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Schloß Gripsholm

Schloß Gripsholm

Titel: Schloß Gripsholm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Tucholsky
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Man kann sie nicht mehr besichtigen,
    die Welt — man muß mit ihr leben oder gegen sie.
    Der Dolmetscher! Die Prinzessin wußte Rats, und wir
    gingen zum Büro einer Touristen-Vereinigung. Ja, einen
    Dolmetscher hätten sie. Vielleicht. Doch. Ja.
    Bedächtig geht das in Schweden zu — sehr bedächtig.
    In Schweden gibt es zwei Völkerstämme: den gefälligen
    Schweden, einen freundlichen, stillen Mann — und den
    ungefälligen. Das ist ein gar stolzer Herr, man kann ihm
    seinen Eigensinn mit kleinen Hämmern in den Schädel
    schlagen: er merkt es gar nicht. Wir waren an den gefälli-
    gen Typus gekommen. Einen Dolmetscher, den hätten sie
    also, und sie würden ihn morgen früh ins Hotel schicken.
    Und dann gingen wir essen.
    Die Prinzessin verstand viel vom Essen, und hier in
    Schweden aßen sie gut, solange es bei den kalten Vorge-
    richten blieb — dem Smörgåsbrot. Unübertrefflich. Ihre
    warme Küche war durchschnittlich, und vom Rotwein
    verstanden sie gar nichts, was mir vielen Kummer machte.
    Die Prinzessin trank wenig Rotwein. Dagegen liebte sie —
    als einzige Frau, die ich je getroffen habe — Whisky, von
    dem die Frauen sonst sagen, er schmecke nach Zahnarzt.
    Er schmeckt aber, wenn er gut ist, nach Rauch.
    Am nächsten Morgen kam der Dolmetscher.
    Es erschien ein dicker Mann, ein Berg von einem
    Mann — und der hieß Bengtsson. Er konnte spanisch
    sprechen und sehr gut englisch und auch deutsch. Das
    heißt: ich horchte einmal … ich horchte zweimal … dieses
    Deutsch mußte er wohl in Emerrika gelernt haben, denn
    es hatte den allerschönsten, den allerfarbigsten, den aller-
    lustigsten amerikanischen Akzent. Er sprach deutsch
    wie ein Zirkus-Clown. Aber er war das, was die Berliner
    „richtig“ nennen — er verstand sofort, was wir wollten, er
    versank in Karten, Fahrplänen und Prospekten, und am
    Nachmittag trollten wir von dannen.
    Wir fuhren nach Dalarne. Wir fuhren in die Umge-
    bung Stockholms. Wir warteten auf Zuganschlüsse und
    rumpelten über staubige Landwege in die abgelegensten
    Dörfer. Wir sahen verdrossene Fichten und dumme Kie-
    fern und herrliche, alte Laubbäume und einen blauen Som-
    merhimmel mit vielen weißen Wattewolken, aber was wir
    suchten, das fanden wir nicht. Was wir denn wollten? Wir
    wollten ein ganz stilles, ein ganz kleines Häuschen, ab-
    gelegen, bequem, friedlich, mit einem kleinen Gärtchen …
    wir hatten uns da so etwas Schönes ausgedacht. Vielleicht
    gab es das gar nicht?
    Der Dicke war unermüdlich. Während wir herum-
    fuhren und suchten, fragten wir ihn des nähern nach sei-
    nem Beruf. Ja, er führte also die Fremden durch Schwe-
    den. Ob er denn alles wüßte, was er ihnen so erzählte.
    Keine Spur — er hatte lange in Amerika gelebt und
    kannte seine Amerikaner. Zahlen! Er nannte ihnen vor
    allem einmal Zahlen: Jahreszahlen und Größenangaben
    und Preise und Zahlen, Zahlen, Zahlen … Falsch konn-
    ten sie sein. Mit uns sprach er von Tag zu Tag fließender
    deutsch, aber es wurde immer amerikanischer. „Fourteen
    days ago“ hieß eben „Virrzehn Tage zerrick“, und so war
    alles. „Drei Wochen zerrick,“ sagte er, als wir grade wie-
    der von einer ergebnislosen Expedition zurückgekommen
    waren und zu Abend aßen, „drei Wochen zerrick — da
    war eine amerikanische Familie in Stockholm. Ich habe
    zu ihnen gesagt, wenn man nur einmal in Emerrika ge-
    wesen ist, dann meint man, die ganze andre Welt ist
    eine Kolonie von Emmerika. Ja. Danach haben mich
    die Leute sehr gähn gehabt. Prost!“ — Prost? Wir waren
    hier in Schweden, der Mann hatte ‚Skål!‘ zu sagen. Und
    ‚Skål‘, das ist eigentlich ‚Schale‘. Und weil die Prinzessin
    eine arme Ausländerin war, die uns Schweden nicht so
    verstand, so sagte ich „Schale auf Ihnen!“, und das ver-
    standen wir alle drei. Der Dicke bestellte sich noch einen
    kleinen Schnaps. Träumerisch sah er ins Glas. „In Göte-
    borg wohnt ein Mann, der hat einen großen Keller — da
    hat er es alles drin: Whisky und Branntwein und Cognac
    und Rotwein und Weißwein und Sekt. Und das trinkt der
    Mann nicht aus — das bewahrt sich der Mann alles auf!
    Ich finde das ganz grroßartig — !“ Sprachs und kippte den
    seinigen.
    Aber nun verging ein Tag nach dem andern, und wir
    hatten viele Gespräche mitangehört, hatten unzählige
    Male vernommen, wie die Leute sagten, was die Schweden
    immer sagen, in allen Lagen des menschlichen Lebens:
    „Jasso …“ und auch ihr „Nedo“ und was

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