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Schloß Gripsholm

Schloß Gripsholm

Titel: Schloß Gripsholm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Tucholsky
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deshalb gehn wir
    so weit?“ — „Nein, deshalb nicht. Er kann also nicht ma-
    len, malt aber doch — und zwar malt er immerzu dasselbe,
    seine Jugendträume: Jünglinge … und vor allem Schmet-
    terlinge.“ — „Ja, darf er denn das?“ fragte die Prinzessin.
    „Frag ihn … er wird da sein. Wenn er sich nicht zeigt, dann
    erklärt uns sein Freund die ganze Historie. Denn erklärt
    muß sie werden. Es ist wundervoll.“ — „Ist es denn wenig-
    stens unanständig?“ — „Führte ich dich dann hin, mein
    schwarzes Glück?“
    Da stand die kleine Villa — sie war nicht schön und
    paßte auch gar nicht in den Norden; man hätte sie viel
    eher im Süden, in Oberitalien oder dortherum vermutet …
    Wir traten ein.
    Die Prinzessin machte große Kulleraugen, und ich sah
    das Polysandrion zum zweiten Mal.
    Hier war ein Traum Wahrheit geworden — Gott behüte
    uns davor! Der brave Polysander hatte etwa vierzig Qua-
    dratkilometer teurer Leinwand vollgemalt, und da standen
    und ruhten nun die Jünglinge, da schwebten und tanzten
    sie, und es war immer derselbe, immer derselbe. Blaßrosa,
    blau und gelb; vorn waren die Jünglinge, und hinten war
    die Perspektive.
    „Die Schmetterlinge!“ rief Lydia und faßte meine Hand.
    „Ich flehe dich an,“ sagte ich, „nicht so laut! Hinter uns
    kriecht die Aufwärterin herum, und die erzählt nachher
    alles dem Herrn Maler. Wir wollen ihm doch nicht weh
    tun.“ Wirklich: die Schmetterlinge. Sie gaukelten in der ge-
    malten Luft, sie hatten sich auf die runden Schultern der
    Jünglinge gesetzt, und während wir bisher geglaubt hatten,
    Schmetterlinge ruhten am liebsten auf Blüten, so erwies
    sich das nun als ein Irrtum: diese hier saßen den Jünglin-
    gen mit Vorliebe auf dem Popo. Es war sehr lyrisch.
    „Nun bitte ich dich …“ sagte die Prinzessin. „Still!“ sagte
    ich. „Der Freund!“ Es erschien der Freund des Malers, ein
    ältlicher, sympathisch aussehender Mann; er war bravbür-
    gerlich angezogen, doch schien es, als verachtete er die
    grauen Kleider unseres grauen Jahrhunderts, und der An-
    zug vergalt ihm das. Er sah aus wie ein Ephebe a. D. Mur-
    melnd stellte er sich vor und begann zu erklären. Vor einem
    Jüngling, der stramm mit Schwert und Schmetterling da-
    stand und die Rechte wie zum Gruß an sein Haupt gelegt
    hatte, sprach der Freund in schönstem baltischem Tonfall,
    singend und mit allen rollenden Rrrs: „Was Sie hier sehn,
    ist der völlich verjäistichte Militarrismus!“ Ich wendete
    mich ab — vor Erschütterung. Und wir sahen tanzende
    Knaben, sie trugen Matrosenanzüge mit Klappkragen, und
    ihnen zu Häupten hing eine kleine Lampe mit Bommel-
    fransen, solch eine, wie sie in den Korridoren hängen — :
    ein möbliertes Gefilde der Seligen. Hier war ein Paradies
    aufgeblüht, von dem so viele Seelenfreunde des Malers ein
    Eckchen in der Seele trugen; ob es nun die ungerechte Ver-
    folgung war oder was immer: wenn sie schwärmten, dann
    schwärmten sie in sanftem Himmelblau, sozusagen blausa.
    Und taten sich sehr viel darauf zugute. Und an einer Wand
    hing die Fotografie des Künstlers aus seiner italienischen
    Zeit; er war nur mit Sandalen und einem Hoihotoho-Speer
    bekleidet. Man trug also Bauch in Capri.
    „Da bleibt einem ja die Luft weg!“ sagte die Prinzessin,
    als wir draußen waren. „Die sind doch keineswegs alle
    so …?“ — „Nein, die Gattung darf man das nicht entgel-
    ten lassen. Das Haus ist ein stehengebliebenes Plüschsofa
    aus den neunziger Jahren; keineswegs sind sie alle so. Der
    Mann hätte seine Schokoladenbildchen gradesogut mit
    kleinen Feen und Gnomen bevölkern können … Aber
    denk dir nur mal ein ganzes Museum mit solch realisierten
    Wunschträumen — das müßte schön sein!“
    „Und dann ist es so … blutärmlich!“ sagte die Prinzes-
    sin. „Na, jeder sein eigner Unterleib! Und daraufhin wol-
    len wir wohl einen Schnaps trinken!“ Das taten wir.
    Stadt und Straßen … der große Tiergarten, der dem
    König gehört und in dem die wilden zahmen Hirsche her-
    umlaufen und sich, wenn es ihnen grade paßt, am Hals
    krauen lassen, und so hohe, alte Bäume …
    Abfahrt. „Wie wird das eigentlich mit der Sprache?“
    fragte die Prinzessin, als wir im Zug nach Helsingör sa-
    ßen. „Du warst doch schon mal da. Sprichst du denn nun
    gut schwedisch?“ — „Ich mache das so“, sagte ich. „Erst
    spreche ich deutsch, und wenn sie das nicht verstehn, eng-
    lisch, und wenn sie das nicht

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