Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schloss der Engel: Roman (German Edition)

Schloss der Engel: Roman (German Edition)

Titel: Schloss der Engel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Itterheim , Jessica Itterheim
Vom Netzwerk:
Haare. Ihre gierigen Gesichtszüge veränderten sich. Unglaube spiegelte sich in ihren Augen. Und Angst.
    Ich zögerte nicht länger und hastete über den schmalenStamm zurück. Kurz bevor ich mein Ziel erreichte, hörte ich meinen Namen. Es war nicht ihre Stimme. Sie war warm, weich – und männlich!
    Mein Herz hörte für einen endlos langen Augenblick auf zu schlagen. Ich blieb stehen und drehte mich um. Die Gestalt war verschwunden. Aufgelöst im Nebel, der das Steingrab umgab.
    Ich schloss die Augen, um den Anblick des düsteren Grabes auszublenden, und sog die Luft in mich ein. Da musste etwas sein, ich fühlte es – wusste es: ein Duft, den ich kannte, eine vertraute Nähe, die ich vermisst hatte.
    Doch da war nichts. Gar nichts! Weder der Hauch eines Dufts noch sonst irgendetwas. Ich kämpfte die Tränen zurück, die sich in meine Augen gestohlen hatten – ich träumte wirklich zu viel.
    »Lynn!«
    Ich schrak zusammen und verlor das Gleichgewicht. An der Stelle, an der eben noch die schattenhafte Gestalt gestanden hatte, starrten mir zwei ebenso schwarze Augen aus dem Nebel entgegen: Raffael.
    Das morastige Wasserloch verschluckte mich mit Haut und Haar. Zum Glück war es nicht tief.
    »Lynn. Es tut mir leid. Ich wollte dich nicht erschrecken.«
    Keine Sekunde später stand Raffael neben mir, mit bis zu den Oberschenkeln durchweichter Hose – wie ich beinahe zufrieden feststellte.
    »Gib mir deine Hand, ich zieh dich raus.«
    Vorsichtig, damit ich auf meinen wackligen Beinen nicht noch mal im Schlamm untertauchte, hielt Raffael meine Arme fest. Ebenso vorsichtig ließ er mich los, nachdem er sicher war, dass ich allein stehen konnte, und begann, mir den Schlamm aus dem Gesicht zu wischen.
    Ich zuckte nicht zurück. Nach der Auferstehung meiner Albträume war ich dankbar über jede menschliche Zuwendung.
    »Mach die Augen zu, damit dir der Matsch nicht reintropft«,befahl Raffael, während er mir die Brühe aus dem Gesicht strich.
    Ich befolgte seinen Rat und spürte, wie seine Hände über meine Haare streiften, um den restlichen Schlamm zu beseitigen. Seine Bewegungen wurden sanfter, als er seine Finger wieder über meine Wangen gleiten ließ.
    »Ach, sieh einer an!« Hannah!
    Ich riss die Augen auf. Raffaels Gesicht war nur ein paar Zentimeter von meinem entfernt. Es musste so aussehen, als ob er mich küssen wollte. Wollte er das???
    Ich wich so schnell zurück, wie der Morast unter meinen Füßen das zuließ, doch es war zu spät. Hannah hatte eine Entscheidung getroffen. In ihren vor Wut funkelnden Augen stand es geschrieben: Sie würde mir das Leben auf dem Internat zur Hölle machen.
    Ich war froh über die Jacke, die Raffael mir beim Rückweg zur Schule gegeben hatte, auch wenn sie nur einen Teil meiner Kleidung verdeckte. Schlammbefleckt ragten meine Beine unter ihr hervor. Dennoch hoffte ich, unbemerkt ins Gelbe Haus zu kommen, nachdem er im Jungstrakt verschwunden war. Es reichte, dass Raffael und Hannah mich in den peinlichsten Momenten gesehen hatten.
    Natürlich stolperte ich geradewegs über Max und Florian. Wie zwei ungleiche Statuen – Max klein und kompakt, Florian groß und durchtrainiert – standen sie am Eingang und warteten.
    »Meine Güte, wie siehst du denn aus? Bist du unter die Schlammcatcher geraten?«, wollte Florian wissen. Er konnte sich das Lachen kaum verkneifen.
    »He, warum hast du nichts gesagt? Wer war deine Gegnerin? Hannah?«, schlug auch Max in dieselbe Kerbe.
    »Ach verschwindet«, herrschte ich sie an. »Geh mir aus dem Weg, Max!« Ich streckte meine matschige Hand nach ihm aus, um ihn beiseitezuschieben, doch er wich freiwillig zurück.
    »Rühr mich bloß nicht an mit deinen ekligen Fingern!«
    Ich ließ ihn stehen und drängte mich an ihm vorbei.
    Florian stellte sich mir in die Quere. »Lynn, was ist passiert?« Jeglicher Spott war aus seiner Stimme gewichen.
    »Nichts. Ich bin ausgerutscht und in ein Schlammloch gefallen.«
    »Und die Jacke blieb wie durch ein Wunder verschont?«
    Ich biss mir auf die Lippen. »Es ist nicht meine. Und jetzt lass mich durch, ich möchte duschen.« Sie würden früh genug erfahren, wie nahe ich Raffael gekommen war.
    In diesem Augenblick stürmten Marisa und Juliane die Treppe herunter.
    »Was ist denn mit dir passiert? Bist du in dein Sedimentloch gefallen?«, fragte Juliane und musterte mich voller Ekel.
    »Nein, natürlich nicht, aber ... Ach, lass mich durch! Ich werde euch später alles erklären!« Bis dahin war mir

Weitere Kostenlose Bücher