshalb hat Adams Burger so gestunken. Natürlich! Das ergibt Sinn. Keins von beidem hat wirklich gestunken – es sind deine Hände!«
»Niemals.« Ich roch an meinen Fingern. Oh nein. Sie hatte recht. Meine Hände stanken wie totes Fleisch. Ich roch an meinem Arm. Der war okay. »Es stinkt aber nicht alles an mir«, sagte ich. »Ob es wohl nur meine Hände sind?« Ich sah Mookie an.
»Vergiss es!«, protestierte er. »Ich werd bestimmt nicht an dir rumriechen.«
»Überprüf mal deine Füße«, sagte Abigail.
Ich starrte runter auf meine Füße. Vermutlich würde ich es schaffen, meine Füße bis an die Nase zu kriegen, aber mir gefiel die Vorstellung nicht, mein Bein so zu verdrehen. Ich hatte Angst, es könnte abreißen.
»Ach, zieh einfach den Schuh aus«, meinte Abigail. »Ich mach das.«
Ich zog meinen Schuh aus.
Abigail lehnte sich rüber.
»Das ist ja ekelhaft«, bemerkte Mookie.
»Das ist Wissenschaft«, erklärte Abigail. »Wir tun, was wir tun müssen, um etwas herauszufinden. Madame Curie hat viel mehr gelitten, als ich je leiden werde. Aber selbst sie würde nie einen Hamburger essen, auf den jemand geniest hat. Also pass auf, was du als ekelhaft bezeichnest.« Sie roch an meinem Fuß. Dann kam sie wieder hoch und roch wieder an meinen Händen. Schließlich roch sie oben an meinem Kopf.
»Und?«, fragte ich.
»Die Extremitäten«, stellte sie fest.
Ich wartete.
»Hände und Füße«, erklärte sie. »Besser gesagt, Finger und Zehen. Die entfernteren Körperteile fangen an zu faulen.«
»Faulen!« Ich starrte meine Hände an. Am liebsten hätte ich sie von meinen Armen abgeschüttelt. Das Dumme war nur, dass ich es vermutlich geschafft hätte, wenn ich nur hart genug geschüttelt hätte. »Ich faule?«
»Na ja, du bist eben ein Zombie«, sagte Mookie unbekümmert. »Es ist also nicht wirklich überraschend.«
»Aber …« Diese Information war echt zu heftig, als dass mein Gehirn sie komplett hätte aufnehmen können. Ich dachte an das Cover von Mookies Comic-Heft, auf dem lauter verfaulte Zombies waren. Ihre Knochen brachen durch grünes Fleisch. Die Haut hing in Fetzen von ihren Gesichtern und legte Kiefer und Wangenknochen frei. Das konnte doch bei mir nicht sein. Das wäre schrecklich. Ich konnte schon die Schreie hören, die die anderen Kinder von sich geben würden, wenn sie mich sahen. Ich würde ein richtiges Monster sein.
»Nimm’s dir nicht so zu Herzen«, versuchte Abigail, mich zu trösten. »Es ist ja offensichtlich ein
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