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Schloß Gripsholm

Schloß Gripsholm

Titel: Schloß Gripsholm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Tucholsky
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verschwollen,
    wie es verheulte Kinder haben … es sah vielmehr leer ge-
    weint aus, und in den bräunlichen Haaren lag ein goldner
    Schimmer. Es sah uns an, so müde und gleichgültig, wie es
    einen Baum angesehn hätte. In einem Anfall von Übermut
    und Kinderliebe steckte ihm die Prinzessin zwei kleine
    Glockenblumen, die wir gepflückt hatten, in die Hand. Das
    Kind zuckte zusammen, dann sah es auf, seine Lippen be-
    wegten sich; es wollte vielleicht etwas sagen, danken … da
    drehte sich vorn die Person um, die Kleine beschleunigte
    ihre Schritte und hoppelte ängstlich der Schar nach. Staub
    und das Geräusch der marschierenden Kinderfüße. Dann
    war das Ganze vorüber.
    „Merkwürdiges kleines Mädchen“, sagte die Prinzessin.
    „Was sind denn das für Kinder? Wir wollen nachher einmal
    fragen … Peter, mein Sohn, gibt es hier eigentlich Nord-
    licht? Ich möchte so gern mal ein Nordlicht sehn!“
    „Nein“, sagte ich. „Doch, ja. Aber alles, was man sehn
    will, meine Tochter, findet immer grade in dem Monat statt,
    wo man nicht da ist … Das ist so im Leben. Aber das be-
    kommst du erst in der nächsten Klasse. Nordlicht — ja …“
    „Ich denke es mir wundervoll. Ich habe mal als Kind im
    Konversationslexikon eins gesehn — das war überhaupt
    eine Welt für sich, das Lexikon, mit den kleinen Seiden-
    papierblättchen … Und da waren sie abgebildet, die Nord-
    lichter, ganz bunt und groß, sie sollen ja über den halben
    Himmel gehn. Ich glaube, ich hätte eine ungeheure Angst,
    wenn ich das mal sehe. Denk mal, große, bunte Lichter am
    Himmel! Wenn das nun herunterkommt! Und einem auf
    den Kopf fällt! Aber sehn möchte ich es schon mal …“
    Blaßblau wölbte sich der Himmel über uns; an einer
    Stelle des Horizonts ging er in tiefes Dunkelblau über, und
    da, wo die Sonne vorhin untergegangen war, leuchtete es
    gelbrosig, es schimmerte und blinkte nur noch ein wenig.
    „Lydia,“ sagte ich, „wollen wir uns ein Nordlicht machen?“ —
    „Na …“ — „Sieh mal,“ sagte ich, und deutete mit dem Fin-
    ger nach oben, „siehst du, siehst du — da — da ist es —!“
    Wir sahen beide fest nach oben — wir hielten uns an
    den Händen, Pulsschlag und Blutstrom gingen von einem
    zum andern. In diesem Augenblick hatte ich sie so lieb wie
    noch nie. Und da sahen wir unser Nordlicht.
    „Ja —“ sagte die Prinzessin, leise, damit sie es nicht ver-
    scheuchte. „Das ist ja wunderbar. Ganz hellgrün — und
    da — rosa! Und Kugelstreifen — und das da, ganz spitz-
    hoch … Sieh mal, sieh mal!“ Jetzt wagte sie es, schon
    lauter zu sprechen, denn nun leuchtete uns das Nordlicht
    wie wirklich. „Das sieht aus wie eine kleine Sonne“, sagte
    ich. „Und da, wie geronnene Milch, und da, weiße Zirrus-
    wölkchen … blau … ganz hellblau!“ — „Guck, und am
    Horizont geht es gewiß noch weiter — da ist alles ganz
    silbergrau. Daddy, ist das schön!“
    Wir standen still und sahen nach oben. Ein Wagen
    klapperte vorüber und schreckte uns auf. Der Bauer, der
    auf dem Bock saß und freundlich grüßte, sah nun auch
    nach oben, was es da wohl gäbe. Wir sahen erst ihn an,
    dann die Wiesen, die ein wenig kalt und grau dalagen. Wir
    lächelten, wie beschämt. Dann blickten wir wieder zum
    Himmel auf. Da war nichts. Er lag glatt, blau und halbhell.
    Da war nichts.
    „Peter …“ sagte die Prinzessin. „Peter …“
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    „Sagen Sie bitte, Frau Andersson,“ sagte ich zu der Schloß-
    dame, die uns einen schönen guten Abend bot, und ich
    sprach ihren Namen ‚Anderschon‘ richtig aus — „was
    mögen das für Kinder sein, denen wir vorhin begegnet
    sind? Da … da hinten … in den Wiesen?“ — „Ja, da sind
    viele Kinder. Das ist wohl Bauernjungen, die spielen da
    viele Gängen …“ — „Nein, nein. Es waren kleine Mäd-
    chen, sie gingen geordnet, wie ein Institut, eine Schule, so
    etwas …“ — „Eine Schule?“ Frau Andersson dachte nach.
    „Ah — das werden die von der Frau Adriani gewesen sein.
    Von Läggesta.“ Und sie deutete über den See, wo man weit,
    weit in einer Lichtung recht undeutlich ein großes Gebäude
    liegen sah. „Das ist ein Pensionat, das ist eine Kinderkolo-
    nie. Ja.“ Dazu machte sie ein Gesicht, wie ich es noch nie
    bei ihr gesehen hatte. Ich wurde neugierig. Man soll nie
    jemand nach dem fragen, was man wissen will, das ist eine
    alte Weisheit. Dann sagt ers nicht. „Da sind gewiß viele
    Kinder … wie?“ — „Ja, eine heile

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