Schlüsselherz (German Edition)
hinzu: Sie haben recht und ich hab meine Ruhe.
„ Davon bin ich überzeugt. Und Sie, mein guter Junge, haben die Macht, etwas in ihm drin wieder zu heilen, seinen Schmerz zu li n dern; doch, das haben Sie. Sie sind sein Sohn und bei hellem Ve r stand.“
Valender winkte ab. Das alles war ihm bei Weitem zu pr i vat für ein Gespräch mit einem beinahe Fremden, und definitiv viel zu privat, um es mit jemandem zu besprechen, der ihm nicht fremd war.
„ Das reicht, Dr. Harold“, sagte er kühl.
Was war nur in den Doktor gefahren? So kannte er ihn nicht – war der Mann betrunken? Zu allem Überfluss erinnerte ihn das G e schwätz über Seele mehr an Cera und alles, was er über sie erfahren hatte, als ihm recht war. Die Seele macht uns zu dem, was wir sind? Zum Menschen?
Er fühlte sich von wild gewordenen Gedanken dominiert, als wäre ihm die Gewalt über seinen Sinn entrissen wo r den. Zu seiner tiefsten Schande überkam ihn ein Prickeln in den Händen, er brauchte alle Konzentration, um die Magie, die in ihm flüsterte, zu unterdrücken. Seine Stirn schmerzte von innen nach außen, und die Lust nach e t was linderndem Opium übe r rollte ihn wie eine Dampflok. Und das au s gerechnet beim Besuch seiner Schwester! Verärgert erhob er sich von der Bettkante, setzte sich aber sogleich wieder hin, als Melissa bittend die Hand nach ihm ausstreckte.
„ Bitte entschuldigen Sie, Dr. Harold, ich wollte nicht unhöflich sein. Aber ich möchte Ihre Beobachtungen, meinen Vater betre f fend, nicht vor meiner kleinen Schwester diskutieren. Immerhin ist es unser Vater, der Ihre Rechnungen bezahlt.“ Und auch die seinen hatte Phillip Beazeley jahrelang beglichen. „Ich halte es für respek t los, in seiner Abwesenheit über ihn zu sprechen.“
Er wollte überhaupt nicht über seinen Vater sprechen. Er wollte nicht einmal an ihn denken.
Dr. Harold lehnte sich auf seinem Stuhl vor und kniff die Lider z u sammen, als hätte er schlechte Augen und wolle Valender besser sehen. „Sie ahnen gar nicht, wie nah Sie Ihrer Familie wirklich st e hen, oder?“
Valender stieß abfällig Luft durch die Nase. Seine Familie bestand aus seiner Schwester und einer lästigen Schuld, die ihn an seinen E r zeuger kettete. „Sie wissen nichts von mir, Dr. Harold.“
„ Und, lassen Sie mich raten, Sie möchten, dass das so bleibt.“
„ In der Tat. Soweit ich informiert bin, bezahlt mein Vater Sie nicht, um mir Ratschläge bezüglich meiner familiären Situation zu erteilen, sondern um Melissas Entwicklung zu dokumentieren.“ Er pausierte kurz und setzte dann nach: „Wenn Sie sie schon nicht he i len können.“
Das Schmunzeln des Doktors zeigte, dass er den Wink durchaus verstanden hatte, auch wenn er ansonsten nicht darauf reagierte. „Schon recht, Valender, schon recht. Nur hängt manchmal alles z u sammen. Gerade Geist und Seele sind eng verbunden, man könnte sagen, sie wären eins und …“
„ Danke, Doktor, ich habe es wirklich verstanden.“ Valender b e mühte sich, den Ärger zu unterdrücken, der ihm unter den Rippen brannte. Am liebsten wäre er gegangen, aber ihm war nicht wohl beim Gedanken, Melissa nach einem Streit mit dem Arzt allein zu lassen. Sie könnte sich im Stich gelassen fühlen.
Dr. Harold räusperte sich und stand etwas schwerfällig von seinem Stuhl auf. „Nichts für ungut“, bat er. „Hin und wieder, wenn die P a tienten mich zu sehr an meine eigene familiäre Situation erinnern, übertrete ich dabei vermutlich eine Grenze. Das tut mir leid, ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten, Valender, aber bitte, denken Sie einmal darüber nach und nehmen Sie es mir nicht krumm.“
„ Schon in Ordnung.“
„ Schön, schön. Dann verabschiede ich mich für heute von Ihnen. Ich werde noch mit Ihrem Vater über Melissas Fortschritte spr e chen, er erwartet mich sicher schon in seinem Arbeitszimmer.“ Er hob seinen Hut. „Miss Beazeley, einen wunderschönen Tag noch.“
Valender sah dem Doktor nach, wie dieser, erneut in seine typische Hektik verfallen, aus dem Zimmer stürmte. Mit dem Zuschlagen der Tür sackte er in sich zusammen. Melissa knibbelte an seinem Finge r nagel, als wäre es ein Fremdkörper, der entfernt werden musste. Va l ender achtete kaum darauf. In Gedanken versunken, die wie ausg e hungerte Haie um Dr. Harolds Worte über die Seele kreisten, starrte er auf das Ebenholz der Dielen.
Sein Körper mochte noch neben seiner kleinen Schwester sitzen, seine Finger mit ihren verhakt, aber sein
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