Schlossblick: Kollers fünfter Fall (German Edition)
Schüler merken,
dass der Typ dort vorn lebt, was er ist, fressen sie dir aus der Hand. Moment mal.«
An mir vorbei blickend, richtete er sich langsam auf. Dann warf er die Säge zur
Seite und spurtete los, Richtung Schulhof.
Überrascht drehte ich mich um. Wen oder was hatte Steve gesehen? Vielleicht
einen Passanten in der Seitenstraße, die hinter dem Schulgebäude entlang führte.
Oder drückte er sich bloß vor der Arbeit? Erst den tätowierten dicken Max markieren
und dann kneifen! Von wegen Authentizität! Authentisch war nur ich, der echte Max,
im verzweifelten Kampf gegen einen übermächtigen Gegner. Ja, sollten sie es hinter
ihren Doppelglasscheiben nur sehen, wie ich mir den Schweiß von der Stirn wischte
und die Ärmel hochkrempelte. Max gibt alles!
Als Steve zurückkehrte, hatte ich den zweiten Wurzelast durchtrennt
und eine Blase an der Hand. Er kam nicht allein. In seinem Schlepptau befand sich
ein zappliger junger Kerl, spindeldürr, dafür eine dicke Goldkette und in die Höhe
gegeltes Haar – und der Begriff ›Schlepptau‹ war wörtlich zu nehmen, denn freiwillig
wäre der Knabe nie und nimmer mitgekommen, das sah man ihm an.
»Wir haben Besuch«, verkündete Steve. »Mein Freund
Brutsch will uns unbedingt helfen, die Wurzel aus dem Boden zu kriegen. Gar nicht
abhalten lässt er sich, stimmt’s?«
»Ey, ich hab’s im Rücken«, wand sich der Dürre. Sein pickliges Gesicht
hing regelrecht schief vor verzweifeltem Grinsen. »Voll im Rücken, Herr Bungert,
ich schwör. Der Doktor hat gesagt, ich darf nix Schweres arbeiten.«
»Wer spricht denn von Arbeit?«, rief der Lehrer und warf ihm einen
Spaten zu. »Das hier ist Krafttraining! Super Bandscheibengymnastik, bekommst du
von keiner Krankenkasse verschrieben. Ich schwör!«
»Echt, ich muss aufpassen.«
»Unser Brutsch hat nämlich noch einiges gutzumachen an seiner alten
Schule«, erläuterte Steve. »Deshalb schaut er gern mal vorbei, um zu sehen, ob es
was zu helfen gibt. Stimmt doch, Brutsch, oder? Nur deswegen bist du gekommen und
nicht wegen anderer Sachen, ja? Also los, mach mal das Erdreich überall locker.
Anschließend hebeln wir das Teil gemeinsam raus.«
»Andere Sachen?«, fragte ich. »Was für andere Sachen könnten das sein?«
»Gar nix«, errötete der Junge.
»Genau, gar nix«, echote Steve. »Spaten, marsch!«
Brutsch, erneut mit falschem Grinsen zwischen den Mundwinkeln, begann
wahllos im Boden herumzustochern. Der Kerl war ja noch mehr Hänfling als ich! Steve
Bungert mochte es verstehen, die Massen einzuspannen. Dafür haperte es an der Qualität
seiner Arbeitssklaven.
»Der Brutsch kannte den Schallmo auch«, fuhr Steve fort, die Säge wieder
zur Hand. »War sogar euer Klassenlehrer, richtig?«
Brutsch nickte.
»Dann erzähl dem Herrn Koller mal, wie ihr beiden euch verstanden habt,
du und der Schallmo.«
»Gut«, murmelte der Junge und kratzte sich am Kopf.
»Wie bitte? Bisschen lauter, mein Freund!«
»Gut, Herr Bungert.«
»Ja, so gut, dass du ihm mal eine gelangt hast!«
»Das war ein Versehen.« Brutsch griente mich an. »Hab mich auch entschuldigt
und einen blauen Brief bekommen.«
Steve hielt in seiner Arbeit inne. »Ein Versehen?«
»Ja, blöd war das. Wenn der Typ nicht …«
»Verdammt, mach weiter!«, herrschte ihn Steve an. »Sonst unterläuft mir gleich ein Versehen. Na also, geht doch.« Er trat einen Schritt zur Seite,
weil Brutsch wie ein Wilder Erde wegzuräumen begann.
»Thorsten Schallmo bekam vor Kurzem eins aufs Auge«, warf ich ein.
»Er fehlte sogar einen Tag in der Schule.«
»Das war ich nicht!«, rief Brutsch, kurz innehaltend. »Ehrlich, ich
hab damit nix zu tun!«
»Sondern wer?«
»Keine Ahnung. Bin doch nicht mehr auf der Schule.«
»Du denkst also gleich an Schüler als Täter?«
»Sie doch auch.«
»Nun hör mal auf, so herumzufuchteln«, sagte Steve, »und warte, bis
wir die letzten beiden Äste durchgesägt haben. Danach geht es ans Rauswuchten.«
»Kann ich vielleicht vorher verschwinden, Herr Bungert? Ich hätte da
noch einen Termin, einen wichtigen.«
»Erst muss der Herr Koller erfahren, wie es zu der versehentlichen
Ohrfeige kommen konnte.« Steve beugte sich über die Wurzel und setzte die Säge an.
»Wollte der Schallmo nicht deine Taschen durchsuchen?«
»Meine Taschen? Nee, kann ich mich nicht erinnern.«
»Ich aber. Ganz genau sogar. Ich weiß auch noch, was er darin zu finden
glaubte.«
»Nee, also das … Da war ja nix zu finden.«
»Weil du
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