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Schluß mit cool (German Edition)

Schluß mit cool (German Edition)

Titel: Schluß mit cool (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C Boyle
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aufgeplustert, so daß es ihr armseliges und ungläubiges kleines Gesicht richtiggehend auslöschte. »Das beweist gar nichts. Das Ding ist kaputt, schlicht und einfach.«
    Als sie wieder bei Kräften war, marschierten wir zum Auto und fuhren damit nach Fish Fry Flats, wo sie es mit eigenen Augen sehen sollte. Ich war halb wahnsinnig wegen der schaurigen Last des Wissens, das ich die ganze Zeit hatte für mich behalten müssen, und ich kann meinen Ärger über ihre absolute Interesselosigkeit kaum beschreiben – sie verfuhr mit mir wie mit einem brabbelnden Idioten auf der Straße, einem Psychotiker oder einer Kassandra in langen Hosen. Sie behandelte mich von oben herab. Als wäre ich ein Wirrkopf, verdammt, dabei lag die Welt rings um uns herum in Scherben. Aber ihr würden die Augen bald geöffnet werden, keine Frage, und der Gedanke daran hielt mich davon ab, etwas zu sagen, das ich später bereuen würde – ich wollte nicht die Beherrschung verlieren und sie verscheuchen, obwohl mir Dummheit und Starrsinn wirklich verhaßt sind. Diese beiden Eigenschaften dulde ich bei meinen Studenten nicht – oder duldete sie nicht, verbot sie ihnen sogar.
    Fish Fry Flats, das selbst zu seinen besten Zeiten kaum als Metropole gelten konnte, sah jetzt aus, als wäre es seit Jahrzehnten verlassen. Unkraut schoß aus unsichtbaren Rissen im Asphalt, Staub hatte sich auf die unbenutzten Tanksäulen gelegt, und die Fenster des Ladengebäudes waren dreckverschmiert. Und die Tiere – überall waren Tiere: Murmeltiere wackelten über das Gelände, als gehörte es ihnen, ein Coyotenpärchen schlief im Schatten eines verlassenen Pickups, Raben krächzten, Eichhörnchen keckerten. Genau in dem Moment, als ich den Motor abschaltete, brach ein mächtiger Bär, dessen Fell die Farbe von Zimttoast hatte, schwankend durch ein bereits zerschmettertes Fenster, legte sich davor auf den Rücken und wedelte mit den blutigen Tatzen in der Luft, als wäre er betrunken – was er auch war. Wie wir nämlich ein paar Minuten später entdeckten – sobald das Tier mühsam auf die Beine gekommen und in die Büsche davongetorkelt war –, hatten ganze Heerscharen von Tieren den Laden geplündert, das Süßigkeitenregal auf ein verbogenes Drahtgestell reduziert, überall Schokokekse und Paprikachips verstreut, Marmeladegläser und Portweinflaschen zerdeppert und die handgeschnitzten Figürchen der Tule-Indianer in den Staub getrampelt. Von dem ehemals so frohgemuten Eigentümer war nichts zu sehen, auch nicht von seinen zuckenden Füßen – ich konnte mir nur ausmalen, wie Raben, Coyoten und Ameisen ihre Arbeit getan hatten.
    Sarai jedoch glaubte mir immer noch nicht, sogar nachdem sie in der Telefonzelle eine Münze eingeworfen und sich den toten schwarzen Kunststoffhörer ans Ohr gehalten hatte. Ebensogut hätte sie versuchen können, einem Stein oder einem Holzklotz ein Freizeichen zu entlocken, und das sagte ich ihr auch. Sie warf mir einen säuerlichen Blick zu, ihre knochigen Arme bewegten sich kurz unter Pullover und Jacke, die ich ihr geliehen hatte – Ende Oktober wurde es schon kalt auf zweitausendzweihundert Meter –, dann probierte sie einen zweiten Quarter, dann noch einen, ehe sie wutentbrannt den Hörer hinknallte und mich fuchsteufelswild anfauchte. »Da ist eine Leitung kaputt, das ist alles«, versetzte sie höhnisch. Es folgte ihr Mantra: »Das beweist gar nichts.«
    Während ihrer sinnlosen Aktion hatte ich den Wagen mit Konservendosen beladen, nachdem ich durch das zerborstene Fenster in das Gebäude eingedrungen war und die Tür von innen geöffnet hatte. »Und was ist mit alldem hier?« fragte ich gereizt, ja hitzig, denn ich hatte sie und ihren Sturschädel langsam satt. Ich deutete auf die faulen, vollgefressenen Coyoten, auf den braunen Pelzberg im Gebüsch, der der besoffene Bär war, und auf die herumwackelnden Murmeltiere und die selbstbewußten Raben.
    »Ich weiß nicht«, sagte sie und biß die Zähne zusammen. »Und es ist mir auch völlig egal.« Ihre Augen glänzten stumpf, exakt in der Farbe des Staubs zu ihren Füßen, und zeigten den geistlosen Blick eines Rindviehs. Und ihre Lippen – schmal und knausrig, eingefallen in einem Sturzbach senkrechter Falten wie eine ausgetrocknete Schlammpfütze. In diesem Moment haßte ich sie, ob sie nun von Gott geschickt war oder nicht. Oh, wie ich sie haßte.
    »Was tust du da bloß?« wollte sie wissen, als ich die letzten Vorräte in den Wagen lud, wieder auf dem Fahrersitz

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