Schloß Gripsholm
diesen Fladen
zu treten!“ — „Donnerschlag!“ — „Du sollst keines Flu-
ches gebrauchen, Peter!“ sagte die Prinzessin salbungsvoll.
„Das schickt sich nicht. Und nun legen wir uns woll ein
büschen auf düsen Rasenplatz!“
Da lagen wir …
Der Wald rauscht. Der Wind zieht oben durch die Wip-
fel, und ein ganz feiner Geruch steigt vom Boden auf, ein
wenig säuerlich und frisch, moosig, und etwas Harz ist
dabei.
„Was hätte Arnold jetzt gesagt?“ fragte ich vorsichtig.
Arnold war ihr erster; wenn die Prinzessin sehr guter
Laune war, konnte man sie daran erinnern. Jetzt war sie
guter Laune. „Er hätte nichts gesagt“, antwortete sie. „Er
hatte auch nichts zu sagen, aber das habe ich erst sehr spät
gemerkt.“ — „Also nicht klug?“ — „In meinem Papierkorb
ist mehr Ordnung als in dem seinen Kopf! Er sprach wenig.
Im Anfang hielt ich dieses Schweigen für sehr bedeutend;
er war eben ein karger Schmuser. Das gibts.“ Schritte auf
dem weichen Moos; ein kleiner Junge kam den Waldweg
entlanggestolpert, er murmelte etwas vor sich hin … als
er uns sah, schwieg er; er blickte zu den Bäumen auf und
begann dann zu laufen.
„Das wäre etwas für einen Staatsanwalt“, sagte ich. „Der
würde in seiner Schläue einen ganzen Tatbestand aufbauen.
Wahrscheinlich hat dieser Knabe aber nur Zahlen gebetet
und sich geschämt, als er uns gesehn hat …“ — „Nein, es
war so“, sagte die Prinzessin. Sie lag auf dem Rücken und
erzählte zu den Wolken:
„Ein Jung sall mal nan Koopmann gahn un Seip und
Solt halen. Dor sä hei ümme vor sich hen: Seip un Solt …
Seip und Solt … Hei sei över nich nah sin Feut, un so full
he övern Bohnenstrang. Dunnersweer! Tran un Teer! sä
he — un bleew nu uck bi Tran un Teer un köffte Tran und
Teer … Peter! Peter! Wie ist es mit dem Leben! Erzähl
schnell, wie es mit dem Leben ist! Nein, jetzt sage nicht
wieder deine unanständigen Wörter … die weiß ich allein.
Wie ist es? Jetzt gleich will ich es wissen!“ — Ich sog den
bittern Geschmack aus einem trocknen Zweig mit Fichten-
nadeln.
„Erst habe ich gemerkt,“ sagte ich, „wie es ist. Und dann
habe ich verstanden, warum es so ist — und dann habe
ich begriffen, warum es nicht anders sein kann. Und doch
möchte ich, daß es anders wird. Es ist eine Frage der Kraft.
Wenn man sich selber treu bleibt …“
Mit ihrem tiefsten Alt: „Nach den Proben an Treue, die
du bei mir abgelegt hast …“
„Ob es wohl möglich ist, mit einer Frau ernsthaft etwas
zu bereden. Es ist nicht möglich. Und sowas hat nun das
Wahlrecht!“
„Das sagt der Chef auch immer. Was der jetzt wohl
macht?“ „Er wird sich wahrscheinlich langweilen, aber sehr
stolz sein, daß er in Abbazia ist. Dein Generalkonsul …“
„Daddy … dein Literatenstolz ist auch nicht das richtige.
Weißt du — manchmal denke ich so … der Mann ist doch
immerhin etwas geworden. Sie haben ihm doch den Gene-
ralkonsul und die Seife und den Safe und das alles nicht
in die Wiege gelegt — und die Wiege, lieber Daddy … der
Mann betont mir viel zu oft, daß er zeit seines Lebens in
guten Verhältnissen gelebt hätte — also hat er nicht. Er
hat wahrscheinlich allerhand Saures geschluckt, bis sie ihn
an das Süße herangelassen haben. Na, nun schmatzt er …
Was? Natürlich hat er das vergessen, das mit dem Sau-
ern. Ach, das tun sie ja alle. Erinnerung — Junge, Erinne-
rung … das ist ein alter Leierkasten. Die Leute haben doch
heute ihr Grammophon! Wenn man nur mal rauskriegen
könnte, wie so einer langsam was geworden ist — so einer
wie der Chef — wie das so vor sich geht … Verheiratet
ist er nicht … und wenn er eine Frau hätte, die könnte es
einem ja auch nicht sagen, weil sie nichts gemerkt hat. Sie
fände es selbstverständlich, und vom Aufstieg wollen sie ja
alle nichts hören, weil sie damit zugeben würden, daß ihre
Ahnen noch ohne Visier herumgelaufen sind. Aufstieg …
das sagen sie bloß, wenn sie einem keine Gehaltserhöhung
geben wollen.“ Also sprach die kluge Prinzessin Lydia und
beendete ihre Rede mit einem herrlichen —
Hier hatte die Prinzessin den Schluckauf.
Dann wollte sie vom Boden hochgezogen werden; dann
stand sie allein auf, mit einem schönen gymnastischen
Schwung — und dann krochen wir langsam zurück durch
den Wald. Wir standen uns nach Haus, an jeder Schneise
blieben wir stehn und hielten große Reden; jeder tat so,
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