Schloß Gripsholm
Man kann sie nicht mehr besichtigen,
die Welt — man muß mit ihr leben oder gegen sie.
Der Dolmetscher! Die Prinzessin wußte Rats, und wir
gingen zum Büro einer Touristen-Vereinigung. Ja, einen
Dolmetscher hätten sie. Vielleicht. Doch. Ja.
Bedächtig geht das in Schweden zu — sehr bedächtig.
In Schweden gibt es zwei Völkerstämme: den gefälligen
Schweden, einen freundlichen, stillen Mann — und den
ungefälligen. Das ist ein gar stolzer Herr, man kann ihm
seinen Eigensinn mit kleinen Hämmern in den Schädel
schlagen: er merkt es gar nicht. Wir waren an den gefälli-
gen Typus gekommen. Einen Dolmetscher, den hätten sie
also, und sie würden ihn morgen früh ins Hotel schicken.
Und dann gingen wir essen.
Die Prinzessin verstand viel vom Essen, und hier in
Schweden aßen sie gut, solange es bei den kalten Vorge-
richten blieb — dem Smörgåsbrot. Unübertrefflich. Ihre
warme Küche war durchschnittlich, und vom Rotwein
verstanden sie gar nichts, was mir vielen Kummer machte.
Die Prinzessin trank wenig Rotwein. Dagegen liebte sie —
als einzige Frau, die ich je getroffen habe — Whisky, von
dem die Frauen sonst sagen, er schmecke nach Zahnarzt.
Er schmeckt aber, wenn er gut ist, nach Rauch.
Am nächsten Morgen kam der Dolmetscher.
Es erschien ein dicker Mann, ein Berg von einem
Mann — und der hieß Bengtsson. Er konnte spanisch
sprechen und sehr gut englisch und auch deutsch. Das
heißt: ich horchte einmal … ich horchte zweimal … dieses
Deutsch mußte er wohl in Emerrika gelernt haben, denn
es hatte den allerschönsten, den allerfarbigsten, den aller-
lustigsten amerikanischen Akzent. Er sprach deutsch
wie ein Zirkus-Clown. Aber er war das, was die Berliner
„richtig“ nennen — er verstand sofort, was wir wollten, er
versank in Karten, Fahrplänen und Prospekten, und am
Nachmittag trollten wir von dannen.
Wir fuhren nach Dalarne. Wir fuhren in die Umge-
bung Stockholms. Wir warteten auf Zuganschlüsse und
rumpelten über staubige Landwege in die abgelegensten
Dörfer. Wir sahen verdrossene Fichten und dumme Kie-
fern und herrliche, alte Laubbäume und einen blauen Som-
merhimmel mit vielen weißen Wattewolken, aber was wir
suchten, das fanden wir nicht. Was wir denn wollten? Wir
wollten ein ganz stilles, ein ganz kleines Häuschen, ab-
gelegen, bequem, friedlich, mit einem kleinen Gärtchen …
wir hatten uns da so etwas Schönes ausgedacht. Vielleicht
gab es das gar nicht?
Der Dicke war unermüdlich. Während wir herum-
fuhren und suchten, fragten wir ihn des nähern nach sei-
nem Beruf. Ja, er führte also die Fremden durch Schwe-
den. Ob er denn alles wüßte, was er ihnen so erzählte.
Keine Spur — er hatte lange in Amerika gelebt und
kannte seine Amerikaner. Zahlen! Er nannte ihnen vor
allem einmal Zahlen: Jahreszahlen und Größenangaben
und Preise und Zahlen, Zahlen, Zahlen … Falsch konn-
ten sie sein. Mit uns sprach er von Tag zu Tag fließender
deutsch, aber es wurde immer amerikanischer. „Fourteen
days ago“ hieß eben „Virrzehn Tage zerrick“, und so war
alles. „Drei Wochen zerrick,“ sagte er, als wir grade wie-
der von einer ergebnislosen Expedition zurückgekommen
waren und zu Abend aßen, „drei Wochen zerrick — da
war eine amerikanische Familie in Stockholm. Ich habe
zu ihnen gesagt, wenn man nur einmal in Emerrika ge-
wesen ist, dann meint man, die ganze andre Welt ist
eine Kolonie von Emmerika. Ja. Danach haben mich
die Leute sehr gähn gehabt. Prost!“ — Prost? Wir waren
hier in Schweden, der Mann hatte ‚Skål!‘ zu sagen. Und
‚Skål‘, das ist eigentlich ‚Schale‘. Und weil die Prinzessin
eine arme Ausländerin war, die uns Schweden nicht so
verstand, so sagte ich „Schale auf Ihnen!“, und das ver-
standen wir alle drei. Der Dicke bestellte sich noch einen
kleinen Schnaps. Träumerisch sah er ins Glas. „In Göte-
borg wohnt ein Mann, der hat einen großen Keller — da
hat er es alles drin: Whisky und Branntwein und Cognac
und Rotwein und Weißwein und Sekt. Und das trinkt der
Mann nicht aus — das bewahrt sich der Mann alles auf!
Ich finde das ganz grroßartig — !“ Sprachs und kippte den
seinigen.
Aber nun verging ein Tag nach dem andern, und wir
hatten viele Gespräche mitangehört, hatten unzählige
Male vernommen, wie die Leute sagten, was die Schweden
immer sagen, in allen Lagen des menschlichen Lebens:
„Jasso …“ und auch ihr „Nedo“ und was
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