Schlüsselherz (German Edition)
Geist war längst in einem Pub und bat mit alkoholgetränkter Stimme den Tandler um ein Briefchen Opium.
Wo sein Herz war? – Das hätte er selbst gern gewusst.
***
In einem billigen Hotel legte sich ein guter Mann nieder, um die ga n ze Nacht tief und fest zu schlafen. An seiner statt erhob sich Cre a ker. So wurde er von dem genannt, der ihn bei Nacht losschickte. Der Mann, der ihn bezahlte, war vorsichtig.
Keine Namen. Keine Fragen. Keine Gesichter.
Nur Geld. Sehr viel.
Creaker ließ sich das Töten einer Puppe wie einen Mord an einem Menschen bezahlen; der Mann am anderen Ende der Leitung hatte nicht einmal versucht, ihn runterzuhandeln, und darüber beschwerte Creaker sich nicht. Er selbst brauchte kein Geld, wozu schon sollte ein Mörder Geld benötigen? Für ein Leben, das er schon lang nicht mehr verdiente? Nein, Creaker erwartete sich nichts mehr von seiner Existenz.
Aber der gute Mann, der Mann, der schlief, der hatte eine Frau und Kinder, drei prächtig wachsende, immer hungrige Kinder; der hatte seine Rechnungen für Kohlen und Miete zu begleichen, und nur eine halbe Stelle als Straßenfeger. Der gute Mann brauchte Creakers Hi l fe, wenn er schlief.
Creaker machte sich auf den Weg. Er nahm die Dampfbahn, wu r de unsichtbar in der Masse Hunderter von Menschen, die dieselben Wege gingen und das East End für einen Abend lang ve r ließen, um zu vergessen, dass sie arme Schlucker waren. Zwischen all den mi t tellosen Kerlen, die ihr weniges Geld dafür zusammenkrat z ten, ein Bier in Gesellschaft reicher Fatzken zu trinken, als sei Reichtum e t was, das abfärbte oder mit dem man sich anstecken könne, fiel Cre a ker nicht auf. Auch er bestellte in einem Pub in der Nähe des Ke y mans Theatre ein Bier und fand, dass es auch nicht anders schmeckte als da, wo es nur die Hälfte kostete. Am Nebentisch schmeichelte sich eine mechanische Frau an einen einsamen jungen Mann heran. Cre a ker spürte die Lüge in der Luft wie Elektrizität. Sie ließ seinen Kö r per kribbeln und er wandte angeekelt den Blick ab. Gleich würde die Puppenhure den jungen Mann mit sich in ihr Freudenhaus ne h men, ihn sich zwischen ihre Beine stecken und er sein letztes Geld in ihren Hals. Der Mensch würde noch sehen, was er davon hatte, sich Sündenliebe zu kaufen. Holz knarzte wie unter Schmerzen, als Cre a ker seine künstliche Hand um das Tischbein schloss. Ob die Pu p penhure ihre Finger besser im Griff hatte als er, der für die künstl i che Glie d maße weniger hatte auf den Tisch legen können, als diese Puppe für eine ganze Nacht verlangte? Er sah auf die Uhr über der Theke. Endlich war es an der Zeit, sein Geld zu verdienen. Er legte ein paar Münzen auf den Tisch, spuckte darüber und ging.
Es kostete ihn Mühe zu schlendern, als bewege er sich ohne ein Ziel. Er war versucht zu rennen, um nachzusehen, ob sie wirklich im Park war, wie der Mann am anderen Ende der Leitung gesagt hatte. Sein Auftraggeber hatte dazu gelernt. Beim letzten Versuch, sie zu erwischen, hatte er sich eingemischt, um Fragen zu stellen, anstatt Creaker seinen Job machen zu lassen. Creaker stellte nie Fragen, Fragen endeten meist mit Antworten, und die konnten falsch sein. Fragen endeten in Fehlern. Sein Auftraggeber hatte einen Fehler g e macht, er hatte das Ziel entwischen lassen, es hieß, er sei sogar selbst beinah e geschnappt worden. Creaker würde dem reichen Mann ze i gen, wie man gute Arbeit machte.
Was für eine perfekte Nacht, dachte er, als er zwischen den letzten beiden Lampen hindurch in die Dunkelheit des Parks trat. Zwischen den dekorativ zu Mustern gestutzten Hecken im Park wurden die Wege zu schwarzen Kanälen. Leises Knirschen des Kieses verriet jeden Schritt. Ein wenig bleiches Mondlicht erhellte die Nacht, drang aber nicht in die Ecken und Winkel, die sich zu Verstecken wande l ten, in denen er sie erwarten würde. Creaker trat zwischen einen g e drungenen Haselnussbaum und einen Fliederstrauch und verschmolz durch Unbeweglichkeit mit den Schatten. Wie früh der Flieder blü h te, in diesem Jahr. Das musste an dem feuchten, milden Winter li e gen. Auch im Garten des guten Mannes gedieh in diesem Frühjahr alles vor seiner Zeit. Mit seiner künstlichen Hand griff er einen Zweig mit besonders üppigen weißen Blüten, der seiner Kraft sofort nachgab und zu Boden fiel. Der Wind trieb ihn auf den Weg, wo er liegen blieb wie eine gestürzte Braut. Vielleicht würde sie sich sogar nach ihm bücken, wenn sie vorbei
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