Schloß Gripsholm
man so spricht,
wenn man nichts zu sagen hat. Und der Dicke hatte uns in
viele schöne Gegenden geführt, durch wundervolle, satte
Wälder — „Hier sind schöne Läube!“ sagte er, und das war
die Mehrzahl von „Laub“ — und nun fing die Prinzessin
an, aufzumucken. „He lacht sik ’n Stremel“, sagte sie. „Mei-
nen lieben guten Daddy! Wi sünd doch keine Rockefellers!
Nu ornier doch endlich mal enägisch ne Dispositschon an,
daßn weiß, woanz un woso!“
Was nun — ? Der Dicke ging nachdenklich, aber mit
der Welt soweit ganz zufrieden, vor uns hin; er stapfte mit
seinem Stock auf das Pflaster und dachte emsig nach; man
konnte an seinem breiten Rücken sehen, wie er dachte.
Dann brummte er, denn er hatte etwas gefunden. „Wir
fahren nach Mariefred“, sagte er. „Das ist ein kleiner Ort …
das ist all right! Morgen fahren wir.“ Die Prinzessin sah
mich unheilverkündend an. „Wenn wir da nichts finden,
Daddy, dann stech ich dir inne Kleinkinnerbiewohranstalt
und kutschier bei mein Alten nach Abbazia. Dor kannst
du man upp aff!“
Aber am nächsten Tage sahen wir etwas.
Mariefred ist eine klitzekleine Stadt am Mälarsee. Es
war eine stille und friedliche Natur, Baum und Wiese, Feld
und Wald — niemand aber hätte von diesem Ort Notiz
genommen, wenn hier nicht eines der ältesten Schlösser
Schwedens wäre: das Schloß Gripsholm.
Es war ein strahlend heller Tag. Das Schloß, aus ro-
ten Ziegeln erbaut, stand leuchtend da, seine runden Kup-
peln knallten in den blauen Himmel — dieses Bauwerk
war dick, seigneural, eine bedächtige Festung. Bengtsson
winkte dem Führer ab, Führer war er selber. Und wir gin-
gen in das Schloß.
Viele schöne Gemälde hingen da. Mir sagten sie nichts.
Ich kann nicht sehen. Es gibt Augenmenschen, und es gibt
Ohrenmenschen, ich kann nur hören. Eine Achtelschwin-
gung im Ton einer Unterhaltung: das weiß ich noch nach
vier Jahren. Ein Gemälde? Das ist bunt. Ich weiß nichts
vom Stil dieses Schlosses — ich weiß nur: wenn ich mir
eins baute, so eins baute ich mir.
Herr Bengtsson erklärte uns das Schloß, wie er es sei-
nen Amerikanern erklärt hätte, der Spiritus sang aus ihm,
und nach jeder Jahreszahl sagte er: „Aber so genau weiß
ich das nicht“, und dann sahen wir im Baedeker nach, und
es war alles, alles falsch — und wir freuten uns mächtig.
Ein Kerker war da, in dem Gustav der Verstopfte Adolf
den Unrasierten jahrelang eingesperrt hatte, und so dicke
Mauern hatte das Schloß, und einen runden Käfig für die
Gefangenen gab es und ein schauerliches Burgloch oder
eine Art Brunnen … Menschen haben immer Menschen
gequält, heute sieht das nur anders aus. Aber am aller-
schönsten war das Theater. Sie hatten in der Burg ein klei-
nes Theater — vielleicht damit sie sich während der Be-
lagerungen nicht so langweilen mußten. Ich setzte mich
auf eines der Bänkchen im Zuschauerraum und führte mir
eine Schäferkomödie auf, in der geliebt und gestochen, ge-
schmachtet und zierlich gesoffen wurde — und nun wurde
die Prinzessin sehr energisch. „Jetzt oder nie!“ sagte sie.
„Herr Bengtsson — also!“
Wie alle gutmütigen Männer hatte der Dicke Angst vor
Frauen — er beugte seine Seele, wie der Wanderer den
Rücken unter den Regenschauern beugt, und er strengte
sich gewaltig an und ging gar sehr ins Zeug. Er telefonierte
lange und verschwand.
Nach dem Mittagessen kam er fröhlich an, sein Fett
wogte vor Zufriedenheit. „Kommen Sie mit!“ sagte er.
Das Schloß hatte einen Anbau — auf eine Frage hätte
der Dicke sicherlich gesagt: aus dem einundzwanzigsten
Jahrhundert … es war ein neuerer Bau, langgestreckt, glatt
in der Fassade, hübsch. Wir gingen hinein. Drinnen emp-
fing uns eine sehr freundliche alte Dame. Es ergab sich,
daß hier in diesem Schloßanbau zwei Zimmer und dazu
noch ein kleineres zu vermieten waren. Hier im Schloß?
Zweifelnd sah ich Herrn Bengtsson an. Hier im Schloß.
Und bekochen wollte sie uns auch. Aber würden uns denn
nicht die zahllosen Touristen stören, die da kommen und
die Gemälde und die Folterkammer sehen mußten? Sie kä-
men nur sonntags, und sie kämen überhaupt nicht hierher,
sondern sie gingen dortherum …
Wir besichtigten die Zimmer. Sie waren groß und schön;
alte Einrichtungsstücke des Schlosses standen darin, in ei-
nem schweren behaglichen Stil; ich sah keine Einzelheiten
mit meinen blinden Augen — aber es sprach zu
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