Schlüsselfertig: Roman (German Edition)
D&G. Obwohl ich mir gar nicht vorstellen kann, wie deren Fertighäuser wohl aussehen würden. Auf jeden Fall muss man in keine Umkleidekabine und wird nicht in unvorteilhaftem Licht zur Schau gestellt. Man muss nicht an Reißverschlüssen zerren, nicht drei verschiedene Konfektionsgrößen probieren (von denen höchstens die größte passt). Vielleicht macht es also Spaß, ein Haus zu kaufen. Ein fertiges. Vielleicht macht es so viel Spaß, dass man gleich noch eins und noch eins und dann noch ein weiteres kaufen möchte. Bis der Schrank voll ist, pardon: das Grundstück. Hoffentlich gerate ich nicht in Kaufrausch. Ich habe gar keine Einkaufstasche dabei.
Während ich mich noch mit grundsätzlichen Konsumtheorien aufhalte, ist meine Mutter schon ein paar Schritte weiter, nämlich im ersten Musterhaus drin.
Ich folge ihr in die imposante Eingangshalle, bestaune den hohen Luftraum über mir, und höre Mutti mit kalter Stimme knallhart analysieren: »Verschenkter Platz! Und wer putzt das Fenster da oben?« Sie zeigt auf die Glasscheibe, die bis in den Giebel hinauf reicht. Niemand antwortet.
Wir schreiten auf glänzenden Fliesen voran in einen schlauchartigen Wohn-Ess-Bereich. Bisschen enttäuschend, nach diesem Entree hätte man doch etwas, naja, Geräumigeres erwartet. Immerhin hat jemand mittig noch einen Kamin hingequetscht, vor den gerade mal zwei Stühle passen. Die drei Zimmer im oberen Stockwerk sind mickrige Butzen mit so heftigen Dachschrägen, dass man dort nur im Türrahmen stehen kann. Die eignen sich vielleicht als Kinderzimmer – so lange der Nachwuchs noch im Krabbelalter ist.
Mangels Begeisterung verlassen wir das Haus und begeben uns ins nächste. Dort werden wir von einer Dame empfangen, die uns darauf aufmerksam macht, dass es sich bei diesem Haus um ein »Architektenhaus« handelt, was bedeutet, dass es etliche kleine Finessen gibt, die den Preis in die Höhe treiben. Und dass nichts verändert werden darf. Stolz führt sie uns die elektrischen Jalousien vor. Den Dimmer. Und den Hauswirtschaftsraum. Das ist ein kleines, dunkles Kabuff hinter der Küche, in der die Hausfrau zwischen Waschmaschine und Putzeimern Marmelade einkochen darf, während der Hausherr auf der Galerie an seinem Schreibtisch residiert.
»Ein Hauswirtschaftsraum!«, jubelt meine Mutter beim Anblick des tristen Kämmerleins. »Das ist ja ganz wichtig!«
»Wofür?« frage ich.
»Da steht dann die Waschmaschine. Und der Trockner. Da kann man bügeln. Und Wäsche zusammenlegen. Und nähen.«
Ich stelle mir meine Mutter, die schon drei elektrische Nähmaschinen mit ihrer Ungeduld ruiniert hat, beim quilten im Hauswirtschaftsraum vor. Vielleicht verändert so ein Raum ja die Menschen? Vielleicht würde ein Hauswirtschaftsraum auch mich zur Hausfrau machen? Diesen Gedanken behalte ich lieber für mich und frage stattdessen: »Warum kann die Waschmaschine nicht im Bad stehen?«
Die Fertighausfrau und meine Mutter sehen mich beide gleichermaßen entsetzt an. Mutti gelingt es schließlich, ihr Entsetzen in Worte zu fassen: »Aber nein!«, seufzt sie, »Das Bad ist exquisit!«
Ich gucke sie an, als hätte ich nicht recht verstanden. Habe ich auch nicht.
Die Fertighausfrau öffnet ihre sorgfältig orange bemalten Lippen, die einen verwirrenden Kontrast zur pinkfarbenen Bluse bilden. Sie sieht aus wie der geheime erotische Traum eines Papageientulpenzüchters, und sie sagt: »Eine Waschmaschine im Bad, das ist doch asozial.«
Ups. Ein hartes Geschütz. Ich gehe in Deckung und verschweige lieber, dass bei mir zuhause die Waschmaschine in der Küche steht. In der richtigen und einzigen Küche, in der gekocht und gegessen wird, nicht etwa in der Waschküche von Heiners Mutter. Wie würde sie über mich und diesen unhaltbaren Zustand urteilen? »Nicht gesellschaftsfähig« wäre wahrscheinlich noch die harmloseste Einstufung.
Ich verlasse den Hauswirtschaftsraum durch die offene Küche, die gerade mal genug Platz bietet, um sich einen Café Latte aufzuschäumen – ein anderes Getränk ist in einem Architektenfertighaus wahrscheinlich auch nicht gestattet –, und das spiegelnd geflieste Wohnzimmer, eile die dunkle Holztreppe hinauf und ins exquisite Bad. Dort finde ich hinter einer exquisiten Sichtschutzwand die exquisite Toilette. Die ist mit einer exquisiten Banderole versehen, auf die jemand in Schönschrift Leider außer Betrieb geschrieben hat. Mit Herzchen über jedem i . Ich schließe rasch die Tür ab, entferne vorsichtig
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