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Schloß Gripsholm

Schloß Gripsholm

Titel: Schloß Gripsholm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Tucholsky
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Hochdeutsche um, wie es
    ihr paßte — denn vom Missingschen gibt es hundert und
    aber hundert Abarten, von Friesland über Hamburg bis
    nach Pommern; da hat jeder kleine Ort seine Eigenheiten.
    Philologisch ist dem sehr schwer beizukommen; aber mit
    dem Herzen ist ihm beizukommen. Das also sprach die
    Prinzessin — ah, nicht alle Tage! Das wäre ja unerträglich
    gewesen. Manchmal, zur Erholung, wenn ihr grade so zu
    Mut war, sprach sie missingsch; sie sagte darin die Dinge,
    die ihr besonders am Herzen lagen, und daneben hatte sie
    im Lauf der Zeit schon viel von Berlin angenommen. Wenn
    sie ganz schnell „Allmächtiger Braten!“ sagte, dann wußte
    man gut Bescheid. Aber mitunter sprach sie doch ihr Platt,
    oder eben jenes halbe Platt: missingsch.
    Das weiß ich noch wie heute … Das war, als wir uns
    kennenlernten. Ich war damals zum Tee bei ihr und bot
    den diskret lächerlichen Anblick eines Mannes, der balzt.
    Dabei sind wir ja rechtschaffen komisch … Ich machte
    Plüschaugen und sprach über Literatur — sie lächelte. Ich
    erzählte Scherze und beleuchtete alle Schaufenster meines
    Herzens. Und dann sprachen wir von der Liebe. Das ist
    wie bei einer bayerischen Rauferei — die raufen auch erst
    mit Worten.
    Und als ich ihr alles auseinandergesetzt hatte, alles,
    was ich im Augenblick wußte, und das war nicht wenig,
    und ich war so stolz, was für gewagte Sachen ich da ge-
    sagt hatte, und wie ich das alles so genau und brennendrot
    dargestellt und vorgeführt hatte, in Worten, so daß nun
    eigentlich der Augenblick gekommen war, zu sagen: „Ja,
    also dann …“ — da sah mich die Prinzessin lange an. Und
    sprach:
    „Einen weltbefohrnen dschungen Mann — !“
    Und da war es aus. Und ich fand mich erst viel später
    bei ihr wieder, immer noch lachend, und mit der eroti-
    schen Weihe war es nichts geworden. Aber mit der Liebe
    war es etwas geworden.
    Der Zug hielt.
    Die Prinzessin fuhr auf, öffnete die Augen. „Wo sind
    wir?“ — „Es sieht aus wie Stolp oder Stargard — jeden-
    falls ist es etwas mit St“, sagte ich. „Wie sieht es noch
    aus?“ fragte sie. „Es sieht aus,“ sagte ich und blickte auf
    die Backsteinhäuschen und den trübsinnigen Bahnhof,
    „wie wenn hier die Unteroffiziere geboren werden, die ihre
    Mannschaften schinden. Möchtest du hier Mittag essen?“
    Die Prinzessin schloß sofort die Augen. „Lydia,“ sagte ich,
    „wir können auch im Speisewagen essen, der Zug hat ei-
    nen.“ — „Nein“, sagte sie. „Im Speisewagen werden die
    Kellner immer von der Geschwindigkeit des Zuges ange-
    steckt, und es geht alles so furchtbar eilig — ich habe aber
    einen langsamen Magen …“ — „Gut. Was liest du da übri-
    gens, Alte?“ — „Ich schlafe seit zwei Stunden auf einem
    mondänen Roman. Der einzige Körperteil, mit dem man
    ihn lesen kann …“ und dann machte sie die Augen wieder
    zu. Und wieder auf. „Guck eins … die Frau da! Die is aber
    misogyn!“ — „Was ist sie?“ — „Misogyn … heißt das nicht
    miekrig? Nein, das habe ich mit den Pygmäen verwech-
    selt; das sind doch diese Leute, die auf Bäumen wohnen …
    wie?“ Und nach dieser Leistung entschlummerte sie aufs
    neue, und wir fuhren, lange, lange. Bis Warnemünde.
    Da war der ‚Strom‘. So heißt hier die Warne — war
    es die Warne? Peene, Swine, Dievenow … oder hieß der
    Fluß anders? Es stand nicht dran. Mit Karlchen und Ja-
    kopp hatte ich der Einfachheit halber erfunden, jeder Stadt
    den ihr zugehörigen Fluß zu geben: Gleiwitz an der Gleiwe,
    Bitterfeld an der Bitter und so fort.
    Hier am Strom lagen lauter kleine Häuser, eins beinah
    wie das andre, windumweht und so gemütlich. Segelboote
    steckten ihre Masten in die graue Luft, und beladene Kähne
    ruhten faul im stillen Wasser. „Guck mal, Warnemünde!“
    „Diß kenn ich scha denn nu doch wohl bißchen besser
    als du. Harre Gott, nein … Da ische den Strom, da bin ich
    sozusagen an groß gieworn! Da wohnt scha Korl Düsig un
    min oll Wiesendörpsch, und in das nüdliche lütte Haus, da
    wohnt Tappsier Kröger, den sind solche netten Menschen,
    as es auf diese ausgeklürte Welt sons gahnich mehr gibt …
    Und das is Zenater Eggers sin Hus, Dree Linden. Un sieh
    mal: das alte Haus da mit den schönen Barockgiebel —
    da spükt es in!“ — „Auf plattdeutsch?“ fragte ich. „Du
    büschan ganzen mongkanten Mann; meins, den warne-
    münder Giespenster spüken auf hochdeutsch rum — nee,
    allens, was Recht

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