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Schloß Gripsholm

Schloß Gripsholm

Titel: Schloß Gripsholm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Tucholsky
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haben aber keins. Die alten Burggrafen haben offenbar
    an chronischer Verstopfung gelitten!“ — „Falsch,“ lehrte
    ich, „falsch und ungebildet. Sie setzten sich zu diesem Be-
    hufe auf kleine Örtlichkeiten, die es hier natürlich auch
    gegeben hat, und diese Örtlichkeiten gingen in den Schloß-
    graben, wenn aber sie belagert wurden, und es kam der
    böse Feind, dann …“ — „Nunmehr ist es wohl an der Zeit,
    daß wir dich waschen. Du Ferkel!“ — Und wir spazierten in
    unsre Wohnung, vorüber an der maßlos erstaunten Wirtin,
    die sicherlich dachte, ich wäre in den Branntwein gefallen.
    Bürstung, Waschung, frischer Kragen, prüfende Blicke der
    Prinzessin, dreimal zurück, weil immer noch etwas kleben
    geblieben war. „Wen ärgern wir nun?“ — „Schetzt kommst
    du mich aber raus. Nichs as Dummheiten hat diesen Kierl
    innen seinen Kopf. Un das will ’n iernsten Mann sein!“ —
    „Will nicht … Muß. Muß.“ Wir traten ins Freie.
    Weiter hinten stand ein kleiner Pavillon; darin saß die
    Autogesellschaft und trank Kaffee. Wir schlenderten vor-
    über und sprachen lustig miteinander. Der jüngere Mann
    stand auf und kam auf uns zu. „Die Herrschaften sind
    Deutsche …?“ — „Ja“, sagten wir. „So … vielleicht … wenn
    Sie an unserm Tisch Platz nehmen wollten …?“ Der Dicke
    erhob sich. „Teichmann“, sagte er. „Direktor Teichmann.
    Meine Frau. Meine Nichte, Fräulein Papst. Herr Klarierer.“
    Nun mußte ich auch etwas sagen, denn dies ist die Sitte
    unsres Landes. „Sengespeck“, sagte ich. „Und meine Frau.“
    Worauf wir uns setzten und die Prinzessin mir unterm
    Tisch an die Schienenbeine trat. Kaffeegeschlürf. Tellerge-
    klapper. Kuchen.
    „Sehr hübsch hier — Sie sind wohl auch zur Besichti-
    gung hier?“ — „Ja.“ — „Reizend. Sehr interessant.“ Pause.
    „Sagen Sie … ist das Schloß eigentlich bewohnt?“ Die
    Prinzessin trat heftig. „Nein“, sagte ich. „Ich glaube nicht.
    Nein. Sicher nicht.“ — „So … wir dachten …“ — „Warum
    fragen Sie?“ Die Gesellschaft wechselte untereinander be-
    deutungsvolle Blicke. „Wir dachten nur … wir hatten da
    oben in dem einen Raum jemand sprechen hören — aber so
    eigentümlich, mehr wie ein Hund oder ein wildes Tier …“ —
    „Nein,“ sagte ich, „nach allem, was ich weiß: Tiere wohnen
    in dem Schloß gar nicht. Fast gar nicht.“ Pause.
    „Überhaupt … ,“ sagte Herr Direktor Teichmann und
    sah sich um, „hier ist nichts los! Finden Sie nicht auch?“ —
    Wir bestätigten, daß hier nichts los wäre. „Wissen Sie,“
    sagte der Direktor, „wenn man sich wirklich amüsieren
    will: da gibts ja nur Berlin. Oder Paris. Aber sonst nur
    Berlin. Is doch ’n andrer Zuch. Was?“ — „Hm —“ mach-
    ten wir. „Ich finde es hier auch gar nicht elegant!“ sagte
    Frau Direktor Teichmann. Und Fräulein Papst: „Ich habe
    mir das ganz anders vorgestellt.“ Und Herr Klarierer: „Wo
    gehn wir denn heute abend in Stockholm hin?“ Frau Di-
    rektor Teichmann aber wollte nirgends mehr hingehn; sie
    hätte sich vorhin so aufgeregt, im Schloß … Inzwischen
    hatte mir die Prinzessin einen Ring abgedreht, einen Man-
    schettenknopf aufgemacht, alles unter dem Tisch — und
    ich fand, es sei nun genug. Denn wer weiß, was sie sonst
    noch … Und wir verabschiedeten uns, weil wir im Ort
    eine Verabredung hätten. „Fahren Sie nachher auch nach
    Stockholm?“ — Nein, wir bedauerten.
    Wir bedauerten noch, als wir draußen auf den Wiesen
    standen und uns freuten: daß wir nicht nach Stockholm
    fahren mußten, daß wir in Schweden waren, daß wir Ur-
    laub hatten … „Was kommt da?“ sagte die Prinzessin, die
    Augen hatte wie ein Luchs. Durch die Wiesen bewegte sich
    eine dünne Reihe kleiner Gestalten, auf einem schmalen
    Wege. „Was ist das — ?“
    Es kam näher.
    Kinder waren es, kleine Mädchen, artig aufgereiht, wie
    Perlchen an der Schnur, immer zwei zu zwei. Eine her-
    risch aussehende Person ging an ihrer Spitze, sah sich öf-
    ter um — keines sprach. Nun waren sie nahe bei uns, wir
    traten beiseite und ließen den Zug vorüber. Die Führer-
    person warf uns einen glitzernden Blick zu. Die Kinder
    trappelten dahin. Wir sprachen nicht, als sie vorbeizogen.
    Ganz zum Schluß ging ein Kind allein; es ging, wie wenn
    es von jemandem gezogen würde, es hatte verweinte Au-
    gen, schluckte manchmal im Gehen vor sich hin, aber es
    weinte nicht. Sein Gesicht war auch nicht

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