Schloss der Engel: Roman (German Edition)
verhindern. Gewonnen hatte, wer die Dolden an seinem Kelch am schnellsten füllte.
Ich entdeckte Aron, der hoch über der Plattform schwebte. Rechts und links von ihm gruppierten sich die Mannschaften, bereit zum Spiel. Meine Überraschung wuchs, als ich die Engel genauer betrachtete – alle waren wie Aron, keiner glich Christopher. Ich warf ihm heimlich einen Blick zu. Christopher entging meine Aufmerksamkeit nicht – Besorgnis schlich sich in seine Züge, und ich beeilte mich, ein Lächeln zustande zu bringen und meine Fragen auf später zu verschieben.
Ein markerschütternder Ton hallte aus den Kelchen über den See und läutete den Beginn des Spiels ein. Rhythmischer Applaus unterstützte Aron, der mehrere Ringe nach oben hielt, sie mit einer geschickten Drehung zum Rotieren brachte und aus ihnen einen hell leuchtenden Ball formte. Schwungvoll schleuderte er die Kugel senkrecht in den Himmel, während der Kapitän der ersten Mannschaft versuchte, ihr zu folgen und den Ball mit einem länglichen Paddel von unten so schnell und hart wie möglich zu treffen. Die Kugel zerbarst unter dem mächtigen Schlag und zerfiel in ihre Bestandteile. Sechs schimmernde Ringe, Frisbeescheiben ähnlich, stoben in alle Himmelsrichtungen über den See.
»Wie groß ist das Spielfeld?«, wollte ich wissen.
»So weit wie der See.«
Ich schwieg beeindruckt.
Die Mannschaften formierten sich. Ich erkannte Paul unter ihnen. Auf seinem Gesicht lag eine lauernde Anspannung, die ich nicht bei ihm erwartet hätte. Seine Flügel zuckten unruhig. Alles in ihm drängte, seiner Scheibe nachzujagen. Doch erst nachdem sie die Wasserfläche durchbrochen hatte, stob er mit dem Rest der Sammlermannschaft davon – Sekunden darauf verfolgt von seinem Gegner.
Einen Engel zu sehen war beeindruckend, ihn im rasenden Verfolgungsflug zu erleben unglaublich. Wie ein Pfeil schoss Paul auf die Wasseroberfläche zu. Kurz bevor er eintauchte, verschwanden seine Flügel, und er glitt elegant ins Wasser. Sein Gegenspieler versank nur wenig nach ihm in der Tiefe mit dem Ziel, den Ring vor Paul zu finden.
Ich kaute nervös auf meiner Unterlippe und beobachtete gebannt die Schiedsengel, die dicht über dem See den Weg der Kontrahenten verfolgten. Paul war schon ziemlich lange unter Wasser, weshalb ich mir die entsetzlichsten Dinge ausmalte.
»Es ist nicht so einfach, wieder aufzutauchen. Der See ist tiefund man sollte ihn nicht unterschätzen. Nicht umsonst heißt das Spiel Himmel und Hölle .«
Christophers Erklärungen beruhigten mich nicht gerade, doch der Jubel, als der erste Spieler wieder auftauchte, riss mich aus meinen Überlegungen, was hier alles im See verborgen sein könnte.
Es war einer der Sammler. Mit Schwung stob er aus dem Wasser und verwandelte sich zum Engel. Noch während er auf den Kelch zuhielt, schleuderte er seinem Kapitän die Scheibe zu, der sie zielsicher in eine der durchsichtigen Dolden warf, wo sie sich schillernd im Kreis drehte.
»Wenn das Gefäß mit sechs Scheiben gefüllt ist, wird aus ihnen wieder eine Kugel«, erläuterte Christopher.
Der nächste Engel erschien – auch ein Sammler. Danach tauchte einer der Gegner, ein sogenannter Jäger, aus dem Wasser. Mit einer triumphierenden Geste schleuderte er die Scheibe zu seinem Kapitän, der sie beinahe an den Mannschaftsführer der Sammler verlor, bevor er sie in der Mitte des Kelches versenken konnte. Rotierend fiel der gegnerische Ring durch den Stiel und galt als verloren.
Endlich tauchte Paul wieder auf. Stolz präsentierte er seine Scheibe und warf sie zu seinem Teampartner, der sie mit den beiden anderen vereinte – drei Ringe wirbelten glitzernd umeinander. Vier zu zwei endete die erste Runde.
Die nächsten Spielzüge gingen an die gegnerische Mannschaft, die ihre erste Kugel zum Leuchten brachte, was mit stürmischem Beifall belohnt wurde. Mit zunehmender Dauer wurde ersichtlich, wie anstrengend das Spiel war. Die ständigen Wechsel zwischen Fliegen und Schwimmen sowie das präzise Timing beim Ein- und Auftauchen erschöpften die Spieler, was mich gleichzeitig beruhigte und nervös machte: Zum einen war ich froh, dass auch Engel nicht über unbegrenzte Kräfte verfügten – obwohl ich mir da bei Christopher nicht so sicher war –, zumanderen hatte ich Mitleid mit den vor Nässe triefenden Engeln, und ich fror mit ihnen.
Fast am Ende, Pauls Mannschaft fehlten nur noch drei Ringe zum Sieg, verlor eine Spielerin ihre sicher geglaubte Scheibe, da ihr der Sprung
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