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Schloß Gripsholm

Schloß Gripsholm

Titel: Schloß Gripsholm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Tucholsky
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sie
    untreu seien, dann seien sie es mit leichtsinnigem Bedacht.
    Beinah jede zweite Frau aber hätte einen Beruf. Und sie re-
    gierten das Land ohne Stimmrecht — aber eben nicht mit
    den Beinen, sondern durch ihre Vernunft. Und sie seien
    liebenswürdige Mathematik und hätten ein vernünftiges
    Herz, das manchmal mit ihnen durchginge, doch pfiffen
    sie es immer wieder zurück. Ich verstände sie nicht ganz.
    „Es scheinen Frauen zu sein“, sagte Lydia.
    Die Fähre schaukelte nicht grade — sie deutete das nur
    an. Auch ich deutete etwas an, und die Prinzessin befahl
    mich in den Speiseraum. Da saßen sie und aßen, und mir
    wurde gar nicht gut, als ich das sah — denn sie essen viel
    Fettes in Dänemark, und dieses war eine dänische Fähre.
    Die Herrschaften aßen zur Zeit: Spickaal und Hering, He-
    ringsfilet, eingemachten Hering, dann etwas, was sie ‚sild‘
    nannten, ferner vom Baum gefallenen Hering und Hering
    schlechthin. Auf festem Land eins immer besser als das
    andre. Und dazu tranken sie jenen herrlichen Schnaps, für
    den die nordischen Völker, wie sie da sind, ins Himmel-
    reich kommen werden. Die Prinzessin geruhte zu speisen.
    Ich sah ehrfürchtig zu; sie war eßfest. „Du nimmst gar
    nichts?“ fragte sie zwischen zwei Heringen. Ich sah die
    beiden Heringe an, die beiden Heringe sahen mich an, wir
    schwiegen alle drei. Erst als die Fähre landete, lebte ich
    wieder auf. Und die Prinzessin strich mir leise übers Knie
    und sagte ehrfürchtig: „Du bischa meinen kleinen Klaus
    Störtebeker!“ und ich schämte mich sehr.
    Und dann ruckelten wir durch Laaland, das dalag, flach
    wie ein Eierkuchen, und wir kramten in unsern Zeitun-
    gen, und dann spielten wir das Bücherspiel: jeder las dem
    andern abwechselnd einen Satz aus seinem Buch vor, und
    die Sätze fügten sich gar schön ineinander. Die Prinzessin
    blätterte die Seiten um, ich sah auf ihre Hände … sie hatte
    so zuverlässige Hände. Einmal stand sie im Gang und sah
    zum Fenster hinaus, und dann ging sie fort, und ich sah
    sie nicht mehr. Ich tastete nach ihrem Täschchen, es war
    noch warm von ihrer Hand. Ich streichelte die Wärme.
    Und dann setzten sie uns wieder über ein Meerwasser,
    und dann rollten wir weiter, und dann — endlich! end-
    lich! — waren wir in Kopenhagen.
    „Wenn wir nach hinten heraus wohnen,“ sagte ich im
    Hotel, „dann riecht es nach Küche, und außerdem muß
    noch vom vorigen Mal ein besoffener Spanier da sein, der
    komponiert sich seins auf dem Piano, und das macht er
    zehn Stunden lang täglich. Wenn wir aber nach vorne her-
    aus wohnen, dann klingelt da alle Viertelstunde die Rat-
    hausuhr und erinnert uns an die Vergänglichkeit der Zeit.“
    „Könnten wir nicht in der Mitte … ich meine …“ Wir
    wohnten also nach dem Rathausplatz zu, und die Uhr klin-
    gelte, und es war alles sehr schön.
    Lydia pickte auf ihrem Teller herum, mir sah sie be-
    wundernd zu. „Du frißt …“ sagte sie freundlich. „Ich habe
    schon Leute gesehen, die viel gegessen haben — und auch
    Leute, die schnell gegessen haben … aber so viel und so
    schnell …“ — „Der reine Neid —“ murmelte ich und fiel
    in die Radieschen ein. Es war kein feines Abendessen, aber
    es war ein nahrhaftes Abendessen.
    Und als sie sich zum Schlafen wendete und grade die
    Rathausuhr geklingelt hatte, da sprach sie leise, wie zu
    sich selbst:
    „Jetzt auf See. Und dann so ein richtig schaukelndes
    Schiff. Und dann eine Tasse warmes Maschinenöl …“ Und
    da mußte ich aufstehn und viel Selterwasser trinken.
    4
    Ja, Kopenhagen.
    „Soll ich dir das Fischrestaurant zeigen, in dem Luden-
    dorff immer zu Mittag gegessen hat, als er noch eine Denk-
    malsfigur war?“ — „Zeig es mir … nein, gehen wir lieber
    auf Lange Linie!“ — Wir sahen uns alles an: den Tivolipark
    und das schöne Rathaus und das Thorwaldsen-Museum, in
    dem alles so aussieht, wie wenn es aus Gips wäre. „Lydia!“
    rief ich, „Lydia! Beinah hätt ich es vergessen! Wir müssen
    uns das Polysandrion ansehn!“ — „Das … was?“ — „Das
    Polysandrion! Das mußt du sehn. Komm mit.“ Es war ein
    langer Spaziergang, denn dieses kleine Museum lag weit
    draußen vor der Stadt.
    „Was ist das?“ fragte die Prinzessin.
    „Du wirst ja sehn“, sagte ich. „Da haben sich zwei Bal-
    ten ein Haus gebaut. Und der eine, Polysander von Kuckers
    zu Tiesenhausen, ein baltischer Baron, vermeint, malen zu
    können. Das kann er aber nicht.“ — „Und

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