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Schloß Gripsholm

Schloß Gripsholm

Titel: Schloß Gripsholm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Tucholsky
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diesen Fladen
    zu treten!“ — „Donnerschlag!“ — „Du sollst keines Flu-
    ches gebrauchen, Peter!“ sagte die Prinzessin salbungsvoll.
    „Das schickt sich nicht. Und nun legen wir uns woll ein
    büschen auf düsen Rasenplatz!“
    Da lagen wir …
    Der Wald rauscht. Der Wind zieht oben durch die Wip-
    fel, und ein ganz feiner Geruch steigt vom Boden auf, ein
    wenig säuerlich und frisch, moosig, und etwas Harz ist
    dabei.
    „Was hätte Arnold jetzt gesagt?“ fragte ich vorsichtig.
    Arnold war ihr erster; wenn die Prinzessin sehr guter
    Laune war, konnte man sie daran erinnern. Jetzt war sie
    guter Laune. „Er hätte nichts gesagt“, antwortete sie. „Er
    hatte auch nichts zu sagen, aber das habe ich erst sehr spät
    gemerkt.“ — „Also nicht klug?“ — „In meinem Papierkorb
    ist mehr Ordnung als in dem seinen Kopf! Er sprach wenig.
    Im Anfang hielt ich dieses Schweigen für sehr bedeutend;
    er war eben ein karger Schmuser. Das gibts.“ Schritte auf
    dem weichen Moos; ein kleiner Junge kam den Waldweg
    entlanggestolpert, er murmelte etwas vor sich hin … als
    er uns sah, schwieg er; er blickte zu den Bäumen auf und
    begann dann zu laufen.
    „Das wäre etwas für einen Staatsanwalt“, sagte ich. „Der
    würde in seiner Schläue einen ganzen Tatbestand aufbauen.
    Wahrscheinlich hat dieser Knabe aber nur Zahlen gebetet
    und sich geschämt, als er uns gesehn hat …“ — „Nein, es
    war so“, sagte die Prinzessin. Sie lag auf dem Rücken und
    erzählte zu den Wolken:
    „Ein Jung sall mal nan Koopmann gahn un Seip und
    Solt halen. Dor sä hei ümme vor sich hen: Seip un Solt …
    Seip und Solt … Hei sei över nich nah sin Feut, un so full
    he övern Bohnenstrang. Dunnersweer! Tran un Teer! sä
    he — un bleew nu uck bi Tran un Teer un köffte Tran und
    Teer … Peter! Peter! Wie ist es mit dem Leben! Erzähl
    schnell, wie es mit dem Leben ist! Nein, jetzt sage nicht
    wieder deine unanständigen Wörter … die weiß ich allein.
    Wie ist es? Jetzt gleich will ich es wissen!“ — Ich sog den
    bittern Geschmack aus einem trocknen Zweig mit Fichten-
    nadeln.
    „Erst habe ich gemerkt,“ sagte ich, „wie es ist. Und dann
    habe ich verstanden, warum es so ist — und dann habe
    ich begriffen, warum es nicht anders sein kann. Und doch
    möchte ich, daß es anders wird. Es ist eine Frage der Kraft.
    Wenn man sich selber treu bleibt …“
    Mit ihrem tiefsten Alt: „Nach den Proben an Treue, die
    du bei mir abgelegt hast …“
    „Ob es wohl möglich ist, mit einer Frau ernsthaft etwas
    zu bereden. Es ist nicht möglich. Und sowas hat nun das
    Wahlrecht!“
    „Das sagt der Chef auch immer. Was der jetzt wohl
    macht?“ „Er wird sich wahrscheinlich langweilen, aber sehr
    stolz sein, daß er in Abbazia ist. Dein Generalkonsul …“
    „Daddy … dein Literatenstolz ist auch nicht das richtige.
    Weißt du — manchmal denke ich so … der Mann ist doch
    immerhin etwas geworden. Sie haben ihm doch den Gene-
    ralkonsul und die Seife und den Safe und das alles nicht
    in die Wiege gelegt — und die Wiege, lieber Daddy … der
    Mann betont mir viel zu oft, daß er zeit seines Lebens in
    guten Verhältnissen gelebt hätte — also hat er nicht. Er
    hat wahrscheinlich allerhand Saures geschluckt, bis sie ihn
    an das Süße herangelassen haben. Na, nun schmatzt er …
    Was? Natürlich hat er das vergessen, das mit dem Sau-
    ern. Ach, das tun sie ja alle. Erinnerung — Junge, Erinne-
    rung … das ist ein alter Leierkasten. Die Leute haben doch
    heute ihr Grammophon! Wenn man nur mal rauskriegen
    könnte, wie so einer langsam was geworden ist — so einer
    wie der Chef — wie das so vor sich geht … Verheiratet
    ist er nicht … und wenn er eine Frau hätte, die könnte es
    einem ja auch nicht sagen, weil sie nichts gemerkt hat. Sie
    fände es selbstverständlich, und vom Aufstieg wollen sie ja
    alle nichts hören, weil sie damit zugeben würden, daß ihre
    Ahnen noch ohne Visier herumgelaufen sind. Aufstieg …
    das sagen sie bloß, wenn sie einem keine Gehaltserhöhung
    geben wollen.“ Also sprach die kluge Prinzessin Lydia und
    beendete ihre Rede mit einem herrlichen —
    Hier hatte die Prinzessin den Schluckauf.
    Dann wollte sie vom Boden hochgezogen werden; dann
    stand sie allein auf, mit einem schönen gymnastischen
    Schwung — und dann krochen wir langsam zurück durch
    den Wald. Wir standen uns nach Haus, an jeder Schneise
    blieben wir stehn und hielten große Reden; jeder tat so,

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