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Schloß Gripsholm

Schloß Gripsholm

Titel: Schloß Gripsholm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Tucholsky
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Wandseite waren Ringe in
    die Mauer gelassen; offenbar hatten sie hier ihre Gefange-
    nen nicht in drei Stufen gebessert, sondern gleich in einer
    einzigen … Und da war auch ein zweites Brunnenloch.
    „Lydia?“ — „Ja?“ — „Zieh die Leiter auf — kannst du
    das? Ich werde dir helfen. Ich hebe an — horupp! So …
    hast du?“ Die Leiter war oben. „Stell sie weg!“ Ich hörte,
    wie die Prinzessin mit der Leiter wirtschaftete. „Setz die
    runde Scheibe wieder auf, kannst du? Und versteck dich.“
    Nun war es ganz dunkel. Schwarz.
    Das ist merkwürdig, wenn man so etwas nicht ge-
    wöhnt ist. Im Augenblick, wo man in völliger Dunkelheit
    steckt, belebt sich das Dunkel. Nein, man erwartet, daß
    es sich belebt; man fürchtet das und sehnt sich nach dem
    Belebenden. Ich räusperte mich leise, zum Zeichen, daß
    ich auch noch da wäre, jedoch keine feindlichen Absichten
    hegte … Ich tastete mich umher. Da war ein Nagel an der
    Wand, von dem wollen wir nicht fortgehn … He? Da wa-
    ren sie. Man hörte deutlich die Stimmen; die Holzscheibe
    war nur dünn.
    „Hier ist nichts“, sagte eine Stimme. „Wahrscheinlich
    ein Brunnen — für die Belagerung oder so. Sehr interes-
    sant. Na, gehn wir weiter. Hier ist nichts.“
    Hier wird gleich was sein.
    „Huuuuuuu —“ machte ich.
    Oben wurde es totenstill. Die schleppenden Fußschritte
    waren verstummt, „Was war das?“ sagte jemand. „Hast du
    das gehört?“ — „Ja, mir war auch so — wahrscheinlich
    nur so ein Klang —“
    „Huuuuuuu — aa — huuuuuuu — !“ machte ich von
    neuem.
    „Adolf, um Gottes willen — vielleicht ist hier ein Tier
    eingesperrt, ein Hund — komm weg!“ — „Na, erlaube mal,
    das gibts doch nicht! Ist — ehö — ist da jemand?“ — Ich
    blieb so still. „Eine Täuschung“, sagte eine Männerstimme.
    „Komm — da war ja nichts“, sagte der andre der Männer.
    Und da dachte ich an die Löwen in den Zoologischen Gärten
    vor der Fütterung, holte tief Atem und begann zu röhren:
    „Huuuuuu — brru — aa huuuuuuuuah!“ —
    Das war zu viel. „Hi!“ kreischte oben eine Frau, und
    dann gab es ein eiliges Gestiefel, einer sagte noch schnell:
    „Aber das ist doch — das muß doch geklärt werden … werden
    gleich unten mal fragen … Unerhört — das ist doch …“ —
    „Komm hier weg! Was müssen wir auch in alle Schlösser …“
    Fort waren sie. Da stand ich in meiner Dunkelheit. Mucks-
    mäuschenstill.
    Ganz leise: „Lydia?“ … Nichts. Ein wenig Kalk rieselte
    von der Mauer. Hm … Ein Ton? Hier ist doch alles aus
    Holz und Stein; das klingt doch nicht. Ich lauschte. Mein
    Herz klopfte um eine Spur schneller, als ich ihm das erlaubt
    hatte. Nichts. Man soll keine Leute erschrecken, siehst
    du, man soll keine Leute erschrecken … „Lydia!“ Lauter:
    „Holla! He! Alte!“ Nichts.
    Durch mein Gehirn flimmerte: Spaß muß sein. Ist den
    Burschen ganz recht. Still stehn, sonst machst du dich
    schmutzig. Hast Angst. Hast keine Angst. Ist ja Unsinn,
    Lydia kommt gleich. Wenn sie nun in Ohnmacht gefallen
    ist oder plötzlich stirbt, dann weiß niemand, daß du hier
    stehst, Roman, Filmidee. Pathé hat mal sowas gemacht.
    Eine Gemeinheit, Leute in Dunkelarrest zu stecken. Ich
    habe im Kriege mal einen rauskommen sehen, der tau-
    melte, als er das Licht sah. Dann begann er zu weinen. Er
    hatte nicht ordentlich Krieg geführt, deshalb hatten sie ihn
    eingesperrt, das soll man nicht. Die Richter ausprobieren
    lassen, was sie da verhängen. Geht aber nicht, weil sie ja
    wissen: es ist nur eine Probe. Also Wahnwitz der Todes-
    strafe, deren Wirkung niemand kennt. Nun ging das Herz
    ganz ruhig, ich hatte nachzudenken und ließ die Gedan-
    ken laufen … Die Holzscheibe ruckte an, wurde fortgezo-
    gen. Licht. Lydia. Die Leiter.
    Ich stieg hinauf. Die Prinzessin lachte über das ganze
    Gesicht. „Wie ist denn das alles so plötzlich gekommen?
    Komm mal her — Na, nun aber gleich nach Haus! Allmäch-
    tiger, wie siehst du aus!“ Ich war grau vor Dreck, behangen
    mit Spinnweben, die Hände von schwarzen Streifen geziert
    und der Rest entsprechend. „Wat hebben se seggt? Was hast
    du getan? Menschenskind, nu sieh dir man blodsen ierst
    mal in den Speegel!“ Ich sah lieber nicht in den Spiegel. „Wo
    warst du so lange, Alte? Läßt einen da unten schmachten!
    Das ist Liebe!“ — „Ich …“ sagte die Prinzessin und steckte
    den Spiegel wieder ein; „ich habe hier ein Töpfchen gesucht,
    sie

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