Schlüsselfertig: Roman (German Edition)
Pirelli-Kalender-Plan haben doch eine Vollklatsche! Meine Meinung dazu teile ich in etwas abgemilderter Form meiner Mutter mit, die nur meint: »Ist doch schön, wenn junge Mädchen Sport treiben. Du könntest auch mal etwas für deine Figur tun! Mit dem Hintern kommst du jedenfalls nicht in den Kalender.« Sie ist wohl nicht die richtige Gesprächspartnerin für das Thema. Trotzdem lasse ich sie wissen, dass ich mich nie und nimmer für einen Hupfdohlenkalender, der gutgläubigen Spannern das sauer verdiente Geld für einen zweifelhaften guten Zweck aus der Tasche zieht, entblößen würde.
Inzwischen haben sich schon zwölf Freiwillige zum Fototermin gemeldet, und Monique rechnet nach, ob das für einen Jahreskalender reicht. Anscheinend wollen die meisten ein Aerobic-Center haben, quasi als Gegengewicht zum Schützenhaus, das eher männlich dominiert ist. Und die Waffen der Landfrauen sind, da muss ich die Liste von vorhin ergänzen, anscheinend auch Bauch, Beine und Po.
Als ich nach Hause komme, liegt Heiner schon im Bett. Ich versuche ihn zu wecken, um ihm von dem exhibitionistischen Vorhaben der Landfrauen zu erzählen, aber er murmelt nur: »Das ist doch eine tolle Idee. Das könnten wir von der freiwilligen Feuerwehr auch mal machen«, dreht sich um und schläft weiter. Sind denn hier alle durchgeknallt?
2. Kapitel:
Auf diese Steine könnten Sie bauen
Freitag, 6. Mai
Der Tag in der Sparkasse ist furchtbar. Oma Ellerbrock beschwert sich, dass ich die Kontonummer ihres Enkels, der ein Konto bei einer mir unbekannten schwäbischen Privatbank hat, nicht auswendig weiß. Dabei überweist sie ihm nun schon zum dritten Mal Geld, »also, langsam könnten Sie sich das wirklich mal merken!« Dummerweise ist mein Zahlengedächtnis nicht das beste, das ist im Job manchmal etwas hinderlich. Einen gewissen persönlichen Service erwarten unsere Kunden schon. »Wir sind ja nicht in einer anonymen Großstadt«, betont der Filialleiter gerne, »hier kennt man sich.« Die Sparkasse ist aufgebaut wie ein Tante-Emma-Laden, allerdings mit einer Panzerglasscheibe über dem Tresen und kleinen Schubladen, durch die man die Überweisungsformulare und das Geld schiebt. Automaten gibt es hier keine, weder zum Geld ziehen noch für Kontoauszüge. Aber vielleicht ändert sich das bald. In letzter Zeit gibt es immer wieder Gerüchte, die Filiale sollte modernisiert werden, der Raum würde »offener gestaltet«, so, dass auch die Angestellten frei herumlaufen könnten. »Endlich nicht mehr wie ein Leguan im Terrarium«, hofft meine Kollegin Susi und strebt so zielstrebig wie eine Echse im Winterschlaf auf ihre Tupperdose in der Mikrowelle zu. »Dann bewege ich mich automatisch den ganzen Tag und nehme wie von selbst ab!« Sie gießt Sahnesoße über ihren Gabelspagettiberg und seufzt in Erwartung besserer Zeiten.
Ich seufze auch, weil ich eine böse Ahnung habe: Mindestens eine Stelle wird gestrichen werden. Und das ist im Zweifelsfall meine. Einen anderen Job finde ich hier in der Gegend nicht. Also müsste ich in die Großstadt fahren. Jeden Tag im Stau, morgens und abends. Oder ich werde Hausfrau, noch bevor das Haus fertig ist. Ohne Haus hätte ich erst mal auch nicht so viel Hausarbeit. Trotzdem: Eine Perspektive ist das nicht.
Fünfzehn Überweisungen und einen Dauerauftrag später entkomme ich zu Hause knapp Heiners Mutter durch einen Sprint die Treppe hoch. Im Schlafzimmer zieht sich Heiner gerade um.
»Hat deine Mutter eigentlich etwas über ihre Geranien gesagt?«, frage ich ihn vorsichtig.
»Nö. Wieso?«
Es scheint also keinen Stress gegeben zu haben. Ich versuche deshalb, nicht also schuldbewusst zu klingen: »Weil die alle eingegangen sind.«
»Jaja, wegen dieser grassierenden Geranien-Grippe. Das hat deine Mutter meiner Mutter doch ellenlang erklärt. Wahrscheinlich warst du da schon im Bett. Muss ja eine fiese Seuche sein, man kann froh sein, dass man selber noch mal davon gekommen ist. Auf Kreta soll es auch ein paar Gärtner erwischt haben. Stand hier doch alles in der Zeitung. Sagt jedenfalls deine Mutter.«
Während ich Heiner zuhöre, wundere ich mich, dass er ein frisches Hemd anzieht. Das macht er sonst nie. In meiner Anwesenheit findet er ein gut durchgeschwitztes T-Shirt mit ein paar alten Ketchupflecken normalerweise angemessen. Trotzdem muss ich grinsen. Mutti ist doch die Größte – nie um eine Sensationsstory verlegen. Die Fakten sind wie immer auf die Schnelle für die Anwesenden nicht
Weitere Kostenlose Bücher