Schlüsselfertig: Roman (German Edition)
die Banderole und pinkle so leise wie möglich in das nicht angeschlossene Klo. Danach fühle ich mich sehr viel entspannter und gelassener.
Mutti ist mir inzwischen nachgeeilt und spricht durch die verschlossene Badezimmertür mit mir. Das ist so eine Angewohnheit von ihr, Türen schrecken sie nicht ab, wahrscheinlich würde sie auch durch Wände gehen, wenn sie Lust dazu hätte. Ich antworte nicht, denn wenn ich im Bad bin, bin ich im Bad und möchte nicht gestört werden. Dann will ich auch nicht reden. Mein Bad mag zwar nicht exquisit sein, aber immerhin ein Ort des Schweigens. Ich habe auch nie verstanden, warum Mädchen so gerne zusammen aufs Klo gehen. Ich unterhalte mich lieber am Tisch oder auf dem Sofa oder meinetwegen auch beim Abwaschen, aber doch nicht, wenn ich mal muss. Bin ich verklemmt? Ja, meinetwegen, auch das. Hauptsache, ich habe in Gegenwart sanitärer Anlagen meine Ruhe.
Nachdem ich noch ein paar Fingerabdrücke auf der gläsernen Duschtrennwand hinterlassen habe, fühle ich mich der Besichtigung weiterer Räume gewachsen. Auf der Galerie begegne ich meiner Mutter, die wieder fasziniert zu einem Giebelfenster hinaufsieht, mit ihrem »Wer soll das denn putzen?«-Blick. Die Fenster im Schlafzimmer und im Kinderzimmer dagegen sind bestimmt einfach zu reinigen. Genaugenommen sind es gar keine einzelnen Fenster, sondern ein Fensterband, das sich einmal ums Haus zieht. Hübsche Idee. Leider in Stirnhöhe, das heißt, man kann nicht so gut rausgucken. Man würde also auf dem Bett liegen und gegen die Wand starren.
»Wenn Sie hier abends das Licht anschalten, dann sieht das von außen aus, als würde das Dach schweben wie ein Ufo«, flötet die Papageientulpe, die uns nachgeeilt ist.
»Ist ja galaktisch«, grinse ich.
Bevor wir den Rückzug aus dem Universum der Extrakosten antreten, drückt mir die mit außerirdischem Farbverständnis gesegnete Außenansichtenexpertin noch ihre Visitenkarte in die Hand: Katharina Nelke steht dort. In Botanik war ich noch nie gut, ich hätte sie wirklich für eine Tulpe gehalten. Gibt es überhaupt zweifarbige Nelken? Unter den Namen hat man die Berufsbezeichnung gesetzt: Musterhausdame .
Kaum sind wir der sphärisch-schwebenden Hortensie – Oder wie hieß die Blume noch gleich? – entronnen, geraten wir in den Bannkreis eines Kellerfetischisten. Herr Kurz würde uns am liebsten ein Haus in die Elbe stellen, mit einer weißen Wanne darunter. Die Feinheiten dieser anscheinend genialen Konstruktion, die er uns in ausführlichen Ausführungen darlegt, bleiben meiner Mutter und mir jedoch verschlossen, da wir beide abgelenkt sind. Meine Mutter kann sich nicht konzentrieren, weil Herr Kurz die Hand auf ihren Arm gelegt hat und sie deswegen kurz davor ist, ihn körperlich zu züchtigen. Ich dagegen bin in den Anblick seiner Krawatte versunken. Ich beuge mich noch ein bisschen vor, um das Muster besser dechiffrieren zu können. Lauter kleine Erdmännchen, die auf winzigen Felsbrocken hocken, direkt neben ihren unterirdischen Gängen, bereit, darin zu verschwinden, sobald ein Kollege durch Pfeifton vor Gefahr warnt. Sie haben große Ähnlichkeit mit Herrn Kurz, dieses überall Haarige. Und jedes Hörnchen hat seinen eigenen Keller. Wahrscheinlich handelt es sich ausschließlich um männliche Tiere, die heißen ja wohl nicht umsonst Erdmännchen, und aus den unermüdlichen Erläuterungen des Musterschlipsträgers geht auch hervor, dass ein Keller wohl hauptsächlich dazu da sei, die Bauherren glücklich zu machen.
»Männer brauchen einen Keller. Schon allein für all die Geräte, wo Power draufsteht!«, lautet das Finale seines Monologes.
Da wir keinerlei Geräte, auf denen Power steht, besitzen, verlassen wir Herrn Kurz, ohne uns in den weiteren Räumlichkeiten umzusehen. Mit ihm womöglich den Keller besichtigen zu müssen ... uns schaudert allein bei der Vorstellung. Herr Kurz, das ging aus seinem Vortrag hervor, hat in seinem Leben schon zehn Häuser besessen. Wir wollen uns lieber nicht ausmalen, warum er diese immer wieder verkauft hat. Und was er in den Kellern zurückgelassen haben könnte.
Draußen, im Tageslicht, bewundert Mutti die vielen Zierteiche. Vor jedem Haus gibt es einen, und dazwischen auch noch mal welche. Sie scheinen durch ein kompliziertes Kanalsystem miteinander verbunden zu sein und haben deshalb eine leicht burggrabenartige Anmutung. Die vielen kleinen Brücken, die sich darüber hinwegschwingen, verleihen der Anlage streckenweise einen
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