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Schlossblick: Kollers fünfter Fall (German Edition)

Schlossblick: Kollers fünfter Fall (German Edition)

Titel: Schlossblick: Kollers fünfter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbsweiler
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versuchen, das Ding
frei zu wuchten. Das Herausheben ist dann nur noch ein Klacks.«
    »Echt?« Was am Heben eines mannsdicken Baumstumpfs mit gigantischer
Wurzel ein Klacks sein sollte, erschloss sich mir nicht.
    »Sei froh, dass es ein Ahorn ist und keine Buche. Also, du hier, ich
auf der anderen Seite.«
    »Wird gemacht, Chef.« Ich stieg in die Vertiefung herab und setzte
die Säge an. Vielleicht ging es leichter, wenn ich mir vorstellte, bei der Wurzel
handle es sich um Herberts linken Arm.
    Auf Steves Seite flogen bereits die Späne. »Und, Max, was willst du
nun wissen?«
    »Nichts Besonderes. Ob ihr bei euch im Lehrerzimmer ein Tattoostudio
habt zum Beispiel.«
    Er grinste. »Sagen wir mal so: Beim Einstellungsgespräch kam ich in
langen Ärmeln. Aber bei den Schülern hilft es enorm.«
    Apropos. Hinter den Fenstern im Erdgeschoss der Schule rührte sich
etwas. Dort lagen Klassenräume, in denen unterrichtet wurde. Kinderköpfe drehten
sich zu uns, weiter hinten sitzende Schüler erhoben sich, um einen Blick auf uns
zu erhaschen. Das Grinsen und Feixen nahm kein Ende.
    »Muss das sein?«, moserte ich und wandte dem Publikum meinen Rücken
zu. »Wenn ich hier schon gegen jede Begabung eingesetzt werde, brauche ich nicht
auch noch Zeugen.«
    »Aber gerade darum geht es doch. Was meinst du, wie du gerade in der
Achtung der Kids steigst? Dass jemand quatschen und anpacken kann, ist für
die eine echte Sensation.«
    »Deshalb holst du die Wurzel während des Unterrichts aus dem Boden?«
    »Logisch. Alles andere wäre vergeudete Zeit. Zu irgendetwas muss der
Scheißbaum doch nutze sein. Wenn wir gedurft hätten, hätten wir ihn eigenhändig
umgesägt. Unter Beteiligung der gesamten Schule.« Mit dem Handrücken fuhr er sich
über die Stirn. »Wir mussten eine Firma kommen lassen, die uns den Kaventsmann schön
säuberlich in drei Teile zerlegt hat. Dann durften die Schüler ran. Die unteren
Klassen bekamen die Zweige, die mittleren die Äste und die Großen den Stamm.«
    »Durften ran?«, fragte ich zweifelnd.
    »Du weißt doch, wie es läuft. Am Anfang nörgeln alle und verdrehen
die Augen, aber sobald sich der Erste getraut hat, ist das Eis gebrochen. Außerdem
gab es Bonuspunkte fürs Zeugnis. Die Kids rissen sich schier darum zu helfen.«
    Schade, dass ich keine Bonuspunkte zu verteilen hatte. Ein paar Helfer
hätte ich gut gebrauchen können. Mein Wurzelarm war viel widerspenstiger als der
Steves. Wetterseite wahrscheinlich. Man kam auch schlecht ran, weil alles noch halb
mit feuchter Erde bedeckt war.
    »Können wir mal die Sägen tauschen?«, schlug ich vor. »Meine ist so
was von stumpf.«
    Steve reichte mir seine. »Du warst in Schallmos Klasse, habe ich gehört.«
    »Ach, hast du? Von eurer Rektorin?«
    »Nö, Schulhoftalk.« Verdammt, jetzt nahm sich der Kerl schon den dritten
Ast vor! Der Sägentausch hatte sich nicht gelohnt, mit der neuen ging es eher noch
schlechter. Jetzt bloß keinen Blick über die Schulter, zu den Grimassen am Fenster.
    »Ich wollte mir ein Bild machen«, sagte ich. »Bei den Schülern war
Schallmo nicht gerade beliebt, stimmt’s?«
    »Mäßig.«
    »Und was war dein Eindruck von ihm?«
    »Derselbe.«
    »Das heißt?«
    Steve richtete sich auf. »Schallmo war kein übler Typ. Er hätte bloß
nicht Lehrer werden sollen. Irgendein Job in der freien Wirtschaft, im Sport oder
dort, wo man was verkaufen muss. Smalltalk, kleine Gesten unter vier Augen, zwischen
den Zeilen lesen: Das war sein Ding. Aber nicht vor jungen Menschen stehen, die
ein Vorbild brauchen.«
    »Du meinst, das war er nicht: ein Vorbild?«
    »Eher das Gegenteil. Schallmo war wehleidig. Einer, der sich hintenrum
gerächt hat. Der Leute gegeneinander ausspielte. Auf eine Art, die für Kinder nicht
durchschaubar war, die sie aber sehr wohl gespürt haben. Die sind ja nicht blöd,
unsere Hauptschüler. Auch wenn sie Grammatik mit ck schreiben.«
    Oder hängen mit e, dachte ich. In diesem Moment schaffte ich den Durchbruch
– der Ast hatte kapituliert. »Nennst du das Arbeiten?«, herrschte ich den immer
noch aufrecht stehenden Steve an. »Während du hier rumlaberst, habe ich schon fast
die Hälfte deines Pensums geschafft! Also halt dich ran, wenn deine Autorität nicht
vor die Hunde gehen soll.«
    »Autorität«, grinste Steve und setzte die Säge wieder an, »das ist
der Punkt. Wenn dir die fehlt, brauchst du hier gar nicht erst anzutanzen. Es geht
nicht um Macht oder Gewalt, sondern um Authentizität. Sobald die

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