Schlüsselfertig: Roman (German Edition)
Naturgesetz, dass ich ein Haus bauen würde. Ich habe es mir nicht gewünscht, es gehört einfach dazu, dort, wo ich herkomme: vom Dorf. Man macht es. Wo sollte man denn auch sonst wohnen? In der Stadt etwa? Ausgeschlossen! Dort findet man ja nie einen Parkplatz. Genau so selbstverständlich wie ein Haus zu bauen ist es natürlich auch, ein Carport daneben zu setzen. Ich hätte es auch getan. So war mein Leben: Alles ergab sich so, wie es sollte. Es gab feste Regeln, es gab garantierte Sicherheit. Dachte ich zumindest. Bis ich merkte, dass das nicht stimmte.
Mein Unbehagen begann an einem ungewöhnlich schwülen Tag im Mai.
1. Kapitel:
Grund genug – Das Grundstück
Dienstag, 3. Mai
Schneller, schneller! Jetzt überholen! Du schaffst es! Achtung, der Dicke da hinten holt auf! Und jetzt verknäult sich alles hier vorne.
Ich sitze im Gras und beobachte faszinierende Verfolgungsjagden auf einer Ameisenstraße. Und gleich daneben das Liebesspiel zweier Marienkäfer. Langsam krabbeln sie umeinander herum, das Männchen wirbt mit einem betörenden Balztanz, das Weibchen erliegt dem unwiderstehlichen Charme, gibt sich ihm hin, ungeachtet der zahlreichen Zuschauer. Sind Marienkäfer Exhibitionisten? Jetzt kriecht der eine davon, der andere bleibt ermattet liegen. Ging ja schnell. Ist bei Marienkäfern also auch nicht anders als bei Menschen.
Moment! War das überhaupt Sex? Wieso bilde ich mir ein, einen Geschlechtsakt zu beobachten? Ehrlich gesagt: Ich habe überhaupt keine Ahnung von Insekten. Vielleicht waren das noch nicht mal Marienkäfer, so ganz sicher kann man sich ja nie sein. Wahrscheinlich hat das Ganze eher etwas mit meinem Liebesleben zu tun. Meinem sehr geregelten, sehr routinierten und sehr sparsam bemessenen Liebesleben. Ungefähr einmal im Monat, meistens nach Wetten, dass ...?. Heiner wird anscheinend unglaublich angetörnt von dieser Show. Der Zauber dauert dann zehn Minuten, in denen die bekannten erogenen Zonen verlässlich stimuliert werden. Das funktioniert immer. Ein wenig fühlt es sich an, als hätte man den Autopiloten eingeschaltet. Eine sichere Sache. Im Moment läuft Wetten, dass ...? gerade nicht, keine Ahnung, wieso. Ist denn schon Sommerpause? Im Mai? Weiß Herr Gottschalk nicht, welche Auswirkungen sein Fortbleiben auf mein Liebesleben hat? Wer wird Millionär scheint für Heiner als Vorspiel nicht zu wirken.
Wahrscheinlich bin ich, wie meine beste Freundin neulich mal gesagt hat, underfucked and oversexed. Und ich sollte wohl versuchen, diesem Zustand etwas Angenehmes abzugewinnen. Den underfucked -Aspekt ignorieren und die oversexed -Seite genießen. Ich könnte es mit Tagträumen probieren. Gute Idee.
Ich lasse mich ins Gras sinken – pardon: auf den Rasen, denn dieser Garten hier wurde akribisch angelegt, da wächst nicht einfach irgendwelches Gras. Natürlich war ich mal wieder zu träge, um mir eine von den sperrigen Plastikliegen mit den braun-beige-gestreiften Auflagen aus dem Gartenhäuschen zu holen. Also muss ich mich auf dem Rasen meinen Phantasien hingeben. Okay. Gut. Hemmungslos denken. Alles zulassen. Tabulos sein. Mutig, verwegen, wild, verrucht.
Hmm.
Da kommen irgendwie keine Phantasien.
Alles ziemlich dunkel. Ziemlich brav. Ganz normal. An wen soll ich auch denken? Und an was? An einen Kavalier, der mich mit Rosen überhäuft? Zu kitschig. Außerdem mache ich mir gar nichts aus Blumen. Kaum hat man sich an den Anblick gewöhnt, sind sie schon wieder verwelkt. Au weia, da fällt mir was ein. Ich springe auf und renne ins Haus.
Das war's dann wohl. Alles voller Brösel. Die ganze Fensterbank voll. Der Rest sieht aus wie mumifiziert. Ich habe vergessen, die Geranien zu gießen. Ausgerechnet die, die meine Schwiegermutter mir während ihres Urlaubs anvertraut hat. Schwiegermutter in spe, um genau zu sein, denn Heiner und ich sind nicht verheiratet. Aber immerhin verlobt, so ungefähr seit drei Jahren, seit Heiner mir zu Weihnachten einen gebrauchten Opel Corsa schenkte und vorher noch schnell um meine Hand anhielt, damit »die Investition in der Familie bleibt«. Der Corsa war übrigens der Ladenhütet in der Autohandlung, die Heiner später mal von seinem Vater übernehmen wird. Er arbeitet dort jetzt schon, als Juniorchef.
Heiner und ich kennen uns aus der Grundschule. Ich kann mich noch vage daran erinnern, dass er mir mal aufs Pausenbrot gespuckt hat, ein Ereignis, das ich gerne verdrängen würde. Seitdem versuche ich ihn möglichst von Lebensmitteln, an
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