Schloss der Engel: Roman (German Edition)
viel zu viele Emotionen. »Bitte, lass mich durch.«
Christopher stand wieder zwischen mir und dem Ausgang, doch anstatt mich vorbeizulassen, kam er näher auf mich zu und umfasste meine Arme.
»Versprich mir, nicht noch einmal das Schloss zu verlassen!«
Ich antwortete nicht. Seine unerwartete Berührung lähmte mich.
Christopher wurde eindringlicher. »Lynn, versprich es!«
Mein Verstand warnte mich: Ich war bereit, ihm alles zu versprechen. Angriff war meine einzige Rettung.
»Du bist nicht mein Tutor, und ich bin dir nicht verpflichtet!«
Der Druck seiner Hände verstärkte sich. »Du kennst unsere Welt noch nicht. Außerhalb des Schlossgeländes bist du nicht geschützt.«
»Und wenn schon. Zudem ist es nicht deine, sondern Arons Aufgabe, sich um mich zu kümmern!«
Ich versuchte Christopher abzuschütteln. Seine übernatürliche Ausstrahlung setzte mir zu, und lange konnte ich meine vorgeschobene Aggressivität nicht mehr aufrechterhalten. Meine Verzweiflung schnürte mir schon jetzt die Kehle zu.
»Lynn, ich kann nicht gehen, wenn ich dich nicht in Sicherheit weiß.«
»Dann ... dann geh nicht!« Meine Selbstkontrolle brach. Tränen traten in meine Augen.
Christopher ließ mich los und wich zurück. »Ich kann nicht bei dir bleiben. Ich habe schon genügend Schaden angerichtet. Bitte, versprich mir, dass du das Schloss nicht ohne Begleitung verlässt, bis du deine Ausbildung beendet hast.«
»Warum?«
»Weil du stark sein musst, wenn du den Schutz der Schule verlässt.« Christophers Züge gefroren. »Es ist meine Schuld. Ich hätte verhindern müssen, dass du mir näherkommst. Doch wenn ich jetzt gehe, ist es vielleicht noch nicht zu spät für dich, und das, was meinen Freund getötet hat, wird dich vergessen.«
»Mich? Mich kennt hier doch niemand außer den Schlossbewohnern.«
»Er würde dich kennenlernen, weil er danach trachtet, alleszu zerstören, was mir etwas bedeutet – und ich könnte es nicht ertragen, dich zu verlieren.« Christophers Smaragdaugen schmolzen zu flüssigen Edelsteinen, bevor er mich in seine Arme zog und seine Schwingen mich umschlossen, um mich vor der Welt zu beschützen.
Ich drängte mich an ihn und versank in ihm. Verbarg mich zwischen seinen himmlischen Flügeln, die er behütend um mich hüllte, und klammerte mich an ihm fest, so dass nichts und niemand mich von ihm trennen konnte – diese kurze Ewigkeit sollte nur uns beiden gehören.
Die kalte Nachtluft ließ mich erschaudern. Christopher hatte wieder seine menschliche Gestalt angenommen, so dass seine Flügel mich nicht länger umgaben. Noch einmal spürte ich sein Engelswesen, bevor ich mich aus seiner Umarmung löste. Die Zeit war abgelaufen.
»Wirst du ins Schloss zurückkehren?« Ich musste wissen, ob er wiederkam.
Christopher sah mich an. Unsicherheit lag in seinem Blick. »Möchtest du, dass ich gehe?«
»Habe ich denn Einfluss auf deine Entscheidungen?«
»Schon seit unserer ersten Begegnung.«
»Dann bleib!«
Meine Knie wurden weich, als seine Arme sich um meine Taille legten und sein Mund meine Lippen fand. Ich war überglücklich, berauscht von ihm, von seinem Versprechen, bei mir zu bleiben. Und in diesem Augenblick war ich fest davon überzeugt, dass es nichts auf dieser Welt geben konnte, das so mächtig war, meine Liebe zu ihm zu zerstören. Ich war naiv genug zu glauben, sie wäre stark genug für uns beide.
Kapitel 9
Himmel und Hölle
W ir sollten zum Schloss zurückgehen.« Christopher drängte zum Aufbruch. Schützend legte er einen Arm um mich, während wir zur Schule liefen.
Ich spürte seine Unruhe, es war Schlafenszeit – und schon lange dunkel. Doch ich wollte mich noch nicht von ihm verabschieden. Irgendwie befürchtete ich, er könnte am nächsten Morgen nicht mehr da sein. Und anscheinend fühlte auch er meine Unsicherheit. Anstatt mich auf mein Zimmer zu bringen, nahm er den Abzweig zur Schlossmauer am Seeufer.
An Christopher gekuschelt, beobachtete ich, wie das blassgelbe Mondlicht über das dunkle Wasser zog, bevor der Morgen ein purpurfarbenes Tuch über den See breitete. Trotz all der Schönheit war für mich nur wichtig, dass Christopher mich in seinen Armen hielt.
»Du musst müde sein.« Besorgt glitt sein Blick über mein Gesicht. »Wenn du möchtest, werde ich dich für heute entschuldigen, damit du ein wenig schlafen kannst.«
»Nein, das brauchst du nicht.« Ich fühlte mich so lebendig wie nie zuvor – unmöglich, jetzt an Schlafen zu denken!
Ein
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