Schloß der verlorenen Seelen
blutverschmiertes Kleid.”
“Jetzt reicht es, Laura.” Nancy Randall griff nach ihrer Tochter und zwang sie, sich an den Tisch zu setzen. “Hör jetzt mit diesen Geschichten auf. Träume sind Schäume - du mußt dich nicht darüber beunruhigen. Wer weiß, was du wieder gelesen hast.”
Camilla beschloß, im Moment nicht weiter auf Lauras Traum einzugehen, aber sie machte sich große Sorgen. Immerhin wollte ihre Familie in der Nacht zum Dienstag mit der Fähre von Southampton nach Cherbourg übersetzen.
Sie sprachen während des Frühstücks über alles mögliche. Laura schüttelte die Erinnerungen an ihren Traum ab. Sie wurde wieder zu dem fröhlichen kleinen Mädchen, das sie meistens war. Nachdem sie gegessen hatten, wollte sie ihrer Puppe noch rasch etwas anderes anziehen.
“Beeil dich, Laura. Du weißt, wir wollen nachher noch einkaufen gehen!” rief ihr Mrs. Randall nach.
“Nur ein paar Minuten, Mammy.” Laura winkte ihnen zu und rannte davon.
“Wäre es nicht besser, ihr würdet fliegen?” fragte Camilla, als sie mit ihrer Mutter alleine war.
“Du wirst doch nicht plötzlich abergläubisch sein, Camilla?” meine Nancy Randall. “Nein, ich denke nicht daran, mich von Lauras Träumen verrückt machen zu lassen, zumal ich mir nicht einmal sicher bin, ob es überhaupt Träume sind. Laura ist zwar erst sieben, aber sie liest sehr viel. Zudem schaut sie auch Fernsehen. Ich habe oft den Verdacht, daß sie all die Geschichten, die durch Bücher und Fernsehen auf sie einströmen, zu ihren Träumen verwebt.”
“Und doch wäre es besser, ihr würdet nicht die Fähre nehmen. Vergiß nicht, die Lawine. Laura sprach von einem Lawinenunglück, und am nächsten Tag…”
“Zufall, nichts als Zufall”, erklärte ihre Mutter resolut und stand auf. “Waschen wir das Geschirr ab, sonst kommen wir nicht mehr rechtzeitig in die Stadt. Immerhin haben wir viel vor. Wir wollten ja nicht nur einkaufen gehen, sondern Laura auch noch den Tower zeigen.”
“Wie du meinst.” Camilla erhob sich ebenfalls und begann, das Geschirr zusammenzustellen. Sie versuchte sich einzureden, daß ihre Mutter recht hatte, daß Lauras Träume nichts bedeuteten, und daß die ein-, zweimal, wo sie wirklich ein späteres Ereignis vorausgesagt hatte, nicht als Zufall gewesen waren.
“Nichts ist schöner als eine nächtliche Fährfahrt”, schwärmte Nancy Randall, als sie gemeinsam in der Küche standen und sich dem Geschirr widmeten. “Also, mach nicht so ein besorgtes Gesicht.”
“Schon gut.” Die junge Frau stellte einen Teller in den Schrank. “Im Grunde bin ich ja nicht abergläubisch, aber Laura kann einem manchmal wirklich Angst machen. Sie ist so anders als andere Kinder, so…”
“Laura ist ein ganz normales Kind”, fiel ihr ihre Mutter ins Wort, “aber du könntest mal nachschauen, wo sie bleibt. Und kämm ihr bitte noch einmal die Haare. So können wir nicht mit ihr in die Stadt.”
Camilla ging zum Gästezimmer hinauf. Ihre Schwester saß auf dem Bett und hielt ihre Puppe im Arm. Sie sagte etwas zu der Puppe, was die Lehrerin nicht verstehen konnte, schien überhaupt nicht zu bemerken, daß sie nicht mehr alleine war.
Ich habe Angst, dachte Camilla, aber sie wußte auch, daß ihre Mutter nicht nachgeben würde. Kurz überlegte sie, ob sie nicht ihren Stiefvater anrufen sollte, um ihm von Lauras Traum zu erzählen. Dann verwarf sie diesen Gedanken wieder. Steven würde sie auslachen. Er würde genauso wenig bereit sein, ein Flugzeug zu benutzen wie ihre Mutter.
2. Kapitel
“Fred, ist mein Wagen fertig?” fragte Camilla Corman und schenkte dem Automechaniker ein freundliches Lächeln. Sie hatte ihren Wagen am Vortag zur Inspektion gebracht. Sie wollte ganz sicher sein, daß alles in Ordnung war, bevor sie in den Urlaub fuhr.
“Wann fahren Sie denn nach Cornwall?” erkundigte sich Fred. Er rieb seine schmutzigen Hände an den Hosen ab. “Wenn Sie Glück haben, haben wir Ihren Wagen bis dahin repariert. Es ist einiges daran zu tun.”
Camilla runzelte die Stirn. “Ist etwas mit dem Motor?” erkundigte sie sich und trat zu ihrem Wagen, der zwischen zwei anderen stand.
Der junge Mann lachte auf. “Es war nur ein Witz, Miß Corman”, gestand er. “Ich wollte Sie nur ein wenig erschrecken.” Er legte eine Hand auf den Kotflügel des Wagens. “Es ist alles in Ordnung. Wir hatten kaum etwas an ihm zu tun.”
Der jungen Frau fiel ein Stein vom Herzen. “Dann kann ich ihn also mitnehmen?”
“So,
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