Schloss der Engel: Roman (German Edition)
klingelte.
»Hallo Lynn, ich bin’s«, meldete sich Emilia. »Ich ... ich kann heute nicht bei dir übernachten. Ich muss meinen Eltern in der Trattoria helfen.« Sie klang wenig begeistert.
»Dann komm vorbei, wenn sie dich nicht mehr brauchen. Ich bleib wach, bis du da bist.«
»Nein, das geht nicht. Unsere Küchenhilfe ist krank, und ich muss auch noch morgen früh in der Küche aushelfen.«
»Soll das heißen, dass du nicht zu unserer Ostersuche kommst?«
»Sieht ganz so aus«, jammerte sie.
»Und wenn ich dir helfe? Kannst du dann wenigstens morgenfrei machen?« Ohne Emilia wäre die Suche nur der halbe Spaß.
»Das ist lieb von dir, aber ...«
»Kein aber ! In zehn Minuten bin ich bei euch.«
Emilia seufzte dankbar. »Wenn es dir nichts ausmacht, in der Küche Gemüse zu schnippeln und Salat zu putzen ...«
Eine viertel Stunde später stand ich in der kleinen Küche und befolgte die Anweisungen von Emilias Mutter. Für den nächsten Tag hatten sich drei große Familien angemeldet, so dass ausreichend Arbeit anstand.
Ich hatte immer noch nicht alle Teigtäschchen gefüllt, die nach dem Gemüse und dem Salat auf mich warteten, als sich Emilia zu mir gesellte. Sie hatte den ganzen Abend im Gastraum bedient.
»Ich übernehme den Rest. Du solltest nach Hause gehen. Es ist nach zwölf und deine Eltern warten bestimmt schon auf dich.«
»Was? So spät schon?« Ich warf einen Blick auf die noch zu füllenden Tortellini. »Und du willst die alle allein füllen? Dafür brauchst du mindestens zwei Stunden.«
Emilia lachte. »Wenn ich mit deiner Geschwindigkeit arbeite, schon. Aber du hast recht, es sind noch ganz schön viele«, seufzte sie.
»Dann bleib ich hier und helf dir.«
»Das ... Nein. Ich glaub nicht, dass deine Eltern begeistert wären, wenn du bei uns so lange in der Küche stehst.«
»Das müssen sie ja nicht wissen. Ich ruf sie an und sag ihnen, dass ich bei dir übernachte – wenn das geht.«
»Klar, du hast doch schon oft bei mir geschlafen.« Emilia warf mir einen warmen Blick zu. »Danke«, nuschelte sie. »Ich bin froh, dass du bleibst.«
Eine halbe Stunde später brachte ich das letzte Teigstück in seine obligatorische Form, die angeblich einem weiblichen Bauchnabel gleichen sollte.
»Lass uns in mein Zimmer gehen. Ich bin hundemüde. Das Bedienen war anstrengend.«
»Und was ist mit Aufräumen?«, entgegnete ich.
»Das macht meine Mutter. Dafür, dass du auf dem Boden schlafen musst, hast du schon mehr als genug geschuftet.«
Mit einem energischen Griff zog mich Emilia aus der Küche. In kürzester Zeit hatte sie für mich ein bequemes Lager zurechtgemacht und war in ihr Nachthemd geschlüpft.
»Stopp, ich geb dir was von meinen Sachen. Darin kannst du dich unmöglich hinlegen, es sei denn, du willst, dass Cane dich zum Nachtisch vernascht.«
Ein unangenehmes Schlabbergefühl kroch von meinen Beinen hoch bis über mein Gesicht, als ich an mir herunterschaute. Nudelteig, Fleischfüllung und andere Lebensmittelreste zierten mein T-Shirt. Cane würde sich freuen. Er war Emilias Findelkind . Ein grauer, zotteliger Straßenköter mit heftigem Mundgeruch, den sie heimlich mit Küchenresten fütterte.
»Wie du meinst.« Ich zuckte mit den Schultern und nahm Emilias Nachthemd gleichmütig entgegen. Canes speicheltriefendes Maul blieb mir damit hoffentlich erspart.
Natürlich lieh sie mir auch am nächsten Morgen etwas aus ihrem Schrank – zum Glück hatten wir dieselbe Größe. Allerdings bestand sie auf ihrem neuesten Kleid.
»Du kannst es heute Nachmittag bei der Prozession tragen – wenn du möchtest. Deine Eltern haben sicher kein Problem mit der Länge.«
Ich wollte widersprechen, aber ich hätte sie damit nur gekränkt. Es war ihre Art, sich so bei mir für meine Hilfe zu bedanken.
»Wow!« Nicht nur meine Eltern kommentierten mein Outfit.
»Du solltest öfter ein Kleid tragen. So kommen deine Beine besser zur Geltung. Meinst du nicht auch, Philippe?«, fragteAntonio, als er zu meiner Ostersuche mit seinem Bruder unser Haus betrat.
Philippe blickte schnell zur Seite und bestätigte Antonios Frage mit einem verschluckten »Mhm«. Er hatte tatsächlich auf meine Schenkel gestarrt!
Bevor ich rot anlief, drängte ich beide in den Garten, wo Emilia und Stefano auf uns warteten. Wie immer entwickelte sich die Suche zu einem Wettstreit, wer die meisten Geschenke finden würde. Da ich mir dieses Mal besondere Mühe gegeben hatte, erwachte bei den Jungs ihr angeborener
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