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Schloß Gripsholm

Schloß Gripsholm

Titel: Schloß Gripsholm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Tucholsky
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verstehn, platt — und wenn
    das alles nichts hilft, dann hänge ich an die deutschen
    Wörter die Endung as an, und dieses Sprechas verstehas
    sie ganz gut.“ Das hatte grade noch gefehlt. Es gefiel ihr
    ungemein, und sie nahm es gleich in ihren Sprachschatz
    auf. „Ja — also nun kommt Schweden. Ob wir etwas in
    Schweden erlebas? Was meinst du?“ — „Ja, was sollten
    wir wohl auf einem Urlaub erleben …? Ich dich, hoffent-
    lich.“ — „Weißt du,“ sagte die Prinzessin, „ich bin noch
    gar nicht auf Reisen, ich sitze hier neben dir im Coupé;
    aber in meinem Kopf dröhnt es noch, und … Allmächtiger
    Braten!“ — „Was ist?“ — „Ich habe vergessen, an Tichauer
    zu telefonieren!“ — „Wer ist Tichauer?“ — „Tichauer ist
    Direktor der NSW — der Norddeutschen Seifenwerke.
    Und der Alte hat gesagt, ich solle ihm abtelefonieren, weil
    er doch verreist … und da ist die Konferenz am Diens-
    tag … ach du liebes Gottchen, behüte unser Lottchen vor
    Hunger, Not und Sturm und vor dem bösen Hosenwurm.
    Amen.“ — „Also was wird nun?“ — „Jetzt werden wir
    telegrafieren, wenn wir in Helsingör auf die Fähre steigen.
    Du allmächtiger Braten! Daddy, Berlin läuft doch immer
    mit. Das dauert mindestens vierzehn Tage, bis man es ei-
    nigermaßen los ist, und wenn man es glücklich vergessen
    hat, dann muß man wieder zurück. Das ist ein fröhlicher
    Beruf …“ — „Beruf … Ich hielt es mehr für eine Beschäf-
    tigung.“ — „Du bist ein Schriftsteller — aber recht hast
    du doch. Lenk mich ab. Steig mal auf die Bank und mach
    mal einen. Sing was — wozu hab ich dich mitgenommen?“
    Nur Ruhe und Geduld konnten es machen … „Sieh mal,
    Hühner auf dem Wasser!“ sagte ich. „Hühner? Was für
    welche?“ — „Gesichtshühner. Der Naturforscher Jakopp
    unterscheidet zweierlei Sorten von Hühnern: die Gesichts-
    hühner, die man nur sehen, und die Speisehühner, die
    man auch essen kann. Dies sind Gesichtshühner. Finnste
    die Natur hier?“ — „Etwas dünn, um die Wahrheit zu sa-
    gen. Wenn man nicht wüßte, daß es Dänemark ist und wir
    gleich nach Schweden hinüberfahren —“
    Und da hatte sie nun recht. Denn nichts lenkt den Men-
    schen so von seinem gesunden Urteil ab wie geographi-
    sche Ortsnamen, geladen mit alter Sehnsucht und bepackt
    mit tausend Gedankenverbindungen, und wenn er dann
    hinkommt, ist es alles halb so schön. Aber wer traut sich
    denn, das zu sagen — !
    Helsingör. Wir telegrafierten an Tichauer. Wir stiegen
    auf die kleine Fähre.
    Unten im Schiffsrestaurant saßen drei Österreicher;
    offenbar waren es altadlige Herren, einer hatte eine ganz
    abregierte Stimme. Er kniff grade die Augen so merkwür-
    dig zu, wie das einer tut, der mit der Zigarre im Mund zah-
    len muß. Und dann hörte ich ihn murmeln: „Ein g’schäiter
    Buuursch (mit drei langen u) — aber etwas medioker …“
    Ich bin gegen den Anschluß.
    Oben standen wir dann am Schiffsgeländer, atmeten
    die reine Luft und blickten auf die beiden Küsten — die dä-
    nische, die zurückblieb, und die schwedische, der wir uns
    näherten. Ich sah die Prinzessin von der Seite an. Manch-
    mal war sie wie eine fremde Frau, und in diese fremde
    Frau verliebte ich mich immer aufs neue und mußte sie
    immer aufs neue erobern. Wie weit ist es von einem Mann
    zu einer Frau! Aber das ist schön, in eine Frau wie in ein
    Meer zu tauchen. Nicht denken … Viele von ihnen haben
    Brillen auf, sie haben es im eigentlichen Sinne des Wortes
    verlernt, Frau zu sein — und haben nur noch den dünnen
    Charme. Hol ihn der Teufel. Ja, wir wollen wohl ein biß-
    chen viel: kluge Gespräche und Logik und gutes Aussehen
    und ein bißchen Treue und dann dieser nie zu unterdrük-
    kende Wunsch, von der Frau wie ein Beefsteak gefres-
    sen zu werden, daß die Kinnbacken krachen … „Hast du
    schwedischen Geldes?“ fragte die Prinzessin träumerisch.
    Sie führte gern einen gebildeten Genitiv spazieren und
    war demzufolge sehr stolz darauf, immer ‚Rats‘ zu wis-
    sen. „Ja, ich habe schwedische Kronen“, sagte ich. „Das ist
    ein hübsches Geld — und deshalb werden wir es auch nur
    vorsichtig ausgeben.“ — „Geizvettel“, sagte die Prinzessin.
    Wir besaßen eine gemeinsame Reisekasse, an der hatten
    wir sechs Monate herumgerechnet. Und nun waren wir in
    Schweden.
    Der Zoll zollte. Die Schweden sprechen anders deutsch
    als die Dänen: die Dänen hauchen es, es klingt bei

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