Schlucht der Daemonen
Er ließ seine Karte sinken, starrte missmutig vor sich hin und hob langsam seine Finger zur Unterlippe. Und kaum hatten die ein paar Mal daran geknetet, flog dem Ersten Detektiv aus den Tiefen seines genialen Gehirns eine Idee zu und er stand auf und verließ den Wohnwagen. Drei Minuten später war er mit einem alten Scheinwerfer, den er aus irgendeiner Ecke des Schrottplatzes gezogen haben musste, wieder zurück. Er schob den Stecker in die nächste Dose, richtete den kräftigen Lichtstrahl so aus, dass er auf eine halbwegs freie Wand im Wohnwagen fiel, und hielt dann eine der Karten vor die Lichtquelle. Sofort zeichneten sich an der weißen Wand zumindest im Groben die Linien, Schattierungen und Flächen der Landkarte ab, und wenn Justus den Scheinwerfer weiter wegschob oder näher an die Wand rückte, vergrößerten oder verkleinerten sich die Konturen stufenlos.
»Genial, Erster!«, rief Bob. »Jetzt müssen wir nur noch den richtigen Abstand für den Strahler finden und dann können wir das Foto einfach auf die Linien und Flecken an der Wand ausrichten, bis wir auf zwei gleiche Muster stoßen!«
Auch Peter zog anerkennend die Nase kraus und hielt das Foto schon mal an die beleuchtete Fläche, während Donovan dem Treiben beeindruckt folgte. Aber ganz so einfach gestaltete sich dann die Suche nach einer möglicherweise vorhandenen Übereinstimmung zwischen Karten und Pferdefell auch mit dieser Methode nicht, weil die drei ??? ja nicht wussten, wie groß das Gebiet war, das eventuell auf dem Pferd abgebildet war. Es konnte nur ein winzig kleines Areal sein, aber auch die halbe Wüste.
Doch nach fast einer Stunde intensiven Scheinwerfervor- und -zurückrückens und der Durchleuchtung so ziemlich aller Karten und Kartenausschnitte in den unterschiedlichsten Abständen verschlug es den drei ??? und Ewan Donovan fast im selben Moment die Sprache. Bob hatte gerade einen Plan mit extrem kleinem Maßstab ins Licht gehalten und Peter schob zum x-ten Mal und schon etwas gelangweilt das Foto über die blassen Umrisslinien, als sie es plötzlich sahen.
»Das, das ist doch …«
»… unmöglich!«
»Unfassbar!«
»Ich hab’s gewusst!«, hauchte Donovan und ging näher an die erhellte Wand. Dann fuhr er langsam mit dem Finger die fast rechteckigen Konturen nach, die sich an ein und denselben Stellen auf der projizierten Karte und auf einem Teil von Ladys Fell befanden. Als hätte man eine Kopie der Fellzeichnung vor den Schweinwerfer gehalten, fügten sich die diversen Linien, Schraffierungen und Flächen von Kartenausschnitt und Fell perfekt aneinander und wiesen auch nicht die kleinste Abweichung auf.
»Wo ist das?«, fragte Donovan im Flüsterton, ohne sich von dem Lichtspiel an der Wand abzuwenden. »Wo befinden wir uns hier?«
Justus nahm die Karte aus dem Strahl, drehte sie so, dass er sie lesen konnte, und suchte dann das Gebiet, das sich auch auf dem Fell wiedergefunden hatte. Eine halbe Minute später schluckte er trocken.
»Was ist, Just? Wo ist es?«, trieb ihn Peter ungeduldig an.
»Das Gebiet heißt … heißt«, stotterte Justus, »es heißt: Die Schlucht der Dämonen!«
Ritt ins Ungewisse
»Das war ja klar!«, fuhr Peter auf. »Schlucht der Dämonen! Na prima! Warum können wir es bei unseren Fällen nicht mal mit Orten zu tun haben, die etwas weniger schauerliche Na-men haben? Warum kann die Gegend nicht Häschenwiese oder Igelwäldchen heißen? Nein, Schlucht der Dämonen muss es sein!«
Der Zweite Detektiv war nicht unbedingt für seine außerordentliche Gelassenheit berühmt, die er in brenzligen Situationen an den Tag zu legen pflegte. Und auch diesmal regte er sich im Grunde nur deswegen so über den beunruhigenden Namen der Wüstenregion auf, weil er irgendwo tief in sich drin schon ahnte, was nun als Nächstes kommen würde.
»Wir müssen dahin«, sagte auch prompt Donovan in diesem Augenblick.
»Wusst ich’s doch!«, murmelte Peter und in seinem Kopf entstanden ohne sein Zutun furchterregende Bilder von einer Landschaft, die den Namen »Die Schlucht der Dämonen« verdiente: Schroffe Felsabbrüche, die grässliche Fratzen abbildeten, waren darauf zu sehen, giftige Schlangen zischelten durch den trockenen Staub, stachlige Wüstenbüsche wurden von heulenden Windböen über die einsame Steppe getrieben, und Geier – vor allem Geier schwirrten immer wieder durch das Bild. Hässliche Geier mit nackten Hälsen und messerscharfen Schnäbeln hockten lauernd auf Felsspitzen, gierige Geier
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